Sonntag nach Ostern

1. Sonntag nach Ostern 1. Petrus 2, 2-10

Mit euch wird ein Haus gebaut, das die Geistkraft selbst zusammenhält
1.
Petrus 2, 2-10

Predigt von Dorothea Loosli-Amstutz

Wir feiern heute den ersten Sonntag nach Ostern. In vielen Kirchen wird an diesem Sonntag als Eingang das «Quasi modo geniti» gelesen: «Wie neugeborene Kinder, Halleluja, verlangt nach der vernünftigen, unverfälschten Milch, Halleluja». Dieser Text erinnert an den Beginn eines neuen Lebens in Jesus Christus nach dem Osterfest. Gibt uns diese Begebenheit die Sicherheit in unserem Alltag, die wir so dringend benötigen? So viele Menschen haben Angst vor Veränderungen, so als wäre das, wie es ist und war, schon das Paradies.

Im Refrain von «Irgendetwas bleibt» der Band Silbermond wird folgender Wunsch an den oder die Liebste ausgedrückt:

«Gib mir ’n kleines bisschen Sicherheit
In einer Welt, in der nichts sicher scheint
Gib mir in dieser schnellen Zeit irgendwas, das bleibt Gib mir einfach nur ’n bisschen Halt
Und wieg mich einfach nur in Sicherheit
Hol mich aus dieser schnellen Zeit
Nimm mir ein bisschen Geschwindigkeit
Gib mir was, irgendwas, das bleibt.»

Ein Liebeslied, in dem viele Fragen gestellt werden, wie sie unzählige Liebespaare kennen. Ich erkenne die gleichen Fragen wieder in meiner Glaubensgeschichte: Worauf kann ich mich verlassen? Was bleibt, wenn die Welt den Verstand verliert – bleibt das, was du sagst? Ich glaube meinem Gott und kann es gleichzeitig nur schwer glauben, frage nach, suche nach Gewiss- und Sicherheiten.

So ähnlich ist es vermutlich schon vor über 2000 Jahren der jungen Gemeinde in Kleinasien, der heutigen Türkei gegangen. Mit dem Wissen der Thora und der Sehnsucht nach Gottes Gerechtigkeit suchten die Juden ebenso nach Gewissheit und Halt im Leben und sie waren davon überzeugt, dass Jesus der von Gott Gesandte ist. Sie lebten von dem, was sie von ihm hörten. Sie waren nicht viele, einzelne kleine zerstreute Gemeinden im grossen Land – mit einem Mal wurden sie zu Aussenseitern. Sie kamen in Verruf, als Traumtänzer, die einem Gekreuzigten nachfolgen. Naive, die an Auferstehung glauben; Weltfremde, die sich auf die Worte eines irdischen Gottes verlassen; Verräter des römischen Kaisers. Die Kritik nagt, breitet sich aus, verunsichert: Haben die nicht doch eigentlich recht, die sagen, dass in der Welt andere Massstäbe gelten? Was wollt ihr mit eurem Christentum? Aus den Verrufenen werden nach und nach Verfolgte, es wird handgreiflich, tödlich. Die Kaiser Nero und Diokletian treiben die ersten Jahrhunderte ein grausames Spiel mit den Christen.

In dieser ausweglosen Situation erhalten die Gemeinden in Kleinasien einen Brief im Namen des Apostel Petrus, indem er erklärt und Rat gibt:

«Wie Neugeborene nach Milch verlangen, so sollt auch ihr nach Milch, nach unverfälschten Worten, verlangen. Solche Nahrung soll euch stark machen, damit ihr Heil und Rettung erfahrt. Ihr habt doch geschmeckt, dass Gott freundlich ist.

Wenn ihr zu dem lebenden Stein kommt, den die Menschen weggeworfen haben, der vor Gott aber auserwählt und wertvoll ist, werdet ihr selbst wie lebendige Steine. Mit euch wird ein Haus gebaut, das die Geistkraft selbst zusammenhält. Ihr werdet zu einer heiligen Priesterschaft, damit ihr Gaben darbringt, die die Geistkraft wirkt, die Gott gefallen, weil sie im Vertrauen auf Jesus Christus dargebracht wurden. Deswegen heißt es in der Schrift: Siehe, ich setze in Zion einen Eckstein, erwählt und wertvoll, und wer ihm vertraut, wird nicht verloren gehen. Ihr vertraut ihm, für euch ist er das Wertvollste. Für die aber, die ihm nicht vertrauen, ist er der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der zum Eckstein geworden ist, ein Stein, an dem sie sich stoßen, und ein Fels, der Anlass gibt, sich zu ärgern. Der Eckstein Jesus Christus.» ( 1. Petrus 2, 2-10, Bibel in gerechter Sprache)

Der Schreiber des Briefes weiss um die Ängste seiner Gemeinde: Ihr seid noch wie Babys im Glauben und müsst wachsen wie Kinder. Was ihr dazu braucht findet ihr im Wort Gottes. Klar, die anderen verstehen euch nicht. Der Schreiber erklärt die Situation mit dem alten Bild vom Eckstein. Dabei kann man vor dem inneren Auge plastisch sehen, wie das wertvolle stabile Gebäude in Zion entsteht, doch kaum freut man sich, zerbricht das Bild – die Bauleute haben den Stein verworfen. Das ist die kürzeste Zusammenfassung der Passionsgeschichte.

Jesus Christus der Eckstein, der von den damaligen Religionsführern ausgemustert wurde. Er störte, den brauchte man nicht und so musste er weg. Aber seine Botschaft der Liebe konnte der Tod nicht töten. Sie breitete sich schnell aus, in Windeseile weit über die Landesgrenzen hinaus – bis heute. Das Christentum wurde zur weltweit grössten Religion in verschiedenen Konfessionen. Der damals verworfene Stein wurde trotzdem zum Eckstein.

Allerdings ist dieser Stein für viele auch heute noch ein Grund des Anstosses. Zwar denken wir in erster Linie an die Länder wo Christen explizit verfolgt werden und weniger an die Situation hier in Europa. Ja, hier ist es vielleicht eher ein nachsichtiges Lächeln, im Sinne von «Du wirst auch noch vernünftig» oder «Träum weiter». «Wer soll das bezahlen?» fragt vielleicht der empörte Politiker, wenn er auf die Not von Menschen aufmerksam gemacht wird, «das geht nicht!» Und wenn wir sanft widersprechen und sagen «Doch, das geht, wir brauchen dazu aber auch Gottvertrauen» wird er vermutlich antworten «da reicht Gottvertrauen nicht, jetzt brauchen wir Vernunft und Verstand.» Vernunft und Verstand dem Gottesvertrauen entgegen stellen? Ich denke, wenn wir das tun, vergeben wir ganz viel. Ich setze nicht auf entweder – oder, sondern auf sowohl – als – auch.

Gerade in der jetzigen Situation kann man in Gesprächen erleben, dass Menschen an diesem Vertrauen und der Hoffnung Anstoss nehmen. Das stimmt mich oft nachdenklich. Könnte es nicht doch sein, dass sie ein kleines bisschen recht haben? Bin ich in meinem Glauben zu naiv? Hilft der Glaube wirklich angesichts der drängenden Probleme der Welt: dem Klimawandel, der Pandemie, der Ausbeutung von Mensch und Tier, dem Aussterben von Insekten, Fischen und anderen Tieren und Pflanzen?

Doch, ich glaube aus vollem Herzen: Ja! Die Nachfolge und der Glaube an den jesuanischen Weg, die ich gelernt habe von meinen Eltern und vielen anderen, der macht ja nicht blind. Er braucht die Vernunft – eine enorme Gabe, die wir Menschen geschenkt bekommen haben: Intelligenz, Verstand, Denken und Liebe. Diese helfen,

die eigenen Grenzen zu erkennen. Ich weiss wie schnell ich anstosse, wie schnell ich verunsichert und ratlos bin. Aber dann kann ich sagen: Jetzt bin ich am Ende meines Lateins, aber ich vertraue auf die Weisheit der göttlichen Kraft.

«Mit euch wird ein Haus gebaut, das die Geistkraft selbst zusammenhält» Dieses Bild gefällt mir ausserordentlich und mir kommen all die mitbauenden Menschen in den Sinn. Mit ihnen fühle ich mich verbunden im Haus der lebendigen Steine, dem Haus, das Gottes Geist zusammenhält. Dieses Haus umfasst nicht nur die verfassten, organisierten Kirchen und Gemeinden. Dieses Haus ist durchlässig, geht mitten durch die Welt, steht auf sicherem Fundament mit schützendem Dach und trotzt allen Wettern.

Ein solches Haus ist auch die Demokratie: Auf dem festen Grund der Menschenrechte gebaut, mit dem schützenden Dach der Rechtsstaatlichkeit. Wie sieht der Eckstein in diesem Haus aus? Demokratie ist weder Gleichheit noch Individualismus. Demokratie ist Gemeinschaft in Solidarität. Dieses Haus erlebt zur Zeit in dieser Hinsicht wilde Stürme. Helfen wir mit, dass es ein Haus bleibt, das mitten in der Welt steht, in dem Menschen im Miteinander Gewissheit und Sicherheit finden.

Auch Kirchen und Gemeinden stelle ich mir so vor: Raum für Menschen, die nach der göttlichen Kraft und seinem Geist suchen – gleich welcher Konfession und nicht nur in Kirchenräumen. Nein, als transparentes Haus über alle Kontinente hinweg, getragen von einem besonders schönen Eckstein: der Botschaft von Frieden, Liebe und Leben für alle Menschen.

In diesem Haus erzählen die Menschen einander, was ihnen hilft um auf diesen Eckstein zu vertrauen und ihr Leben darauf bauen zu können. Die eine sagt vielleicht wie Luther «Ich bin getauft», der andere «mein Konfirmationsspruch» und wieder andere «die Musik von Johann Sebastian Bach», «das Gedeihen der Schöpfung», «die Liebe zum Mitmenschen».

Prägnante Erfahrungen, die uns tragen – wie der Eckstein das Haus.

Dorothea Loosli-Amstutz Quasimodogeniti, 11.4.21

Ostern 2021

Tödliches Spektakel und Kontemplation des neuen Lebens

Heute morgen sind wir hier zum Ostergottesdienst, und wir wiederholen den über 2000 Jahre alten Ostergruss: Christus ist auferstanden. Doch vorgestern erst war Karfreitag. Ostern ist undenkbar ohne Karfreitag. Der Auferstehung Christi geht das Leiden und Sterben Jesu voraus. Wer oder was nicht stirbt, wird nicht auferstehen. Genau so wie jemand der wach ist, nicht aufgeweckt werden kann. Aufwachen kann nur, wer schläft. Daher: Es gibt ohne Karfreitag keine Ostern.
Dieses Jahr haben wir am Karfreitag aus bekannten Gründen keine Feier durchgeführt. Deshalb feiern wir heute Ostern etwas ausdrücklicher vor dem Hintergrund dessen, was am Karfreitag geschah.

Ich habe es an Ostern 2019 gesagt: Das Kreuz mit seiner abgrundtiefen Gewalt ist die weltlich-menschliche Antwort auf das Erscheinen und Wirken von Jesus, auf die Mensch-gewordene Liebe. Das leere Grab dagegen ist die göttliche Antwort auf das grauenvolle und von Menschen verursachte Leiden am Kreuz. Einfach gesagt: Gott redet und handelt in Barmherzigkeit und der Mensch antwortet darauf mit Gewalt. Gott nimmt diese in Kauf, um darauf mit neuem Leben zu antworten. Noch kürzer: wo der Mensch tötet, da macht Gott lebendig. Gottes Allmacht zeigt sich darin, dass Gott lebendig macht, neues Leben schenkt da, wo es verloren und unmöglich scheint.

Ich lade euch nun ein, die beiden Ereignisse, Karfreitag mit der Kreuzigung Jesu, und Ostern mit dem leeren Grab, gewissermassen einander gegenüber zu stellen.

Wollten wir den beiden Ereignissen Stichworte zuordnen, welche wären das?
Karfreitag:
Angst, Verrat, Enttäuschung, Desillusion, Gewalt, Verachtung, Verleugnung, Erniedrigung, Entwürdigung, Schmerzen, Leiden, Sterben, Tod…
Ostern:
Ungewissheit, Leere, leeres Grab, Sonntagmorgen, Sonnenaufgang, Aufbruchstimmung, Freude, Begeisterung, neue Hoffnung, Erleichterung, Leben, neue Herausforderung…

Karfreitag: tödliches Spektakel

Doch laut biblischen Berichten ist der Karfreitag kein Tag der Stille und der traurigen Einkehr. Traurig schon, aber nicht besinnlich. Ganz im Gegenteil: Da wird verhandelt, gestritten, geschrien, verhört, verleugnet, geweint und geheult. Als Jesus stirbt, zieht ein ungeheuerlicher Sturm mit gewaltigem Getöse übers Land, der Vorhang des Tempels verreist ob den gewaltigen Winden und Gräber öffnen sich ob dem Erdbeben, all das in unheimlicher Verdunkelung der Sonne. Ein gewaltiges Spektakel, welches der Gewalt, welche Menschen an andern Menschen verüben in gottloser Verachtung und unverschämtem Hass, ganz und gar entspricht. Das Leiden und Sterben löste gewissermassen gewaltigen Sturm unter ungeheurem Lärm aus. Es gibt unzählige Augenzeugen dafür. Viele Zuschauer, manche, die vor dem grausamen Spiel flüchten, die Erde und das Wetter, die sich wie entsetzt aufbäumen. Die Natur bäumt sich buchstäblich auf ob dem Skandal des Kreuzes und des Todes eines unschuldigen Menschen.

In meiner Lektüre während der Passionszeit bin ich aufmerksam geworden auf Umstände, die ich mir so bisher nicht vor Augen gehalten habe. Traditionell begehen wir Karfreitag eher in Stille. Ich erinnere mich, dass meine Grossmutter uns Kinder und Jugendliche anhielt, die Musik abzustellen, vor allem wenn es moderne Musik war. Pop oder Rock war absolut unpassend und verpönt. Bis vor einigen Jahren waren am Karfreitag die Kinos geschlossen. Karfreitag war ein dunkler, still bedrückter, düsterer Tag. Suppe und wenig Worte, gedämpfte Stimmung. Schliesslich wurde Jesus an diesem Tag ans Kreuz geschlagen. Alle Hoffnungen der Jünger und vieler anderer Menschen waren damit auch zerschlagen. Oder man denke an Maria, die Mutter Jesu, die ihren Sohn am Kreuz leiden sieht… Dieser Tage findet in den USA der Prozess statt gegen Derek Chauvin, unter dessen Knie George Floyd starb. Der Umstand, dass dieser Prozess in der Karwoche stattfindet, machte mich sehr betroffen: Das Kreuz Christi steht nach wie vor aufrecht in dieser Welt. Wie viele Mütter und Väter weinen um ihre Kinder, die an Hunger, Kriegsverletzung oder Mangel an medizinischer Versorgung sterben? Von Morja bis Myanmar, von Syrien bis zu den Uiguren in China, bis nach Jemen oder in den Kongo. Karfreitag ist jeden Tag, wo Menschenleben durch Versagen, Gier, Gewalt oder politische Dummheit verderben und verloren gehen, wo die Hoffnung stirbt, wo Gottes Liebe mit Füssen getreten wird.

Ostern: stiller Aufbrung des neuen Lebens

Demgegenüber ist Ostern ein sehr stilles und gewaltfreies Ereignis, abseits von jedem Spektakel und jedem Lärm (abgesehen von Matthäus, der ausschmückt und sagt, es habe ein Erdbeben gegeben. Ja, vielleicht hat die Erde vor lauer Freude gebebt, wer weiss?). Da ist aber niemand dabei, die oder der berichten kann, was geschieht. Es gibt keine Augenzeugen, wie auf Golgotha. Die Sonne geht auf in ihrer stillen und wunderbaren Kraft, wie an jedem schönen und geruhsam feierlichen Sonntagmorgen. Die Frauen (bei Matthäus sind es die beiden Marias, bei Markus und Lukas ist noch Salome dabei, und Johannes nennt nur Maria) gehen heimlich zum Grab, welches der Aussenseiter Josef von Arimatia aus Zuneigung zur Verfügung gestellt hat. Die Wachsoldaten schlafen, die Jünger sind in ihrem Versteck und halten sich möglichst still. Da ist nichts Aufsehen Erregendes, kein Spektakel, abgesehen von der ruhigen Anwesenheit des weiss gekleideten Jünglings, im Grab, bzw. der beiden Gestalten beim Grab. Laut Johannes laufen die beiden Jünger um die Wette, sie haben es eilig, wollen wissen, das da los ist. Johannes bietet als einziger eine Erklärung: Sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er nämlich von den Toten auferstehen müsse. Dann fügt Johannes ganz lapidar an: « Da gingen die Jünger wieder heim. » Sozusagen, als wäre nichts geschehen. Der Alltag kann wieder einkehren. – Aber welcher Alltag? Was ist normal? Wie wird es sein? Fragen, die wir uns stellen für die Zeit nach der Pandemie…

Perspektive des Lebens

Letzten Winter, als die Pandemie uns wieder so richtig einholte, schien Ostern sehr weit weg. Hofften wir nicht ein wenig, dass wir dann Ostern feiern könnten bei schönem Frühlingswetter und zugleich auch die Auferstehung aus der Pandemie?
Nun sind wir hier. Wir sind am Leben und die meisten von uns gesund genug, bis in die Kapelle zu kommen um zusammen Ostern zu feiern. Diejenigen, die es nicht können, weil die Gesundheit es ihnen unmöglich macht oder weil das Risiko zu hoch ist, sehen sich natürlich mit der Frage konfrontiert: was wird aus mir? Wie soll es weitergehen? Welchen Sinn macht das für mich?

Es stimmt, vielen Menschen ist es in dieser Zeit kaum ums Feiern. Jean-Claude Guillebaud, der in der schönen Wochenzeitschrift La Vie wöchentlich eine Kolumne (bloc-notes) schreibt, beschreibt die Zeit des ersten Lockdowns mit den folgenden Worten: « Die Zeit ist geprägt von einer allgemeinen Angst und von einer dauerhaften Unordnung der Gemüter (marqué par une peur générale et un désordre durable des esprits). »

Ich fand diese Beschreibung sehr treffend: dauerhafte Unordnung der Gemüter. Ich konsultiere täglich mehrere Tageszeitungen, Wochenzeitschriften und diverse soziale Medien. Ich bin wirklich beunruhigt, nicht bloss über die Weltlage, sondern mehr noch über eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, die zunehmend feindselig, ungeduldig, aufgebracht, und polarisiert ist. Es genügt, Äusserungen zu anstehenden Abstimmungen zu lesen. Ich höre von Menschen, die sich ernsthaft engagieren und dafür zunehmend Anfeindung erfahren. Drohbriefe nehmen stark zu. Leserbriefe in Zeitungen lese ich nicht, aber ich höre, dass immer mehr Briefe nicht veröffentlicht werden können, weil sie jenseits der gängigen Regeln sind. Egal ob wir bei guter Gesundheit sind oder nicht, müssen wir uns fragen: wie äussern wir uns? Nehmen wir Stellung und in welchem Ton tun wir es? Wie reden wir über andere? Da fällt uns die Jahreslosung ein: Seid barmherzig…

Natürlich ist das auch ein Ausdruck der von Guillebaud erwähnten allgemeinen Angst. Es ist aber Ausdruck einer tiefer sitzenden Verunsicherung und Perspektivenloskgkeit, die nicht durch Covid entstanden ist, sondern vielmehr durch Covid und die Pandemie zum Vorschein gebracht wird.

Aber da ist noch etwas, tiefer sitzendes: Die Angst und die Unordnung des Gemüts halten uns von der Kontemplation der Barmherzigkeit Gottes ab, die wie die an Ostermorgen aufgehende Sonne ist. Das war die Situation der Jünger: Sie verharrten in der Dachkammer und wären fast an Ostern vorbei gegangen, hätte sie nicht Maria aus ihrer Lähmenden Verschlossenheit geholt. Ich frage mich oft: Warum lieben die Menschen das Spektakel, welches leider oft zerstörerisch ist? Wo doch die Schöpferkraft Gottes in der Kontemplation sichtbar wird. Wachsen nicht die Sprossen der Bäume, Blumen und Gemüse in aller Stille und abseits von lärmigem Spektakel? Um es wahrzunehmen müssen wir still einhalten.

Das Leben ist und bleibt, bei aller Schönheit und gelegentlichem Glück, kompliziert und nicht selten schmerzhaft, machmal sehr schmerzhaft.

Jesus hat diese zutiefst menschliche Erfahrung gemacht. Er ist darin uns ähnlich geworden. Nun sind wir eingeladen, ihm darin ähnlich zu werden, wie er damit umging. Es gibt nichts, weder in der Bibel, noch auf dieser Welt oder in unserem Leben, das uns zeigt, wer Gott ist, ausser Jesus von Nazareth, der Gekreuzigte und Auferstandene. Durch Jesus Christus kennen wir Gott.

Ich glaube, die Gesellschaft in der Schweiz und in Europa ist durch zunehmenden materiellen Komfort an einem Punk angelangt, wo viele sich nur noch ein leichtes und angenehmes Leben wünschen und dafür auch bereit sind, alles zu zahlen, was sie können – und noch mehr. Dass dabei vor allem die Freiheit und das Wohlbefinden der Andern beeinträchtigt wird, merken sie nicht oder es ist ihnen egal. Kontemplation des Lebens ist ihnen fremd geworden, sie wollen das spektakuläre Vergnügen und immer mehr davon immer schneller.

Doch der Glaube an Christus und an Gottes Barmherzigkeit macht das Leben nicht leichter und angenehmer, aber er gibt uns eine Perspektive. Unser Leiden wählen wir in der Regel nicht aus. Jesus hat sich das Kreuz nicht ausgesucht. Er hat aber dazu ja gesagt, weil jede andere Antwort auf der Linie der Ankläger und Henker gewesen wäre und die Gewaltspirale verlängert hätte. Somit wäre sie nicht göttlich gewesen. Das meinte Jesus, als er Petrus zur Antwort gab, damals bei der Leidensankündigung: Du hast im Sinn was weltlich-menschlich ist, nicht was göttlich ist. Deshalb kann die Perspektive, die durch Ostern, bzw. durch die göttliche Schöpfungskraft, geschenkt wird, auch die eines Kreuzes sein. Sie ist auf jeden Fall aber eine Perspektive der Liebe und der Barmherzigkeit: Jesus verwünschte seine Killer nicht, er betete für sie. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, sagte er denen, die es hören mochten.

Schluss

Ostern ist der Tag oder der Moment, wo die Perspektive des Lebens inmitten eines desillusionierten Lebens und einer von Hass und Gewalt gestörten Welt neu definiert und bestätigt wird: Es kommt Licht in die Dunkelheit. Die Dunkelheit mag riesig sein, doch sie ist nicht sinnlos und sie ist nicht unendlich. Sie ist der Ort, wo sich dank dem Licht die Wahrheit erweist und eine neue Wirklichkeit entsteht. (Das ist die Erfahrung der meisten MystikerInnen)
Auf dem Weg der Auferstehung steht das Kreuz und der Kreuzesweg, welcher der Weg der Liebe und Barmherzigkeit ist und zur Auferstehung führt. Diese aber sind dem inneren Auge zugänglich, welches innehält um dem Geheimnis des Lebens auf die Spur zu kommen.
Die Liebe Gottes wie sie in Christus offenbart ist, wird uns und diese Welt nie fallen lassen und nie verlassen. (Prêtre à Hérémance).


Karfreitag: Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben

Der christliche Mensch hat nicht wie die Gläubigen der Erlösungsmythen aus den irdischen Aufgaben und Schwierigkeiten immer noch eine letzte Ausflucht ins Ewige, sondern muss das irdische Leben wie Christus (« Mein Gott, warum hast du mich verlassen? ») ganz auskosten und nur indem er/sie das tut, ist der Gekreuzigte und Auferstandene bei ihm /bei ihr und ist er/sie mit Christus gekreuzigt und auferstanden. Das Diesseits darf nicht vorzeitig aufgehoben werden. Darin bleiben Altes und Neues Testament verbunden. Erlösungsmythen entstehen aus den menschlichen Grenzerfahrungen. Christus aber fasst den Menschen in der Mitte seines Lebens.
Gott lässt sich aus der Welt heraus drängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns.
Christsein heisst nicht in einer bestimmten Weise religiös sein, aufgrund irgendeiner Methodik etwas aus sich machen (Sünder, Büsser, oder Heiligen), sondern es heisst Menschsein, nicht einen Menschentypus, sondern den Menschen schafft Christus in uns. Nicht der religiöse Akt macht den Christen, sondern das Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben.

– Hans Ruedi Weber in «Und kreuzigten ihn. Meditationen und Bilder aus zwei Jahrtausenden». Göttingen 1979

Christen und Heiden

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
Flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
Um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.

Menschen gehen zu Gott ihn Seiner Not,
Finden ihn arm, geschmäht ohne Obdach und Brot,
Sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinem Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
Sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
Stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
Und vergibt ihnen beiden.

Dietrich Bonhoeffer

Ökumenische Feier zur Woche der christlichen Einheit

Das Thema der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen lautet:

Bleibt in meiner Liebe und ihr werdet reiche Frucht bringen

(vgl.Joh15,5-9)

Die Texte dazu wurden vorbereitet von den Schwestern der Gemeinschaft in Grandchamp, Areuse.

Dieser Link führt zum Dokument, welches erarbeitet worden ist zur Woche der christlichen Einheit. Die Liturgie für die Feier beginng auf Seite 7.

Kantate BWV 65 «Sie werden aus Saba alle kommen»

Hier ein Link zur Aufnahme der Kantate BWV 65, welche die Bachstiftung am Freitag 15.1. in Sankt-Gallen gespielt hat: https://youtu.be/e5Yh6IViwPQ  

Der Link ist gültig bis Sonntag abend, 17.01.2021, 22.00

Ablauf: 17.30 – ca. 18.15 Einführung durch Rudolf Lutz – Pause -Konzert: 19.00h- ca. 20.30 (die Kantate wird zweimal gesungen)

Informationen zu den Aufführenden : https://www.bachstiftung.ch/konzert/bwv-65-sie-werden-aus-saba-alle-kommen/

Kantate und Texte zum 1. Sonntag nach Epiphanias, 10. Januar 2021

Die Bach-Kantate BWV 32 «Liebster Jesu, mein Verlangen» wird hier von der Bachstiftung aufgeführt. Die Aufführung fand statt in der reformierten Kirche Trogen, AR, am 20. Januar 2017.

Hier geht’s zur Kantate (falls am Anfang Werbung erscheint, nach 3 Sek rechts im Bild auf Skip clicken)

Die Bibeltexte zum heutigen Sonntag sind folgende:

Psalm 89
Jesaja 62, 1 – 5
2. Petrus 1, 2 – 8
Johannes 2, 1 – 11

Alle diese Texte regen an zur Besinnung, je nach Empfinden, Lage und Bedürfnis der lesenden Person. Beim Lesen des Texts im 2. Petrusbrief in der zürcher Übersetzung scheinen mir zwei Stichworte auf die vergangene Woche wie Lichtblitze aufzuleuchten:

Begierde und Menschenfreundlichkeit

Diese erste ganze Woche im neuen Jahr war in der Öffentlichkeit geprägt von zwei Dingen: Coronadebatte und U.S. Capitol in Washington. In beiden diesen weltbewegenden Ereignissen steht die Begierde im Vordergrund und die Menschenfreundlichkeit im Hintergrund.

Die Bibel zeigt einen Gott, der sich durch die Geschichte hindurch, und insbesondere in Jesus Christus, als ausgesprochen menschenfreundlich erweist. Gleichzeitig wird Begierde als menschenfeindlich und zerstörerisch dargestellt.

Wie wäre es, wenn wir in der Coronadebatte, bzw. in der sich leicht erhitzenden Dikussion um die so sehr umstrittenen Corona-Massnahmen die Menschenfreundlichkeit und die Begierde als Kriterien nehmen würden?

Menschenfreundlichkeit schliesst bestimmt auch Gewaltfreiheit ein. Begierde dagegen scheut vor nichts zurück, was ihren Interessen dient. Sie geht über Leichen. Sie verdreht die Wahrheit zu ihren Gunsten. Sie pocht auf gewissen Fakten und blendet andere aus, je nachdem was ihrem Ziel dient: Vermehrung der Güter, der eigenen Vorteile und der Macht über Andere.

Dagegen sucht die Menschenfreundlichkeit nicht den eigenen Vorteil, sondern das Gemeinwohl. Sie ist bereit, dafür etwas herzugeben. Ein anderes Wort für Menschenfreundlichkeit ist Liebe.

Bevor wir entscheiden, auf wessen Seite wir stehen und wessen Vorhaben wir untersützen ist es wichtig, zu fragen: Geht es um Vorteile, Privilegien, Sicherheiten, und anderen eigennützigen Dingen? Und werden diese allenfalls (wo nötig) mit Gewalt verteidigt oder erobert? Oder ist in den Anliegen und im Vorgehen die Spur der Liebe sicht- und greifbar?

Im Klartext: Donald Trump hat als Präsident der USA klar seine eingenen Interessen und Privilegien vor das Gemeinwohl gestellt. Du und ich werden ihn nicht ändern, noch werden wir denen, die ihn verehren und ihm blind folgen, klarmachen, dass sie auf dem Holzweg sind.

Doch die Kriterien von Menschenfreundlichkeit und Liebe sind in erster Linie auf mich/uns selber anzuwenden. Wir haben ja schon länger damit angefangen und brauchen in dieser Zeit viel Weitsicht, Mut und Kraft, um auf diesem Weg, der der Weg Christi ist, weiter zu gehen. Dazu haben wir einen Geist der Besonnenheit und der Zuversicht erhalten.

Sonntag, 4. Advent – 20. Dezember 2020

Für diesen Sonntag, 20. Dezember, hatte Aline Liechti, Mitarbeiterin der Gemeinde Moron und wohnhaft in Tavannes, zugesagt, in der Kapelle La Chaux-d’Abel die Predigt zu halten. Völlig unerwartet ist Aline jedoch in der Nacht auf Freitag und mit nur 31 Lebensjahren gestorben. Noch ist die genaue Todesursache nicht bekannt. Wir denken in Stille und in der Fürbitte an die Familie und Angehörigen von Aline, insbesondere ihre Eltern, Marianne und Werner Liechti, sowie ihre Mitbewohnerinnen, Mélanie aus unserer Gemeinde und ihre Cousine. Möge das helle Weihnachtslicht sie in dieser dunklen Zeit und in ihrem tiefen und grossen Schmerz mit Wärme umgeben und trösten.

Die Texte zum Sonntag passen gut in diese Zeit wo sanitär bedingte Einschränkungen, Krankheit und Tod uns begegnen und herausfordern.

Die Kantate zum heutigen Sonntag vermittelt Zuversicht und einen ermugienden Aufruf im Hinblick auf Weihnachten. BWV 132 Bereitet die Wege, bereitet die Bahn. Bernardini – Netherlands Bach Society (YouTube)

Jesaja 42, 1 – 9

Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht. 2 Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen. 3 Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. 4 Er verglimmt nicht und wird nicht geknickt, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf seine Weisung warten die Inseln. 5 So spricht Gott, der HERR, der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat, der die Erde gemacht hat und alles, was auf ihr wächst, der dem Volk auf ihr Atem gibt und Geist allen, die auf ihr gehen. 6 Ich, der HERR, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen, 7 um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft. 8 Ich bin der HERR, das ist mein Name; ich überlasse die Ehre, die mir gebührt, keinem andern, meinen Ruhm nicht den Götzen. 9 Siehe, das Frühere ist eingetroffen, Neues kündige ich an. Noch ehe es zum Vorschein kommt, mache ich es euch bekannt.

Ich finde diesen Text jedesmal, wenn er mir entgegen kommt, erstaunlich und wohltuend. Das Lied vom Gottesknecht, welcher nicht Sklave ist sondern Freund, und sicher kein Herrscher wie die Welt sie kennt an ihrem Schreien und Poltern, sondern Diener zum Wohl der Unterdrückten und Armen, dieses Lied ist das neue Lied, welches von Befreiung singt und von Gerechtigkeit. Die Verheissung, welche auf diesem «Knecht» ruht, dem Christus, welcher laut Johannes von Anfang der Schöpfung war, sie ruht nach Aussage von Jesus auch auf denen, welche sich auf die Einladung einlassen: «Gleich wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch«. In der Tat, Gott ruft aus Gerechtigkeit, Befreit aus Liebe und Barmherzigkeit, und vergibt aus Gnade. Der Prophet Jesaja sagt, dass er dieses Neue ankündigt, bevor es zum Vorschein kommt. Jesus wird später sagen, dass es nun da sein und damit das Reich Gottes anbreche. Wir befinden uns also trotz und mit unserer Begrenztheit und Verletzlichkeit in einer Zeit, wo das Licht sichtbar, die Gerechtigkeit praktisch und die Befreiung erfahrbar wird. Corona, Tod und Unrecht sind zwar real, aber sie haben nicht das letzte Wort. Sie werfen Schatten, lange und schmerzliche Schatten, aber das grosse Licht von Weihnachten, es brennt und nimmt zu.

Philipper 4, 4 – 7

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! 5 Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. 6 Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! 7 Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.

Die Texte zum Sonntag, 4. Advent, letzter Sonntag vor Weihnachten, vermitteln Zuversicht, Hoffnung und eine Vision für heute und für die Zukunft. Gott, Schöpfer und Ewiger, ruft aus Liebe und auf Gerechtigkeit hin. Der Aufruf im Philipperbrief zur Freude mag in der jetzigen Situation schräg daher kommen. Uns ist nicht nach Freude zumute, je nachdem was uns widerfahren ist und an was für einem Abgrund wir stehen. Wie dem auch sei, der Friede Gottes, seine weihnachtliche Nähe und seine Güte, welche sich in uns Menschen spiegeln möchte, spendet einem Jeden unter uns in einer schwierigen Zeit Mut und Kraft. Wir erfahren gerade: das Leben ist zerbrechlich und verwundbar; nichts ist selbstverständlich. Doch das Geschenk des Lichts, welches Kraft und Leben überhaupt möglich macht, ist allen Menschen zugesagt. Dies Licht vermag auch in der dunkelsten Stunde und am unerwarteten Ort aufzuleuchten, sei es noch so klein und diskret, noch so unerwartet und unerklärlich. Es setzt nur unsere Aufmerksamkeit und unsere innere Verfügbarkeit voraus.

Lukas 1, 39 – 45

In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. 40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. 41 Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt 42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. 43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. 45 Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

Dieser Text geht direkt dem bekannten und so wohltuenden Lobgesang von Maria voraus. Dieser beschreibt das Eintreffen der Verheissung wie sie Jesaja angekündigt hat. Die Episode zweier Frauen – ja, nicht brillante und erfolgreiche Männer, sondern Frauen, welche sich zwar fragen, wer sie sind, dass sie mit solcher Herausforderung gesegnet werden – deutet darauf hin, worauf es ankommt wenn das anbrechende Licht in der Welt aufleuchtet: Es kommt auf Verfügbarkeit an und auf Bereitschaft, neue Wege zu gehen, mit dem Risiko, falsch oder nicht verstanden zu werden in einer Welt, wo anderes zählt als Liebe, Friede und Gerechtigkeit. Die Freude von Elisabet ist so gross ansteckend, dass das werdende Kind in ihrem Leib hüpft. Beide Frauen, Elisabet und Maria, stellen sich dem Licht und den neuen Wegen zur Verfügung ohne genau zu wissen, was das alles mit sich bringt und was sie selber davon haben werden. Gemeinsamer solidarischer Einsatz ist eine unbestrittene Stärke von Frauen. Davon können wir alle, und vor allem Männer, die gerne allein stark sind, viel lernen.

(Texte nach der Einheitsübersetzung, Gedanken von Hansuli Gerber)

2. Adventssonntag 6. Dezember 2020

Predigt von Charles-André Broglie

Schönheit – Kraftquelle und Immunstärkung …Was ist schön für mich?Es scheint mir in unserer heutigen Situation äusserst wichtig, dass wir aus der Benommenheit, Betäubung und Lähmung herauskommen.Statt die Erde als Ausbeutungsobjekt oder Müllhaufen zu sehen, wie wäre es, wenn wir unser Planet als schöne Geliebte betrachten würden?Alles Schreckliche in der Welt wird von der Schönheit einmal verschluckt werden; Transformation können wir jetzt schon erleben/bewirken weil der Gott von Jesus Christus Schönheit in uns gepflanzt hat!

Schönheit – Kraftquelle und Immunstärkung …

Mt 6.26: Seht euch die Vögel an! Sie säen nichts, sie ernten nichts und sammeln auch keine Vorräte. Euer Vater im Himmel versorgt sie. Meint ihr nicht, dass ihr ihm viel wichtiger seid?

In der besonderen Lage in der wir leben, seit dem Virus besonders hautnahe, wobei andere bohrende Themen sind Weltweit auf dem Tapet, stellen sich uns Fragen was uns bewegt oder Angst macht, was unser Sein und Tun lähmen oder beflügeln tut…, aber eben, nicht erst durch diese eine Aktualität, vieles, auch wichtiges, oder noch wichtigeres ist, in den Hintergrund geraten.

Und da komme ich mit dem Thema Schönheit, ein eher seltenes Thema für eine Predigt, dem ihr aber zum 2. Mal in diesem Jahr begegnet! Fiebrig bin ich aber nicht! Ich möchte euch einfach auf eine Reise zum Stichwort Schönheit führen… Mal sehen was daraus wird.

Eine besonders schöne Begegnung für mich sind immer neu die Vögel. So bewegt mich der Gesang der Vögel zutiefst; wenn ich nachts aufwache, besonders im Frühling, höre ich manchmal ihren Gesang schon um 4 Uhr morgens, dann bin ich berührt und beruhigt zugleich, denn irgendwie bedeutet es für mich, dass Gott in der Welt präsent bleibt, trotz dem Chaos und der Unsicherheiten, die unseren Lebensweg begleiten. Die Vogelwelt, wie der Sternenhimmel übrigens (das noch besser hier abseits der grossen Städte mit ihren Irrlichtern zu sehen ist) bedeutet mir immer neu einzigartige und großartige Momente der Freude, des Friedens und des Vertrauens. So steht es ja auch in der Bibel:

Mt 6.26: Seht euch die Vögel an! … Meint ihr nicht, dass ihr ihm viel wichtiger seid?

Aber:

∆ Was ist deiner Meinung nach schön, wirklich schön?!

Ich bin zB. sensibel auf die Schönheit der Natur, auf Herzensschönheit bei verschiedensten Menschen, schön sind oft schwangeren Frauen, Kindern, strahlenden alten Menschen, usw… Und auch Gott ist Schönheit; dieses Thema hat Therese mit einer Gruppe für ein Frauenwochenende vorbereitet.

Zum Stichwort Schönheit habe ich eine Arbeit der Lebensgemeinschaft Le Cénacle, im neuenburgischen La Sauge gefunden. Die Texte die ich auf Schriftdeutsch lese, ausser bei Bibeltexten natürlich, stammen von Michel Marets Arbeit, eben aus der Communauté du Cénacle.

∆ Warum Schönheit als Thema?

In der Adventszeit kann ich hier nicht anders als an Erinnerungen an die Kapelle- & Schulweihnachten am 24.12. anfangs der Achtzigerjahre denken: es sind für mich schöne (ganz!) Erinnerungen. Heute geht es mir um eine Aktualität die die grosse Erwartung des Advents auch beinhaltet, aber ich denke da nicht an die Kommerzialisierung, die übertriebene Dekoration oder auch die oft kitschige Vergeistigung des Weihnachtsgeschehen.

Ich denke es in unserer heutigen Situation äusserst wichtig, dass wir aus der Benommenheit, Betäubung und Lähmung herauskommen, die uns drohen. Gerade weil große und noch grössere Herausforderungen auf uns warten wird mit schlechtem Gewissen und moralischem Druck nicht geholfen… Sowenig uns mit Drohung über unsere Unzulänglichkeiten, Ungehorsam, so unsere Trägheit überwunden werden kann, genau sowenig ist ein rachsüchtiger Gott, ein Ordnungshüter (Zeigefinger) von Hilfe!

Aus diesem Grund kann uns vielleicht Schönheit weiterhelfen, sei es bei Klimafragen, Zerstörung der Landschaften und Artenvielfalt, Nationalismus, kriegerische Konflikte, Ausbeutung von Menschen, Armut durch die Kovid-Situation, die weltweit uns 40 Jahre zurück führen könnte (40% Zunahme, Nachrichten von der UNO am Dienstag).

» Schönheit als dritter Weg: weder jammern über das Fehlende, noch uns resigniert begnügen mit dem was da ist. Es geht um mehr: wir sollten unser gesamtes menschliches Immunsystem stärken können, damit wir handlungsfähig bleiben, wachsam in diesen Monaten und Jahren, wo Gefahr droht, dass wir wie Schafe uns einfach der anscheinenden Notzeit fügen. Also was könnte in dieser Situation dringender sein, als über Schönheit nachzudenken und uns berühren zu lassen, bis in die Tiefen unseres Seins, und nicht nur auf der Ebene unseres Intellekts!! Da könnten sich neue kreative Kräfte entfalten und uns Mut und Vertrauen trotz allem schenken.

Darum zuerst:

Die Schöpfung und ihre Schönheit

«Es gibt zwei Bücher für die Offenbarung Gottes in der Welt: das Buch der Schöpfung und das Buch der Bibel. Die Schöpfung ist wie ein großes Buch, das uns die Größe, die Schönheit Gottes sagt.»

Im Schöpfungsbericht in Kap. 1 der Genesis heißt es am Ende jeder Schöpfungsstufe: «Und Gott sah, dass es gut-schön war.» Meistens wird das hebräische Wort «tov» mit gut übersetzt, es bedeutet aber sowohl gut als auch schön. Über seine Schöpfung freut und wundert sich Gott. Er wollte, dass sie nicht nur gut, sondern auch schön ist.

∆ Statt die Erde als Ausbeutungsobjekt oder Müllhaufen zu sehen, wie wäre es, wenn wir unseren Planeten als Geliebte betrachten würden

Die Schönheit Gottes

Ps 19.2-4: Die Himmel erzählen von der Schönheit Gottes. Vom Tun seiner Hände kündet das Firmament. Ein Tag sprudelt dem anderen Tag Worte zu, eine Nacht gibt der anderen Nacht Wissen weiter. Es ist keine Rede, es sind keine Worte – unhörbar ist ihre Stimme…

Exodus 33.19: Gott antwortete (an Mose): Ich werde in meiner unermesslichen Schönheit dicht an dir vorbeigehen und meinen Namen Ich-bin- da vor dir ausrufen.

Maurice Zundel sagte oft:

«Gott ist, wenn man staunt! »

∆ Spürst du hier und da diese Schönheit Gottes, die nicht ängstigend wirkt, sondern einfühlend warm, aufhellend, kraftspendend?

Die Schönheit von Christus

Ps 45.3: Du bist der Schönste unter den Menschen, Anmut ist über deine Lippen ausgegossen, darum hat Gott dich gesegnet auf Dauer.

Ich sehe da eine Anspielung auch auf Christus, und ich spüre diese Schönheit in vielen Wundern Jesu (Vermehrung der Brote…) und in Gleichnissen in den Evangelien (Der wieder gefundene Sohn). Unsere Vorstellung von Christus ist aber viel eher von einer sehr paradoxen Schönheit geprägt: sind nicht das Leiden, die Dornenkrone, und vor allem das Kreuz, totale Gegensätze der Schönheit?

Wir lesen in Jesaja 53.2-3: Dieser Mensch wuchs auf wie ein Keimling vor Gott, wie eine Wurzel aus trockener Erde, ohne Ansehen und ohne Ausstrahlung, auf die wir geachtet hätten, da war kein Anblick, der uns gefallen hätte.

In der Tat, Jesus hat sich aus Liebe entstellen lassen, er hat bis zum Äußersten mit den Menschen solidarisch gelebt… das alles, um uns die Schönheit zurück zu geben, die Gott von Anfang an in uns hineingelegt hat!

Es ist diese Kraft, die uns tragen kann, in beiden Richtungen: die Horizontalität, die Schönheit von friedlichen, im Gemeinwohl gelebten Beziehungen zwischen den Menschen und der Schöpfung, und die Vertikalität, die Schönheit unserer Verwurzelung im Leben und der Begleitung durch den Ewigen, die wir auf unserer menschlichen Reise erfahren.

∆ Was ist für dich besonders schön an Christus?

Die Schönheit des Menschen

Ps 139.13: Du hast mich mit meinem Innersten geschaffen, im Leib meiner Mutter hast du mich gebildet. Gott, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast!

Manchmal fällt es mir aber schwer, mich selbst als schön und Gott ähnlich zu sehen (nicht im physischen Sinne, sondern ganzheitlich), und so hilft es mir, mich an die Texte zu erinnern, die von unserer Nähe zu diesem Gott der unvergleichbaren Schönheit sprechen!

I Kor 3.6+ 9: Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und Gottes Geistkraft in euch wohnt? …
Wir arbeiten gemeinsam mit Gott; Gottes Acker, Gottes Bauwerk, das sind wir …

∆ Was wollen wir betonen? Das Schwierige/ Schöne, oder die Kraft aufzustehen um uns den Herausforderungen zu stellen die uns begegnen?

Wir sind zu einer Verwandlung eingeladen, aufgerufen, bestimmte Überzeugungen (Glaubenssätze) zu verlassen, auch wenn sie uns solid erscheinen, um in einer neuen Wirklichkeit zu leben:

Wir sind schön, jedes Einzelne unter uns, weil Gott ein Gott der Zärtlichkeit ist, der Liebe, uns gegenüber !!

Wenn ich jetzt an die Ängste denke, die wir wegen der sogenannten zweiten Welle haben, wegen den Konsequenzen die sich wirtschaftlich zeigen können, lade ich uns ein, mitten in unseren Ängsten ein Bad in Wohlwollen und göttlicher Schönheit zu nehmen. Verwundbarkeit und Zerbrechlichkeit haben selbstverständlich ihren Platz (siehe Stallkrippe an Weihnachten), in unserem Leben, vielleicht mit dem Willen zur Verlangsamung, um die Schönheit und Liebe Gottes trotz allem in uns selbst und um uns zu sehen…

«Es ist die Schönheit, die die Liebe weckt, denn plötzlich erscheinen uns diejenige, die wir lieben, im Blick unseres Herzens mit einer Spiegelung, die niemand sonst gesehen hat. Liebe macht schön und erweckt gleichzeitig die verborgene, einzigartige Schönheit des anderen.»

Die Schönheit unserer Lebensreise

Ps 103.1-2: Lobe den Ewigen, du meine Lebenskraft! Alles in mir segne seinen heiligen Namen! Lobe den Einen, du meine Lebenskraft! Vergiss nicht, was er alles vollbracht hat…

Wenn ich über meinen Lebensweg nachdenke, über diese Begleitung durch Gott im Leben und im Tod, wird mir klar, dass auch die Umwege und Brüche wichtig sind… und manchmal sogar schön (im Nachhinein, aber es muss nicht sein!!). Wenn ich auf die Strecke schaue, die ich zurückgelegt habe, merke ich, dass dem Dunklen, Schweren, Verletzende nachzutrauern mir überhaupt nicht weiter hilft! Ich will mich an die Schönheit meines Weges erinnern, sogar durch Liebeskummer, Trauer und Leerläufe hindurch ist es motivierend geworden für meine Gegenwart!

Denke auch an den Weg nach Emmaus, einen verkehrten Weg, wo die Jünger nichts verstanden und nichts gesehen haben, nicht einmal ihren Freund Jesus… und doch bringt ihnen dann dieser Weg Freude, Verwandlung, die es den neu erwachten Jünger erlaubt, auf dem umgekehrten Weg zurückzulaufen, nach der schönen(!) Begegnung mit ihrem Meister….

Ein chinesische Sprichwort sagt:

«Wenn du zehn Taler hast, nimm neun, um dein Lebensunterhalt zu verdienen. Kaufe dir mit dem Zehnten Blumen, um etwas zum Leben zu haben.»

Es scheint, dass der Mensch Schönheit zum Leben braucht, genauso wie er Essen und Trinken braucht. Und wenn diese Schönheit fehlt, verwelkt der Mensch…

∆ Was für eine Veränderung ist nötig, damit ich diese Schönheit in meinem Lebenslauf wirklich erleben kann?

Für mich ist es eine Frage der Verfügbarkeit, von der Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen Augenblick, im Vertrauens darauf, dass das, was ich lebe, nicht die Frucht des Zufalls ist, sondern vom Licht, das Gott in mein Leben legt. Und es ist ein schönes Licht ! Diese leuchtende Schönheit nimmt Ursprung in der Gegenwart Gottes in unserem Sein; mögen wir erkennen, wie nahe uns dieser Gott der Schönheit, des Lichts und der Liebe auf unserer Reise ist, das ist gut für unser Immunsystem und für unser Engagement!

«Schönheit als kostbarer Same wird durch eine zarte Hand in den fruchtbaren Boden unseres Intimwesens gesät. Der Sitz der Schönheit ist unser Herz, so tief wie das der Liebe.»

Sind wir bereit, uns in die Arme nehmen zu lassen, von dem Gott der uns liebt wie der Sohn, der wiedergefunden und mit einem schönen bunten Kleid geschmückt wird?

Unser Inneres ist schön, weil unser Schöpfer es schön geschaffen hat

Alles Schreckliche in der Welt wird von der Schönheit einmal verschluckt werden; die Transformation erleben können weil der Gott von Jesus Christus Schönheit in uns gepflanzt hat, das ist, hoffe ich, eine gute und tragende Advents-Nachricht für ein jedes von uns!

Gebet

Du Schöpferschönheit,

du Lebensgott,

Du Begleiterin auf unserem Pfad:

Schönheit Gottes möge uns:

  • neu Mut zum Sein schenken
  • Kraft auf unseren Wegen säen
  • Freude stärken in unseren Aufgaben
  • Gelassenheit und Vertrauen in uns wecken besonders auch den Kranken und Leidenden

Deine unvergleichbare Schönheit möge uns :

  • inspirieren in unseren Arbeiten
  • trösten bei Enttäuschungen und Trauer
  • wieder aufstellen nach jedem Stolpern und jeder Niederlage
  • neu bewusst Stärkung geben zu unserem Alltag

Die Schönheit deines Kosmos möge uns:

  • anspornen damit wir die nötigen Schritten unternehmen in Klimafragen
  • daran erinnern, wie wertvoll das Leben all deiner Geschöpfe ist (Menschen in Angst, Flucht, Versklavung, aber auch Tier- und Pflanzenwelt)
  • helfen, in Politik und Leben miteinander unsere Beitrag bestimmt zu leisten
  • kreativ einstimmen damit wir im Frieden und bestimmt-konkret handeln

Denn Dir Lebendiger ist die Schönheit

  • das Leben in der Geistkraft
  • die Macht zur Transformation
  • und die lichtvolle Gegenwart

durch Jesus Christus

  • Schönheit seiner Begleitung
  • Schönheit seiner Befreiung
  • Schönheit seiner bedingungslosen Zuwendung

Wir danken Dir, Gott der Schönheit.

AMEN

Sonntag 22. November 2020

Ewigkeitssonntag

Der französischsprachige Gottesdienst in der MethodistenKapelle in St-Imier kann am Sonntag ab 10h hier mitverfolgt werden.

Dieser Gottesdienst findet jährlich statt im Zeichen der Verfolgung von Christen. Es werden zwei Personen von ACAT Schweiz dabei sein. ACAT setzt sich ein «für eine Welt frei von Folter und Todesstrafe» und ist in rund 30 Ländern auf 4 Kontinenten aktiv.

Kantate zum 24. Sonntag nach Trinitatis

Johann Sebastian Bach: «O Ewigkeit, du Donnerwort», BWV 60 (Miriam Feuersinger, Sopran; Claude Eichenberger, Alt; Bernhard Berchtold, Tenor; Markus Volpert, Bass; Rudolf Lutz, Orgel; Orchester der J. S. Bach-Stiftung: Rudolf Lutz)

Hier auf BR-Klassik hören (dieser Link führt auf den Player von BR-Klassik, welcher die aktuelle Sendung live abspielt. Die Kantate beginnt am Sonntag morgen um 08:04, nach den Nachrichten)

Sonntag, 15. November 2020

Diesen Sonntag laden wir Euch ein, den Dokumentarfilm Konzern-Report (40 min.) zu sehen. Einige Überlegungen zur Frage unseres Engagements im Zusammenhang mit der Konzernverantwortungs-Initiative, welche nächstes Wochenende zur Abstimmung kommt, sind danach zu lesen. Ganz unten auf der Seite findet sich der Link zu der Bachkantate des Sonntags.

Der Dokumentarfilm (falls erst Werbung kommt, click auf «Skip ad» im Bild)

Warum engagieren wir uns als Christen für die Konzernverantwortungsinitiative?
Warum engagieren sich die Kirchen für diese Initiative?

Diese Fragen sind berechtigt, denn jedes öffentliche Engagement verlangt nach einem guten Grund. Allerdings gibt es auch Stimmen, die dieses Engagement bestreiten. Sie sagen, dies sei eine politische Frage und daher etwas, wofür die Kirchen nicht zuständig seien.

Ja gewiss, der Glaube ist eine persönliche Angelegenheit. Doch nein, das Engagement, zu dem der Glaube Anlass gibt, kann die Sorge um das Gemeinwohl nicht umgehen. Dies gilt umso mehr, wenn es um Bevölkerungsgruppen geht, die unter nachteiligen Folgen leiden, die verursacht werden von Schweizer Konzernen, welche uns mit ihren Produkten beglücken. Politisch oder nicht, dies sind Fragen von Verantwortung und Gerechtigkeit, und sie berühren den authentischen biblischen Glauben aufs Engste.

Zwei Elemente dieses Engagements seien hier kurz genannt: Das erste Element bezieht sich auf die biblische Botschaft; das zweite bezieht sich auf die Globalisierung und wie sie unsere Überzeugungen als christliche Bürgerinnen und Bürger beeinflusst. Wir sind ja beides zugleich, Christin und Bürgerin, Christ und Bürger. Wir sind keine Untertanen ohne Einspruchsmöglichkeit, da ist kein König über uns, der zwischen uns und Gott herrscht. Als christliche Bürgerinnen und Bürger, oder, wenn ihr lieber wollt, bürgerliche Christen, sind wir für unser Handeln und unsere Stimme in einer mehr oder weniger direkten Demokratie verantwortlich. Leider ist in der menschlichen Organisation nichts perfekt, und unsere Demokratie hat viele Mängel und Unzulänglichkeiten. Dennoch sind wir aufgerufen, uns daran zu beteiligen, sowohl als Einzelpersonen als auch als Bürgervereinigungen, und das sind Kirchen auch. All dies zusammen macht die Substanz der Zivilgesellschaft aus. Ohne sie gäbe es nichts als Bürokratie…

  • Die Bibel ist voller Geschichten von menschlicher Unvollkommenheit und von der korrumpierbaren Natur des Menschen. Sie erzählt viele Geschichten von Ungerechtigkeit und Gewalt. Gleichzeitig mangelt es sowohl im Ersten als auch im Zweiten Testament weder an Aufrufen nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wohlwollen noch an praktischen Beispielen. Sie sind in der Tat das Rückgrat der Botschaft der Propheten. Jesus stellte diese Fragen in den Vordergrund: Für ihn hat das menschliche Verhalten gegenüber den Schwachen und Verletzlichen Vorrang vor dem Bekenntnis oder der Frömmigkeit. Ein Pionier der evangelikal-sozialen Bewegung in den USA, Jim Wallis, berichtet, wie er eines Tages, als er jung war, überall dort ein Loch in seine Bibel machte, wo das Wort Gerechtigkeit auftaucht. Am Ende war seine Bibel so voller Löcher, dass sie unbrauchbar war. Der Schutz der menschlichen Person und Gemeinschaft und ihr Wohlergehen stehen in der Bibel an erster Stelle, nicht nur im Neuen Testament, sondern auch im Alten Testament. Schließlich ist Jesus gekommen, damit die Menschen Leben im Überfluss haben. (Joh 10,10). Wir beanspruchen das doch gern für uns. Es gilt aber für alle Menschen.
  • Wenn die Bibel die Gläubigen, welche behaupten, Gottes Volk zu sein, dazu aufruft, das Wohl – oder das Beste – ihrer Stadt zu suchen (Jeremia 29,7), dann bedeutet das, dass man nicht nur den eigenen Nutzen und das eigene Wohl suchen kann, sondern dass das Wohlergehen der ganzen Gemeinschaft im Blick sein muss. Denn das Wohlergehen der Gemeinschaft ist eng mit meinem eigenen Wohlergehen verbunden. Doch seit europäische Schiffe die Ozeane überquert haben und wir Kaffee aus Brasilien oder Afrika trinken, Bananen aus Lateinamerika essen, und unsere Produkte in der ganzen Welt verkaufen, ist die Welt ein Dorf, eine Stadt geworden. Wir sind voneinander abhängig, gegenseitig abhängig. Daher sind wir über auch unsere kartographischen und rechtlichen Grenzen hinaus verantwortlich. Wir können nicht behaupten, auf einer unabhängigen Insel zu leben, die niemanden braucht und niemandem etwas schuldet. Die Zukunft und das Wohlergehen unserer Kinder und Enkelkinder ist eng mit der Zukunft und dem Wohlergehen der Kinder und Enkelkinder derjenigen verbunden, die dort leben, bzw. von welchen Güter kommen, die unser tägliches Leben im besten Fall angenehm machen, und im Normalfall praktischer. Darüber hinaus ist das Wohlergehen unserer künftigen Generationen direkt mit dem Wohlergehen der Enkelkinder unserer vermeintlichen Konkurrenten oder Feinde verbunden. Das ist es, was aus der Welt geworden ist: Eine weltweite menschliche Gemeinschaft, wo die Einen nicht ohne die Andern auskommen. Es ist nicht so sehr eine moralische Frage als vielmehr eine Frage der persönlichen, kollektiven und gegenseitigen Verantwortung.

Eigentlich müsste hier auch zur anderen Initiative, welche zur Abstimmung kommt, etwas gesagt werden, denn sie geht in dieses Kapitel der Verantwortung, welche wir als Einzelne und als Gesellschaft tragen für das, was unser Geld und unser Güter bewirken: die Kriegsgeschäfte-Initiative. In der einen Initiative geht es darum, was unsere Konzerne tun oder lassen, in der andern geht es darum, was unser Geld tut oder lässt. Persönlich hätte ich nie gewollt, dass meine Pensionskassengelder ins Kriegsgeschäft investiert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir dafür verantwortlich sind, unser Wirtschaftsleben so zu organisieren, dass diejenigen, die fahrlässig oder nicht, Leid verursachen, zur Rechenschaft gezogen werden und dass diejenigen, die zu Schaden gekommen sind, entschädigt werden. Eigentlich ist es einfach, wie etwas in einem biblischen Gleichnis: Unser wohlwollender und verantwortlicher praktischer Umgang in einem ökonomisch-sozialen Sachverhalt, wo es Bevorteilte und Benachteiligte gibt, kann zum Zeichen des Reiches Gottes werden.

Wenn Du noch Zeit hast…

auf der Website der Kirchen für Kov-I gibt es interessante Infos dazu, warum es die Initiative braucht, wer dahinter steht, was geschieht, wenn sie angenommen wird usw.

Die Bachkantate zum Sonntag

BWV 139 Wohl dem, der sich auf seinen Gott

Hier clicken zum hören und sehen