Kantate BWV 65 «Sie werden aus Saba alle kommen»

Hier ein Link zur Aufnahme der Kantate BWV 65, welche die Bachstiftung am Freitag 15.1. in Sankt-Gallen gespielt hat: https://youtu.be/e5Yh6IViwPQ  

Der Link ist gültig bis Sonntag abend, 17.01.2021, 22.00

Ablauf: 17.30 – ca. 18.15 Einführung durch Rudolf Lutz – Pause -Konzert: 19.00h- ca. 20.30 (die Kantate wird zweimal gesungen)

Informationen zu den Aufführenden : https://www.bachstiftung.ch/konzert/bwv-65-sie-werden-aus-saba-alle-kommen/

Kantate und Texte zum 1. Sonntag nach Epiphanias, 10. Januar 2021

Die Bach-Kantate BWV 32 «Liebster Jesu, mein Verlangen» wird hier von der Bachstiftung aufgeführt. Die Aufführung fand statt in der reformierten Kirche Trogen, AR, am 20. Januar 2017.

Hier geht’s zur Kantate (falls am Anfang Werbung erscheint, nach 3 Sek rechts im Bild auf Skip clicken)

Die Bibeltexte zum heutigen Sonntag sind folgende:

Psalm 89
Jesaja 62, 1 – 5
2. Petrus 1, 2 – 8
Johannes 2, 1 – 11

Alle diese Texte regen an zur Besinnung, je nach Empfinden, Lage und Bedürfnis der lesenden Person. Beim Lesen des Texts im 2. Petrusbrief in der zürcher Übersetzung scheinen mir zwei Stichworte auf die vergangene Woche wie Lichtblitze aufzuleuchten:

Begierde und Menschenfreundlichkeit

Diese erste ganze Woche im neuen Jahr war in der Öffentlichkeit geprägt von zwei Dingen: Coronadebatte und U.S. Capitol in Washington. In beiden diesen weltbewegenden Ereignissen steht die Begierde im Vordergrund und die Menschenfreundlichkeit im Hintergrund.

Die Bibel zeigt einen Gott, der sich durch die Geschichte hindurch, und insbesondere in Jesus Christus, als ausgesprochen menschenfreundlich erweist. Gleichzeitig wird Begierde als menschenfeindlich und zerstörerisch dargestellt.

Wie wäre es, wenn wir in der Coronadebatte, bzw. in der sich leicht erhitzenden Dikussion um die so sehr umstrittenen Corona-Massnahmen die Menschenfreundlichkeit und die Begierde als Kriterien nehmen würden?

Menschenfreundlichkeit schliesst bestimmt auch Gewaltfreiheit ein. Begierde dagegen scheut vor nichts zurück, was ihren Interessen dient. Sie geht über Leichen. Sie verdreht die Wahrheit zu ihren Gunsten. Sie pocht auf gewissen Fakten und blendet andere aus, je nachdem was ihrem Ziel dient: Vermehrung der Güter, der eigenen Vorteile und der Macht über Andere.

Dagegen sucht die Menschenfreundlichkeit nicht den eigenen Vorteil, sondern das Gemeinwohl. Sie ist bereit, dafür etwas herzugeben. Ein anderes Wort für Menschenfreundlichkeit ist Liebe.

Bevor wir entscheiden, auf wessen Seite wir stehen und wessen Vorhaben wir untersützen ist es wichtig, zu fragen: Geht es um Vorteile, Privilegien, Sicherheiten, und anderen eigennützigen Dingen? Und werden diese allenfalls (wo nötig) mit Gewalt verteidigt oder erobert? Oder ist in den Anliegen und im Vorgehen die Spur der Liebe sicht- und greifbar?

Im Klartext: Donald Trump hat als Präsident der USA klar seine eingenen Interessen und Privilegien vor das Gemeinwohl gestellt. Du und ich werden ihn nicht ändern, noch werden wir denen, die ihn verehren und ihm blind folgen, klarmachen, dass sie auf dem Holzweg sind.

Doch die Kriterien von Menschenfreundlichkeit und Liebe sind in erster Linie auf mich/uns selber anzuwenden. Wir haben ja schon länger damit angefangen und brauchen in dieser Zeit viel Weitsicht, Mut und Kraft, um auf diesem Weg, der der Weg Christi ist, weiter zu gehen. Dazu haben wir einen Geist der Besonnenheit und der Zuversicht erhalten.

Sonntag, 4. Advent – 20. Dezember 2020

Für diesen Sonntag, 20. Dezember, hatte Aline Liechti, Mitarbeiterin der Gemeinde Moron und wohnhaft in Tavannes, zugesagt, in der Kapelle La Chaux-d’Abel die Predigt zu halten. Völlig unerwartet ist Aline jedoch in der Nacht auf Freitag und mit nur 31 Lebensjahren gestorben. Noch ist die genaue Todesursache nicht bekannt. Wir denken in Stille und in der Fürbitte an die Familie und Angehörigen von Aline, insbesondere ihre Eltern, Marianne und Werner Liechti, sowie ihre Mitbewohnerinnen, Mélanie aus unserer Gemeinde und ihre Cousine. Möge das helle Weihnachtslicht sie in dieser dunklen Zeit und in ihrem tiefen und grossen Schmerz mit Wärme umgeben und trösten.

Die Texte zum Sonntag passen gut in diese Zeit wo sanitär bedingte Einschränkungen, Krankheit und Tod uns begegnen und herausfordern.

Die Kantate zum heutigen Sonntag vermittelt Zuversicht und einen ermugienden Aufruf im Hinblick auf Weihnachten. BWV 132 Bereitet die Wege, bereitet die Bahn. Bernardini – Netherlands Bach Society (YouTube)

Jesaja 42, 1 – 9

Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht. 2 Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen. 3 Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. 4 Er verglimmt nicht und wird nicht geknickt, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf seine Weisung warten die Inseln. 5 So spricht Gott, der HERR, der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat, der die Erde gemacht hat und alles, was auf ihr wächst, der dem Volk auf ihr Atem gibt und Geist allen, die auf ihr gehen. 6 Ich, der HERR, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen, 7 um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft. 8 Ich bin der HERR, das ist mein Name; ich überlasse die Ehre, die mir gebührt, keinem andern, meinen Ruhm nicht den Götzen. 9 Siehe, das Frühere ist eingetroffen, Neues kündige ich an. Noch ehe es zum Vorschein kommt, mache ich es euch bekannt.

Ich finde diesen Text jedesmal, wenn er mir entgegen kommt, erstaunlich und wohltuend. Das Lied vom Gottesknecht, welcher nicht Sklave ist sondern Freund, und sicher kein Herrscher wie die Welt sie kennt an ihrem Schreien und Poltern, sondern Diener zum Wohl der Unterdrückten und Armen, dieses Lied ist das neue Lied, welches von Befreiung singt und von Gerechtigkeit. Die Verheissung, welche auf diesem «Knecht» ruht, dem Christus, welcher laut Johannes von Anfang der Schöpfung war, sie ruht nach Aussage von Jesus auch auf denen, welche sich auf die Einladung einlassen: «Gleich wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch«. In der Tat, Gott ruft aus Gerechtigkeit, Befreit aus Liebe und Barmherzigkeit, und vergibt aus Gnade. Der Prophet Jesaja sagt, dass er dieses Neue ankündigt, bevor es zum Vorschein kommt. Jesus wird später sagen, dass es nun da sein und damit das Reich Gottes anbreche. Wir befinden uns also trotz und mit unserer Begrenztheit und Verletzlichkeit in einer Zeit, wo das Licht sichtbar, die Gerechtigkeit praktisch und die Befreiung erfahrbar wird. Corona, Tod und Unrecht sind zwar real, aber sie haben nicht das letzte Wort. Sie werfen Schatten, lange und schmerzliche Schatten, aber das grosse Licht von Weihnachten, es brennt und nimmt zu.

Philipper 4, 4 – 7

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! 5 Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. 6 Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! 7 Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.

Die Texte zum Sonntag, 4. Advent, letzter Sonntag vor Weihnachten, vermitteln Zuversicht, Hoffnung und eine Vision für heute und für die Zukunft. Gott, Schöpfer und Ewiger, ruft aus Liebe und auf Gerechtigkeit hin. Der Aufruf im Philipperbrief zur Freude mag in der jetzigen Situation schräg daher kommen. Uns ist nicht nach Freude zumute, je nachdem was uns widerfahren ist und an was für einem Abgrund wir stehen. Wie dem auch sei, der Friede Gottes, seine weihnachtliche Nähe und seine Güte, welche sich in uns Menschen spiegeln möchte, spendet einem Jeden unter uns in einer schwierigen Zeit Mut und Kraft. Wir erfahren gerade: das Leben ist zerbrechlich und verwundbar; nichts ist selbstverständlich. Doch das Geschenk des Lichts, welches Kraft und Leben überhaupt möglich macht, ist allen Menschen zugesagt. Dies Licht vermag auch in der dunkelsten Stunde und am unerwarteten Ort aufzuleuchten, sei es noch so klein und diskret, noch so unerwartet und unerklärlich. Es setzt nur unsere Aufmerksamkeit und unsere innere Verfügbarkeit voraus.

Lukas 1, 39 – 45

In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. 40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. 41 Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt 42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. 43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. 45 Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

Dieser Text geht direkt dem bekannten und so wohltuenden Lobgesang von Maria voraus. Dieser beschreibt das Eintreffen der Verheissung wie sie Jesaja angekündigt hat. Die Episode zweier Frauen – ja, nicht brillante und erfolgreiche Männer, sondern Frauen, welche sich zwar fragen, wer sie sind, dass sie mit solcher Herausforderung gesegnet werden – deutet darauf hin, worauf es ankommt wenn das anbrechende Licht in der Welt aufleuchtet: Es kommt auf Verfügbarkeit an und auf Bereitschaft, neue Wege zu gehen, mit dem Risiko, falsch oder nicht verstanden zu werden in einer Welt, wo anderes zählt als Liebe, Friede und Gerechtigkeit. Die Freude von Elisabet ist so gross ansteckend, dass das werdende Kind in ihrem Leib hüpft. Beide Frauen, Elisabet und Maria, stellen sich dem Licht und den neuen Wegen zur Verfügung ohne genau zu wissen, was das alles mit sich bringt und was sie selber davon haben werden. Gemeinsamer solidarischer Einsatz ist eine unbestrittene Stärke von Frauen. Davon können wir alle, und vor allem Männer, die gerne allein stark sind, viel lernen.

(Texte nach der Einheitsübersetzung, Gedanken von Hansuli Gerber)

2. Adventssonntag 6. Dezember 2020

Predigt von Charles-André Broglie

Schönheit – Kraftquelle und Immunstärkung …Was ist schön für mich?Es scheint mir in unserer heutigen Situation äusserst wichtig, dass wir aus der Benommenheit, Betäubung und Lähmung herauskommen.Statt die Erde als Ausbeutungsobjekt oder Müllhaufen zu sehen, wie wäre es, wenn wir unser Planet als schöne Geliebte betrachten würden?Alles Schreckliche in der Welt wird von der Schönheit einmal verschluckt werden; Transformation können wir jetzt schon erleben/bewirken weil der Gott von Jesus Christus Schönheit in uns gepflanzt hat!

Schönheit – Kraftquelle und Immunstärkung …

Mt 6.26: Seht euch die Vögel an! Sie säen nichts, sie ernten nichts und sammeln auch keine Vorräte. Euer Vater im Himmel versorgt sie. Meint ihr nicht, dass ihr ihm viel wichtiger seid?

In der besonderen Lage in der wir leben, seit dem Virus besonders hautnahe, wobei andere bohrende Themen sind Weltweit auf dem Tapet, stellen sich uns Fragen was uns bewegt oder Angst macht, was unser Sein und Tun lähmen oder beflügeln tut…, aber eben, nicht erst durch diese eine Aktualität, vieles, auch wichtiges, oder noch wichtigeres ist, in den Hintergrund geraten.

Und da komme ich mit dem Thema Schönheit, ein eher seltenes Thema für eine Predigt, dem ihr aber zum 2. Mal in diesem Jahr begegnet! Fiebrig bin ich aber nicht! Ich möchte euch einfach auf eine Reise zum Stichwort Schönheit führen… Mal sehen was daraus wird.

Eine besonders schöne Begegnung für mich sind immer neu die Vögel. So bewegt mich der Gesang der Vögel zutiefst; wenn ich nachts aufwache, besonders im Frühling, höre ich manchmal ihren Gesang schon um 4 Uhr morgens, dann bin ich berührt und beruhigt zugleich, denn irgendwie bedeutet es für mich, dass Gott in der Welt präsent bleibt, trotz dem Chaos und der Unsicherheiten, die unseren Lebensweg begleiten. Die Vogelwelt, wie der Sternenhimmel übrigens (das noch besser hier abseits der grossen Städte mit ihren Irrlichtern zu sehen ist) bedeutet mir immer neu einzigartige und großartige Momente der Freude, des Friedens und des Vertrauens. So steht es ja auch in der Bibel:

Mt 6.26: Seht euch die Vögel an! … Meint ihr nicht, dass ihr ihm viel wichtiger seid?

Aber:

∆ Was ist deiner Meinung nach schön, wirklich schön?!

Ich bin zB. sensibel auf die Schönheit der Natur, auf Herzensschönheit bei verschiedensten Menschen, schön sind oft schwangeren Frauen, Kindern, strahlenden alten Menschen, usw… Und auch Gott ist Schönheit; dieses Thema hat Therese mit einer Gruppe für ein Frauenwochenende vorbereitet.

Zum Stichwort Schönheit habe ich eine Arbeit der Lebensgemeinschaft Le Cénacle, im neuenburgischen La Sauge gefunden. Die Texte die ich auf Schriftdeutsch lese, ausser bei Bibeltexten natürlich, stammen von Michel Marets Arbeit, eben aus der Communauté du Cénacle.

∆ Warum Schönheit als Thema?

In der Adventszeit kann ich hier nicht anders als an Erinnerungen an die Kapelle- & Schulweihnachten am 24.12. anfangs der Achtzigerjahre denken: es sind für mich schöne (ganz!) Erinnerungen. Heute geht es mir um eine Aktualität die die grosse Erwartung des Advents auch beinhaltet, aber ich denke da nicht an die Kommerzialisierung, die übertriebene Dekoration oder auch die oft kitschige Vergeistigung des Weihnachtsgeschehen.

Ich denke es in unserer heutigen Situation äusserst wichtig, dass wir aus der Benommenheit, Betäubung und Lähmung herauskommen, die uns drohen. Gerade weil große und noch grössere Herausforderungen auf uns warten wird mit schlechtem Gewissen und moralischem Druck nicht geholfen… Sowenig uns mit Drohung über unsere Unzulänglichkeiten, Ungehorsam, so unsere Trägheit überwunden werden kann, genau sowenig ist ein rachsüchtiger Gott, ein Ordnungshüter (Zeigefinger) von Hilfe!

Aus diesem Grund kann uns vielleicht Schönheit weiterhelfen, sei es bei Klimafragen, Zerstörung der Landschaften und Artenvielfalt, Nationalismus, kriegerische Konflikte, Ausbeutung von Menschen, Armut durch die Kovid-Situation, die weltweit uns 40 Jahre zurück führen könnte (40% Zunahme, Nachrichten von der UNO am Dienstag).

» Schönheit als dritter Weg: weder jammern über das Fehlende, noch uns resigniert begnügen mit dem was da ist. Es geht um mehr: wir sollten unser gesamtes menschliches Immunsystem stärken können, damit wir handlungsfähig bleiben, wachsam in diesen Monaten und Jahren, wo Gefahr droht, dass wir wie Schafe uns einfach der anscheinenden Notzeit fügen. Also was könnte in dieser Situation dringender sein, als über Schönheit nachzudenken und uns berühren zu lassen, bis in die Tiefen unseres Seins, und nicht nur auf der Ebene unseres Intellekts!! Da könnten sich neue kreative Kräfte entfalten und uns Mut und Vertrauen trotz allem schenken.

Darum zuerst:

Die Schöpfung und ihre Schönheit

«Es gibt zwei Bücher für die Offenbarung Gottes in der Welt: das Buch der Schöpfung und das Buch der Bibel. Die Schöpfung ist wie ein großes Buch, das uns die Größe, die Schönheit Gottes sagt.»

Im Schöpfungsbericht in Kap. 1 der Genesis heißt es am Ende jeder Schöpfungsstufe: «Und Gott sah, dass es gut-schön war.» Meistens wird das hebräische Wort «tov» mit gut übersetzt, es bedeutet aber sowohl gut als auch schön. Über seine Schöpfung freut und wundert sich Gott. Er wollte, dass sie nicht nur gut, sondern auch schön ist.

∆ Statt die Erde als Ausbeutungsobjekt oder Müllhaufen zu sehen, wie wäre es, wenn wir unseren Planeten als Geliebte betrachten würden

Die Schönheit Gottes

Ps 19.2-4: Die Himmel erzählen von der Schönheit Gottes. Vom Tun seiner Hände kündet das Firmament. Ein Tag sprudelt dem anderen Tag Worte zu, eine Nacht gibt der anderen Nacht Wissen weiter. Es ist keine Rede, es sind keine Worte – unhörbar ist ihre Stimme…

Exodus 33.19: Gott antwortete (an Mose): Ich werde in meiner unermesslichen Schönheit dicht an dir vorbeigehen und meinen Namen Ich-bin- da vor dir ausrufen.

Maurice Zundel sagte oft:

«Gott ist, wenn man staunt! »

∆ Spürst du hier und da diese Schönheit Gottes, die nicht ängstigend wirkt, sondern einfühlend warm, aufhellend, kraftspendend?

Die Schönheit von Christus

Ps 45.3: Du bist der Schönste unter den Menschen, Anmut ist über deine Lippen ausgegossen, darum hat Gott dich gesegnet auf Dauer.

Ich sehe da eine Anspielung auch auf Christus, und ich spüre diese Schönheit in vielen Wundern Jesu (Vermehrung der Brote…) und in Gleichnissen in den Evangelien (Der wieder gefundene Sohn). Unsere Vorstellung von Christus ist aber viel eher von einer sehr paradoxen Schönheit geprägt: sind nicht das Leiden, die Dornenkrone, und vor allem das Kreuz, totale Gegensätze der Schönheit?

Wir lesen in Jesaja 53.2-3: Dieser Mensch wuchs auf wie ein Keimling vor Gott, wie eine Wurzel aus trockener Erde, ohne Ansehen und ohne Ausstrahlung, auf die wir geachtet hätten, da war kein Anblick, der uns gefallen hätte.

In der Tat, Jesus hat sich aus Liebe entstellen lassen, er hat bis zum Äußersten mit den Menschen solidarisch gelebt… das alles, um uns die Schönheit zurück zu geben, die Gott von Anfang an in uns hineingelegt hat!

Es ist diese Kraft, die uns tragen kann, in beiden Richtungen: die Horizontalität, die Schönheit von friedlichen, im Gemeinwohl gelebten Beziehungen zwischen den Menschen und der Schöpfung, und die Vertikalität, die Schönheit unserer Verwurzelung im Leben und der Begleitung durch den Ewigen, die wir auf unserer menschlichen Reise erfahren.

∆ Was ist für dich besonders schön an Christus?

Die Schönheit des Menschen

Ps 139.13: Du hast mich mit meinem Innersten geschaffen, im Leib meiner Mutter hast du mich gebildet. Gott, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast!

Manchmal fällt es mir aber schwer, mich selbst als schön und Gott ähnlich zu sehen (nicht im physischen Sinne, sondern ganzheitlich), und so hilft es mir, mich an die Texte zu erinnern, die von unserer Nähe zu diesem Gott der unvergleichbaren Schönheit sprechen!

I Kor 3.6+ 9: Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und Gottes Geistkraft in euch wohnt? …
Wir arbeiten gemeinsam mit Gott; Gottes Acker, Gottes Bauwerk, das sind wir …

∆ Was wollen wir betonen? Das Schwierige/ Schöne, oder die Kraft aufzustehen um uns den Herausforderungen zu stellen die uns begegnen?

Wir sind zu einer Verwandlung eingeladen, aufgerufen, bestimmte Überzeugungen (Glaubenssätze) zu verlassen, auch wenn sie uns solid erscheinen, um in einer neuen Wirklichkeit zu leben:

Wir sind schön, jedes Einzelne unter uns, weil Gott ein Gott der Zärtlichkeit ist, der Liebe, uns gegenüber !!

Wenn ich jetzt an die Ängste denke, die wir wegen der sogenannten zweiten Welle haben, wegen den Konsequenzen die sich wirtschaftlich zeigen können, lade ich uns ein, mitten in unseren Ängsten ein Bad in Wohlwollen und göttlicher Schönheit zu nehmen. Verwundbarkeit und Zerbrechlichkeit haben selbstverständlich ihren Platz (siehe Stallkrippe an Weihnachten), in unserem Leben, vielleicht mit dem Willen zur Verlangsamung, um die Schönheit und Liebe Gottes trotz allem in uns selbst und um uns zu sehen…

«Es ist die Schönheit, die die Liebe weckt, denn plötzlich erscheinen uns diejenige, die wir lieben, im Blick unseres Herzens mit einer Spiegelung, die niemand sonst gesehen hat. Liebe macht schön und erweckt gleichzeitig die verborgene, einzigartige Schönheit des anderen.»

Die Schönheit unserer Lebensreise

Ps 103.1-2: Lobe den Ewigen, du meine Lebenskraft! Alles in mir segne seinen heiligen Namen! Lobe den Einen, du meine Lebenskraft! Vergiss nicht, was er alles vollbracht hat…

Wenn ich über meinen Lebensweg nachdenke, über diese Begleitung durch Gott im Leben und im Tod, wird mir klar, dass auch die Umwege und Brüche wichtig sind… und manchmal sogar schön (im Nachhinein, aber es muss nicht sein!!). Wenn ich auf die Strecke schaue, die ich zurückgelegt habe, merke ich, dass dem Dunklen, Schweren, Verletzende nachzutrauern mir überhaupt nicht weiter hilft! Ich will mich an die Schönheit meines Weges erinnern, sogar durch Liebeskummer, Trauer und Leerläufe hindurch ist es motivierend geworden für meine Gegenwart!

Denke auch an den Weg nach Emmaus, einen verkehrten Weg, wo die Jünger nichts verstanden und nichts gesehen haben, nicht einmal ihren Freund Jesus… und doch bringt ihnen dann dieser Weg Freude, Verwandlung, die es den neu erwachten Jünger erlaubt, auf dem umgekehrten Weg zurückzulaufen, nach der schönen(!) Begegnung mit ihrem Meister….

Ein chinesische Sprichwort sagt:

«Wenn du zehn Taler hast, nimm neun, um dein Lebensunterhalt zu verdienen. Kaufe dir mit dem Zehnten Blumen, um etwas zum Leben zu haben.»

Es scheint, dass der Mensch Schönheit zum Leben braucht, genauso wie er Essen und Trinken braucht. Und wenn diese Schönheit fehlt, verwelkt der Mensch…

∆ Was für eine Veränderung ist nötig, damit ich diese Schönheit in meinem Lebenslauf wirklich erleben kann?

Für mich ist es eine Frage der Verfügbarkeit, von der Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen Augenblick, im Vertrauens darauf, dass das, was ich lebe, nicht die Frucht des Zufalls ist, sondern vom Licht, das Gott in mein Leben legt. Und es ist ein schönes Licht ! Diese leuchtende Schönheit nimmt Ursprung in der Gegenwart Gottes in unserem Sein; mögen wir erkennen, wie nahe uns dieser Gott der Schönheit, des Lichts und der Liebe auf unserer Reise ist, das ist gut für unser Immunsystem und für unser Engagement!

«Schönheit als kostbarer Same wird durch eine zarte Hand in den fruchtbaren Boden unseres Intimwesens gesät. Der Sitz der Schönheit ist unser Herz, so tief wie das der Liebe.»

Sind wir bereit, uns in die Arme nehmen zu lassen, von dem Gott der uns liebt wie der Sohn, der wiedergefunden und mit einem schönen bunten Kleid geschmückt wird?

Unser Inneres ist schön, weil unser Schöpfer es schön geschaffen hat

Alles Schreckliche in der Welt wird von der Schönheit einmal verschluckt werden; die Transformation erleben können weil der Gott von Jesus Christus Schönheit in uns gepflanzt hat, das ist, hoffe ich, eine gute und tragende Advents-Nachricht für ein jedes von uns!

Gebet

Du Schöpferschönheit,

du Lebensgott,

Du Begleiterin auf unserem Pfad:

Schönheit Gottes möge uns:

  • neu Mut zum Sein schenken
  • Kraft auf unseren Wegen säen
  • Freude stärken in unseren Aufgaben
  • Gelassenheit und Vertrauen in uns wecken besonders auch den Kranken und Leidenden

Deine unvergleichbare Schönheit möge uns :

  • inspirieren in unseren Arbeiten
  • trösten bei Enttäuschungen und Trauer
  • wieder aufstellen nach jedem Stolpern und jeder Niederlage
  • neu bewusst Stärkung geben zu unserem Alltag

Die Schönheit deines Kosmos möge uns:

  • anspornen damit wir die nötigen Schritten unternehmen in Klimafragen
  • daran erinnern, wie wertvoll das Leben all deiner Geschöpfe ist (Menschen in Angst, Flucht, Versklavung, aber auch Tier- und Pflanzenwelt)
  • helfen, in Politik und Leben miteinander unsere Beitrag bestimmt zu leisten
  • kreativ einstimmen damit wir im Frieden und bestimmt-konkret handeln

Denn Dir Lebendiger ist die Schönheit

  • das Leben in der Geistkraft
  • die Macht zur Transformation
  • und die lichtvolle Gegenwart

durch Jesus Christus

  • Schönheit seiner Begleitung
  • Schönheit seiner Befreiung
  • Schönheit seiner bedingungslosen Zuwendung

Wir danken Dir, Gott der Schönheit.

AMEN

Sonntag 22. November 2020

Ewigkeitssonntag

Der französischsprachige Gottesdienst in der MethodistenKapelle in St-Imier kann am Sonntag ab 10h hier mitverfolgt werden.

Dieser Gottesdienst findet jährlich statt im Zeichen der Verfolgung von Christen. Es werden zwei Personen von ACAT Schweiz dabei sein. ACAT setzt sich ein «für eine Welt frei von Folter und Todesstrafe» und ist in rund 30 Ländern auf 4 Kontinenten aktiv.

Kantate zum 24. Sonntag nach Trinitatis

Johann Sebastian Bach: «O Ewigkeit, du Donnerwort», BWV 60 (Miriam Feuersinger, Sopran; Claude Eichenberger, Alt; Bernhard Berchtold, Tenor; Markus Volpert, Bass; Rudolf Lutz, Orgel; Orchester der J. S. Bach-Stiftung: Rudolf Lutz)

Hier auf BR-Klassik hören (dieser Link führt auf den Player von BR-Klassik, welcher die aktuelle Sendung live abspielt. Die Kantate beginnt am Sonntag morgen um 08:04, nach den Nachrichten)

Sonntag, 15. November 2020

Diesen Sonntag laden wir Euch ein, den Dokumentarfilm Konzern-Report (40 min.) zu sehen. Einige Überlegungen zur Frage unseres Engagements im Zusammenhang mit der Konzernverantwortungs-Initiative, welche nächstes Wochenende zur Abstimmung kommt, sind danach zu lesen. Ganz unten auf der Seite findet sich der Link zu der Bachkantate des Sonntags.

Der Dokumentarfilm (falls erst Werbung kommt, click auf «Skip ad» im Bild)

Warum engagieren wir uns als Christen für die Konzernverantwortungsinitiative?
Warum engagieren sich die Kirchen für diese Initiative?

Diese Fragen sind berechtigt, denn jedes öffentliche Engagement verlangt nach einem guten Grund. Allerdings gibt es auch Stimmen, die dieses Engagement bestreiten. Sie sagen, dies sei eine politische Frage und daher etwas, wofür die Kirchen nicht zuständig seien.

Ja gewiss, der Glaube ist eine persönliche Angelegenheit. Doch nein, das Engagement, zu dem der Glaube Anlass gibt, kann die Sorge um das Gemeinwohl nicht umgehen. Dies gilt umso mehr, wenn es um Bevölkerungsgruppen geht, die unter nachteiligen Folgen leiden, die verursacht werden von Schweizer Konzernen, welche uns mit ihren Produkten beglücken. Politisch oder nicht, dies sind Fragen von Verantwortung und Gerechtigkeit, und sie berühren den authentischen biblischen Glauben aufs Engste.

Zwei Elemente dieses Engagements seien hier kurz genannt: Das erste Element bezieht sich auf die biblische Botschaft; das zweite bezieht sich auf die Globalisierung und wie sie unsere Überzeugungen als christliche Bürgerinnen und Bürger beeinflusst. Wir sind ja beides zugleich, Christin und Bürgerin, Christ und Bürger. Wir sind keine Untertanen ohne Einspruchsmöglichkeit, da ist kein König über uns, der zwischen uns und Gott herrscht. Als christliche Bürgerinnen und Bürger, oder, wenn ihr lieber wollt, bürgerliche Christen, sind wir für unser Handeln und unsere Stimme in einer mehr oder weniger direkten Demokratie verantwortlich. Leider ist in der menschlichen Organisation nichts perfekt, und unsere Demokratie hat viele Mängel und Unzulänglichkeiten. Dennoch sind wir aufgerufen, uns daran zu beteiligen, sowohl als Einzelpersonen als auch als Bürgervereinigungen, und das sind Kirchen auch. All dies zusammen macht die Substanz der Zivilgesellschaft aus. Ohne sie gäbe es nichts als Bürokratie…

  • Die Bibel ist voller Geschichten von menschlicher Unvollkommenheit und von der korrumpierbaren Natur des Menschen. Sie erzählt viele Geschichten von Ungerechtigkeit und Gewalt. Gleichzeitig mangelt es sowohl im Ersten als auch im Zweiten Testament weder an Aufrufen nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wohlwollen noch an praktischen Beispielen. Sie sind in der Tat das Rückgrat der Botschaft der Propheten. Jesus stellte diese Fragen in den Vordergrund: Für ihn hat das menschliche Verhalten gegenüber den Schwachen und Verletzlichen Vorrang vor dem Bekenntnis oder der Frömmigkeit. Ein Pionier der evangelikal-sozialen Bewegung in den USA, Jim Wallis, berichtet, wie er eines Tages, als er jung war, überall dort ein Loch in seine Bibel machte, wo das Wort Gerechtigkeit auftaucht. Am Ende war seine Bibel so voller Löcher, dass sie unbrauchbar war. Der Schutz der menschlichen Person und Gemeinschaft und ihr Wohlergehen stehen in der Bibel an erster Stelle, nicht nur im Neuen Testament, sondern auch im Alten Testament. Schließlich ist Jesus gekommen, damit die Menschen Leben im Überfluss haben. (Joh 10,10). Wir beanspruchen das doch gern für uns. Es gilt aber für alle Menschen.
  • Wenn die Bibel die Gläubigen, welche behaupten, Gottes Volk zu sein, dazu aufruft, das Wohl – oder das Beste – ihrer Stadt zu suchen (Jeremia 29,7), dann bedeutet das, dass man nicht nur den eigenen Nutzen und das eigene Wohl suchen kann, sondern dass das Wohlergehen der ganzen Gemeinschaft im Blick sein muss. Denn das Wohlergehen der Gemeinschaft ist eng mit meinem eigenen Wohlergehen verbunden. Doch seit europäische Schiffe die Ozeane überquert haben und wir Kaffee aus Brasilien oder Afrika trinken, Bananen aus Lateinamerika essen, und unsere Produkte in der ganzen Welt verkaufen, ist die Welt ein Dorf, eine Stadt geworden. Wir sind voneinander abhängig, gegenseitig abhängig. Daher sind wir über auch unsere kartographischen und rechtlichen Grenzen hinaus verantwortlich. Wir können nicht behaupten, auf einer unabhängigen Insel zu leben, die niemanden braucht und niemandem etwas schuldet. Die Zukunft und das Wohlergehen unserer Kinder und Enkelkinder ist eng mit der Zukunft und dem Wohlergehen der Kinder und Enkelkinder derjenigen verbunden, die dort leben, bzw. von welchen Güter kommen, die unser tägliches Leben im besten Fall angenehm machen, und im Normalfall praktischer. Darüber hinaus ist das Wohlergehen unserer künftigen Generationen direkt mit dem Wohlergehen der Enkelkinder unserer vermeintlichen Konkurrenten oder Feinde verbunden. Das ist es, was aus der Welt geworden ist: Eine weltweite menschliche Gemeinschaft, wo die Einen nicht ohne die Andern auskommen. Es ist nicht so sehr eine moralische Frage als vielmehr eine Frage der persönlichen, kollektiven und gegenseitigen Verantwortung.

Eigentlich müsste hier auch zur anderen Initiative, welche zur Abstimmung kommt, etwas gesagt werden, denn sie geht in dieses Kapitel der Verantwortung, welche wir als Einzelne und als Gesellschaft tragen für das, was unser Geld und unser Güter bewirken: die Kriegsgeschäfte-Initiative. In der einen Initiative geht es darum, was unsere Konzerne tun oder lassen, in der andern geht es darum, was unser Geld tut oder lässt. Persönlich hätte ich nie gewollt, dass meine Pensionskassengelder ins Kriegsgeschäft investiert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir dafür verantwortlich sind, unser Wirtschaftsleben so zu organisieren, dass diejenigen, die fahrlässig oder nicht, Leid verursachen, zur Rechenschaft gezogen werden und dass diejenigen, die zu Schaden gekommen sind, entschädigt werden. Eigentlich ist es einfach, wie etwas in einem biblischen Gleichnis: Unser wohlwollender und verantwortlicher praktischer Umgang in einem ökonomisch-sozialen Sachverhalt, wo es Bevorteilte und Benachteiligte gibt, kann zum Zeichen des Reiches Gottes werden.

Wenn Du noch Zeit hast…

auf der Website der Kirchen für Kov-I gibt es interessante Infos dazu, warum es die Initiative braucht, wer dahinter steht, was geschieht, wenn sie angenommen wird usw.

Die Bachkantate zum Sonntag

BWV 139 Wohl dem, der sich auf seinen Gott

Hier clicken zum hören und sehen

Aufrichtiger Dienst der Guten Nachricht für alle Menschen

Predigt zur Hundertjahrfeier von MCC – Geisberg, Frankreich 1. November 2020

Wer die Predigt lieber hören möchte – in franz. mit deutschem Text – kann unter diesem Link das Video (in französisch) mit deutschem Fliesstext sehen. Dauer: 17 min.

Liebe Freunde des MCC, liebe Schwestern und Brüder, liebe gegenwärtige und ehemalige MCC-MitarbeiterInnen: Nur wenige sind am Allerheiligensonntag auf dem Geisberg versammelt. Wegen des Covid-19 werden die meisten von ihnen irgendwo in diesem schönen Land vor einem Bildschirm sitzen, verstreut in unserer verwirrten und zerrissenen, aber geliebten Welt.
Mit großer Freude und einem Gefühl der Ehre, aber auch mit Demut nahm ich die Einladung an, bei dieser Feier des hundertjährigen Bestehens der MCC in Geisberg eine Predigt zu halten.
Ich freue mich, weil MCC für mich eine Quelle und ein Katalysator der Freude gewesen ist, wie für viele Menschen auf der ganzen Welt.
Ich fühle mich geehrt, denn MCC, 1920 gegründet, ist eine der ältesten Nichtregierungsorganisationen der Welt und zweifellos eine der angesehensten, auch wenn sein öffentliches Profil relativ bescheiden ist.
Mit Bescheidenheit nehme ich diesen Auftrag wahr, weil MCC, abgesehen davon, dass es hundert Jahre alt und respektiert ist, sich nachhaltig für den Dienst an der Guten Nachricht Christi einsetzt, aufgrund der göttlichen Inkarnation für die ganze Menschheit, und als ein Zeugnis der ewigen und unveränderlichen Liebe, die weder gekauft noch verkauft werden kann.

Im Sinne einer Predigt stütze ich mich auf einen der biblischen Texte zum Allerheiligen- bzw. Reformationssonntag: 1 Thessalonicher 2, 1 bis 8. In diesem Text ist vom authentischer Dienst am Evangelium die Rede, und das scheint mir angesichts des wackeligen politischen Klimas unserer Tage genau das Richtige für diesen Anlass zu sein. Denn MCC, weit davon entfernt, perfekt zu sein, verkörpert fast wortwörtlich die in diesem Text beschriebene Ansätze für den Dienst des Evangeliums an Menschen.
Ich werde den Text Absatz für Absatz lesen und auf einige der genannten Aspekte kurz eingehen. Ich lese aus der Einheitsübersetzung:


Vers 1: Ihr wisst selbst, Brüder und Schwestern, dass wir nicht vergebens zu euch gekommen sind.
Die Arbeit des MCC war nützlich, in Europa und anderswo, und hat konstruktive und nachhaltige Spuren hinterlassen: In Frankreich finden sich heute mehrere Häuser oder Einrichtungen, die seit den 1940er oder 1950er Jahren Menschen mit Behinderungen oder Kindern oder Studenten ein sicheres Zuhause bieten. In den Niederlandes, sind Menschen anzutreffen, die sich daran erinnern, wie sie oder ihre Verwandten während der schrecklichen Entbehrungen durch den Zweiten Weltkrieg, von MCC ein Paar Schuhe erhalten haben. Viele Menschen in Südosteuropa würden Ihnen sagen, wie dankbar sie für die unentbehrliche Hilfe waren, die sie in den neunziger Jahren während der Kriege in der Balkanregion erhielten (Wir könnten den Tag damit verbringen, Listen für die andern Kontinente zu erstellen, für Afrika, wo Tausende von Schulbildung profitierten, für Lateinamerika, wo Gemeinschaften bei ihrer Rehabilitation unterstützt wurden, für Asien oder den Nahen Osten usw.).
Hier in Europa erstmals Hygiene-Kessel eingesetzt worden, als ganze Bevölkerungen aus ihren Dörfern in Bosnien, Kroatien oder Serbien fliehen mussten und vielen Flüchtlingen nötigste Hygieneartikel fehlten. Zusammen mit der Abteilung für Materialressourcen von MCC hatten wir dieses Kesselprojekt auf die Beine gestellt, das sich bis heute bewährt. Gemeinden hier in Europa und Nordamerika mobilisieren sich, um Grundbedürfnisse von völlig mittellosen Menschen, oft auf der Flucht, zu decken.

Vers 2: Wir hatten vorher in Philippi viel zu leiden und wurden misshandelt, wie ihr wisst; dennoch haben wir im Vertrauen auf unseren Gott das Evangelium Gottes trotz harter Kämpfe freimütig bei euch verkündet.

Wenn wir die Worte «an Philippi» durch «in Europa während und nach der Reformation und in Russland und der Sowjetunion» ersetzen, spiegelt dieser Vers die mennonitisch-täuferische Erfahrung wieder, deren humanitärer Ausdruck das MCC ist. Der Dienst, den MCC seit den 1920er Jahren leistet, wurde inspiriert durch die Verfolgung und Zerstreuung der Täufer im 16. und 17. Jahrhundert, sowie durch das Leiden der Mennoniten während der Hungersnot in Russland und der Ukraine und durch den Terror in der Sowjetunion. Aus diesen schmerzlichen Erfahrungen erwuchs unter anderem die Motivation und die Entschlossenheit, denen zu dienen, die heute leiden, unabhängig von ihrem politischen oder ideologischen Hintergrund und trotz politischer oder logistischer Widerwärtigkeiten.

Vers 3 – 6: Denn wir predigen nicht, um euch irrezuführen und nicht in unlauterer oder betrügerischer Absicht, 4 sondern wir tun es, weil Gott uns geprüft und uns das Evangelium anvertraut hat, nicht also um den Menschen, sondern um Gott zu gefallen, der unsere Herzen prüft. 5 Nie haben wir mit unseren Worten zu schmeicheln versucht, das wisst ihr, und nie haben wir aus versteckter Habgier gehandelt, dafür ist Gott Zeuge. 6 Wir haben auch keine Ehre bei den Menschen gesucht, weder bei euch noch bei anderen,

Was der Apostel sagt, gilt meiner Meinung nach auch für MCC. Ich erinnere mich an die andauernden Bemühungen innerhalb der Organisation, authentisch und ehrlich zu sein, Spektakel zu vermeiden, nicht der Versuchung der humanitären Pornographie zu erliegen, sich nicht beeindrucken zu lassen, weder von der Rhetorik des Staates noch von der seiner angeblichen Feinde. Man könnte die damaligen Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion nennen, oder die nach wie vor blockierte Situation im Nahen Osten, oder die Beziehungen zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften in Asien oder anderswo. Aber das würde unseren Rahmen und unseren Zeitplan sprengen.
Ich habe die Ausbreitung von NGOs in den 1990er Jahren miterlebt, und sie hat seitdem noch zugenommen. Ich muss sagen, dass Unaufrichtigkeit, dubiose Motive, Ruhm und Geld oder einfach Erfolg, im humanitären Zirkus um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert erschreckend ist. MCC ist sich und seinem Auftrag treu geblieben, und ich glaube, dass dies einem tief verwurzelten, starken und gleichzeitig offenen Glauben zu verdanken ist. Ich spreche absichtlich nicht von einer religiösen oder gar theologischen Grundlage. Gott prüft unsere Herzen, wie es in unserem Text heißt, jedoch kann Gott niemals in unsere religiösen oder theologischen Systeme eingeschlossen werden. Die Barmherzigkeit und Schönheit Gottes geht weit über unsere Ideen und Überzeugungen hinaus – und auch über unsere Institutionen, die ebenfalls vergänglich sind. Als ich Direktor in Europa war, pflegte Generaldirektor John A. Lapp zu sagen: «Wir wissen nicht, ob und wie MCC das 20. Jahrhundert überleben wird.”

Vers 7: obwohl wir als Apostel Christi unser Ansehen hätten geltend machen können. Im Gegenteil, wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt,

Ich glaube, dass MCC in angespannten Kontexten oder wo lokale Gemeinschaften westlichen Missionaren misstrauten, so gut aufgenommen wurde, weil es trotz imperialistischer Tendenzen der USA und des damit verbundenen Drucks nie versucht hat, ein bestimmtes Glaubensverständnis, eine bestimmte Weltanschauung oder einen bestimmten Lebensstil durchzusetzen. Darüber hinaus hat MCC bewusst davon abgesehen, Leute zu bekehren oder Gemeinden zu gründen. Ich weiß, dass dies nicht im Sinne von Manchen ist, aber das Ergebnis einer schlicht humanistischen und christlichen Präsenz des MCC in vielen Ländern zeigt, dass dies der richtige Weg ist. Ich nehme das Beispiel des Balkans, weil ich es in den 1990er Jahren erlebt habe: MCC wurde in den verschiedenen religiösen Kreisen dieses Pulverfasses des ehemaligen Jugoslawiens akzeptiert und respektiert, weil sie nicht kamen, um zu evangelisieren, sondern um zu dienen, wo die lokalen Gemeinschaften ein Bedürfnis verspürten und diese Präsenz ausdrücklich wünschten. Wer das Programm bestimmt, macht eben einen Unterschied. Innerhalb des MCC, zumindest während meiner Zeit, hiess es: «Wir richten uns nach den Signalen der Partner vor Ort».
Den Freiwilligen wurde jeweils während einem 2-wöchigen Seminar vor ihrer Ausreise zwei wichtige Dinge klar gemacht:

  1. Wenn wir ankommen, wird Gott bereits dort sein. Wir dürfen uns nicht einbilden, dass wir diejenigen sind, die Gott zu diesen armen Menschen bringen. Gott ist schon lange vor uns unter ihnen gewesen.
  2. Wir gehen nicht dorthin, um die richtige Lebensweise einzuführen, sondern um den Interessen der dortigen Gemeinschaften zu dienen und von ihnen zu lernen. Was wir von unseren Partnern erhalten, ist genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als das, was wir ihnen bringen.

Vers 8: so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden.

In dem Masse, wie die Erfahrung des Leidens im Laufe der Geschichte die Pioniere von MCC inspiriert und motiviert hat, zieht sich die Barmherzigkeit Gottes für jeden Menschen und jede Gemeinschaft, unabhängig von Identität, Geschlecht, Orientierung oder Religion, wie ein roter Faden durch die Arbeit von MCC; insbesondere dort, wo die Not am größten ist. Ich war immer wieder beeindruckt von der Liebe und Zärtlichkeit meiner MCC-Kolleginnen und Kollegen für die Menschen und Gemeinschaften, wo sie tätig waren. Obwohl das MCC seine Mitarbeiter finanziell und materiell unterstützt, geben sie dennoch einen guten Teil ihres Lebens und ihrer Karriere, denn sie verpflichten sich, die örtliche Sprache zu lernen und mindestens drei Jahre lang zu dienen, wobei sie einige Risiken eingehen. Und ja, einige wenige haben ihr Leben dabei gelassen.

Ein dritter biblischer Hinweis, auf den ich hier anspielen möchte, ist das Ende von Psalm 85, welcher von der freundschaftlichen und innigen Begegnung zwischen Barmherzigkeit und Wahrheit, und zwischen Gerechtigkeit und Frieden spricht. John Paul Lederach, der in der ganzen Welt für seine Pionierarbeit in der Konfliktbearbeitung und Friedensförderung bekannt ist, sagt, dass die intime Begegnung dieser vier Qualitäten des Reiches Gottes der Ort ist, an dem Versöhnung stattfinden kann. Wo Barmherzigkeit und Wahrheit (die sich oft gegenseitig auszuschließen scheinen) einander umarmen, und wo Gerechtigkeit und Frieden (man hört z.B., dass es im Nahen Osten Eines oder das Andere ist, aber nicht beides) einander küssen, ist Versöhnung bereits aim Gang und kann ihren Weg gehen, so lange es auch dauern mag.

Ron Byler, MCC-Direktor, der vor zehn Tagen in den Ruhestand ging, zitierte in seiner Ansprache bei der Online-Feier zum hundertjährigen Bestehen von MCC aus 2. Korinther 5,18, in dem vom Dienst der Versöhnung die Rede ist. Dieser Dienst ist denen anvertraut, die sich auf Christus berufen. MCC ist bekannt für seinen Dienst im Namen Christi als Antwort auf menschliche Bedürfnisse. Seit seiner Gründung im Jahr 1920 hat MCC Menschen und Gemeinschaften in Not erreicht: “Meeting human need in the name of Christ” hiess das Motto – Auf menschliche Bedürfnisse im Namen Christi antworten. Dieser Satz prägte mich, bevor ich wirklich Englisch sprach. Gewiss: nicht alle Probleme werden gelöst werden, Ungerechtigkeit und Schmerz nicht ausgelöscht, die Folgen des Krieges nicht rückgängig gemacht. Jedoch geht es um einen Dienst der Versöhnung, zwischen Einzelpersonen und Gemeinschaften oder Völkern, aber auch zwischen Opfern und ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Jesus ist ein von Gott geschaffener Mensch – Fleisch und Blut. Christ sein bedeutet daher, den Menschen wert zu schätzen und ihm seine unantastbare Würde zu lassen, denn er trägt den Funken des Göttlichen in sich.
Heute, unter dem Druck des Covid, ist die Rettung der Wirtschaft in aller Munde. Einige sagen, dass wir das jüdisch-christliche Erbe retten müssen. Aber es ist weder die Wirtschaft, die gerettet werden muss, noch ein kulturelles oder religiöses Erbe, noch eine Nation, noch eine Republik. Heute, wie zu biblischen Zeiten, und wie anno 1920, ist es der Mensch und seine Würde, die gerettet werden müssen. Nun lebt der Mensch nicht vom Brot allein, wie Jesus sagte. Das bedeutet, dass der Mensch nicht in erster Linie ein wirtschaftliches, sondern ein soziales Wesen ist. Das ist es, was Jesus manifestiert hatte. Was ist sozial? Es geht um Beziehungen und der Ursprung der Beziehung ist die Liebe.
Anlässlich des 75-jährigen Bestehens von MCC im Jahr 1995 wurde einigen Menschen irgendwo auf der Welt folgende Frage gestellt: Was sind deine tiefsten Sehnsüchte, Träume und Hoffnungen? Die Antworten mit schwarz-weiss Fotos befinden sich in einem schönen Buch. Eine Person antwortete: “Ein dichtes Dach und eine Kuh». – Also ja, Essen für die Hungrigen, ein Dach für die Obdachlosen, ein Papier für die Papierlosen, Freiheit für die Gefangenen Darum geht es bei der Mission des MCC – und das ist die Mission von uns allen – in unserer zerbrochenen Welt: die Menschlichkeit wertschätzen, die Würde respektieren und wiederherstellen, Nahrung geben, jemanden besuchen und mit unserer Anwesenheit würdigen, Gemeinschaften aufbauen, Beziehungen erleichtern. Dieses alles in Demut, denn niemand ist allein Träger der Wahrheit, niemand ist allein Erbe der Barmherzigkeit, niemand hat die alleinige Vertretung der göttlichen Liebe. Wir alle sind Geschöpfe unter der Gnade Gottes.

Hundert Jahre MCC – Gottesdienst und Beiträge

Dies Jahr feiert MCC (Mennonite Central Committee), das Hilfswerk (Nothilfe, Entwicklung, Frieden) der nordamerikanischen Mennontiten, seinen hundertsten Geburtstag. Damit ist MCC eines der ältesten Hilfswerke. Weltweit sind mehrere hundert Freiwillige im Einsatz, welche die Landersprache lernten und sich für mindestens 3 Jahre verpflichtet haben. MCC ist in rund 60 Ländern präsent und arbeitet jeweils mit lokalen Einrichtungen zusammen.

Für den Sonntag, 8. November, war im Les Mottes eine gemeinsame Feier – Sonnenberg und La Chaux-d’Abel – zum 100. Geburtstag von MCC geplant. MCC-Verantwortliche, ehemalige Freiwillige und Gäste waren eingeladen. Da diese Feier nun nicht stattfinden kann, steht hier der Gottesdienst zur Hundertjahrfeier von MCC auf dem Geisberg (F) am 1. November zur Verfügung. Der Anlass fand statt in französisch mit englischsprachigen Beiträgen, welche auf Fliesstext französisch/deutsch eingeblendet wurden. Es stehen hier sowohl der ganze Anlass von 1h40 zur Verfügung, wie auch die einzelnen Redebeiträge, jeweils mit deutschem Fliesstext.

Ganzer Gottesdienst auf dem Geisberg (1h40)

Ron Byler, Direktor MCC US 5’00’’ Untertitel FR/DE
Tom Wenger, Leiter MCC Materialzentrum 5’50’’ FR/DE
James and Linda Wheeler, MCC Direktoren Europa-Nahost 2’50’’ FR/DE
Jean Hege : MCC Geschichte in Frankreich 16’20’’ DE
Überblick Europa Büro (Hansuli Gerber) 6’15’’ DE
Predigt zu 1. Thess. 2, 1-8 (Hansuli Gerber) 17’ DE

Hier die Predigt als Text zum Lesen

Mit den Händen beten

Predigt zum 1. November 2020 von Hans Oppliger

Liebe Gemeine, liebe Freunde

Für heute habe ich mir ein paar Gedanken zu unseren Händen gemacht.

Wir haben ja das Thema Gebet.

Beim Beten spielen die Gedanken, die Worte, aber auch die Gestik, und dazu gehören unsere Hände, eine Rolle.

Beim letzten ökumenischen Gottesdienst in Le Noirmont habe ich meine Hände betrachtet, sie gefaltet und bemerkt, dass man sie so falten und anders falten kann.
Eigentlich ging es bei diesem Gottesdienst gar nicht um die Hände, sondern eher um die Schöpfung, und dass wir zu ihr Sorge tragen sollen.

Doch irgendwie kreisten meine Gedanken um meine Hände.
Ich wusste, für die Andacht vom 1. November werde ich dieses Thema nehmen.

Ich habe meine Hände gefaltet, anschliessend habe ich sie andersrum gefaltet, und ich habe sie ganz neu gespürt.
Es war, als ob ich nicht meine eigenen Hände gefaltet hätte, sondern, es war als ob ich jemanden anderem seine Hand gespürt hätte.

Jemand anderem seine Hand gehalten hätte.
Auch wenn ich alleine an meinem Platz gesessen bin.
Ich konnte also für jemanden beten und ihm gleichzeitig auch noch die Hand halten und das alles ganz Corona konform.

Wäre das nicht etwas schönes, wenn wir ab und zu, beim Beten nicht nur für jemanden anderes beten würden, sondern das auch fühlen würden: Jetzt halte ich die Hand von jemand anderem?

Beim Beten spielen die Gedanken, Worte, aber auch die Gestik, und dazu gehören unsere Hände, eine Rolle.

Wir können mit der Gestik erwartend, aber auch anbetend beten. (Hände in die Höhe halten)
Wir können mit der Gestik auch demütig und konzentriert beten. (Hände in den Schoss legen)

Wir können aber auch ganz ohne spezielle äussere Gestik, bei der Arbeit, in der Freizeit oder beim Ruhen beten.

Wir dürfen unsere Hände, und um diese geht es mir jetzt, beim Beten so halten, dass wir uns wohl fühlen und wie es unserer momentanen inneren Gefühlslage entspricht.

Manchmal bete ich aus Routine, vor dem Mittagessen und weiss kurze Zeit später gar nicht mehr, ob ich vorhin schon gebetet habe.

Manchmal schlafe ich beim Beten ein.

Bete ich auch für andere, und nicht nur für mich und mein Umfeld?

Bete ich überhaupt noch?

Bete ich, wenn ich denn bete, als Linkshänder oder als Rechtshänder?

Wenn ich auf Google «Betende Hände» eingebe, so kommt natürlich das Gemälde von Albrecht Dürer Betende Hände zum Vorschein.


Dieses Bild mag ein Kunstwerk sein, ist mir aber etwas fremd, da ich eigentlich nie mit offenen geeinten Händen bete.
Eine solche Händeposition erzeugt bei mir eine Spannung in den Fingern, welche ich als unangenehm empfinde. Es entspricht auch nicht meiner Gewohnheit.
Viel näher kommt mir das Bild von Otto Greiner:


Hier sind wirklich gefaltete Hände zu sehen.

Wenn ich von gefalteten Händen spreche, so kommt mir unweigerlich meine Einleitung in der Kapelle vom 2. Februar 2020 in den Sinn.

Damals habe ich von einem Text aus einem Liedervers gesprochen.

Lied Nr 1 aus unserem Gesangbuch: Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten.

Gefaltete Hände, drücken von mir aus gesehen genau eine solche Haltung aus.

Besonders ein Wort aus Vers 6 von diesem Lied hatte ich damals speziell erwähnt. Ja die Kinder durften anschliessend sogar noch eine kleine Bastelarbeit zu diesem Wort aus Vers 6 machen: Ein Blatt falten.
Dieses Wort beschreibt den Charakter, den wir uns aneignen sollten. Es heisst: Mache mich einfältig.
Ich meine einfältig nicht im Sinne von blauäugig oder geistig etwas beschränkt.

Nein, ich meine einfältig im Sinne von einfach, schlicht, aufrichtig. Genauso wie ein Blatt Papier, wenn es einmal gefaltet wird, eine klare Linie besitzt.

Das war anfangs Februar von diesem Jahr gewesen.
Also kurz vor der Zeit, wo Händeschütteln noch normal waren bei uns.

Mache mich einfältig.

Heute 9 Monate später, gefällt mir dieses Lied Nr. 1 immer noch.
Lies es doch jetzt gleich mal!
Speziell erwähnen möchte ich ein Wort aus Strophe 7: Herr, komm in mir wohnen…

Wohnen, Zuhause bleiben, home office, bekommt in dieser Zeit ein neues Gewicht.
Keine Hände schütteln auch.

Doch Zuhause die eigenen Hände falten darf man.
Ich lade Dich ein, beim Beten, immer wenn du für jemand betest und deine Hände faltest, so falte sie doch nicht wie gewohnt.
Falte sie um einen Finger verschoben.

So fühlst Du ganz konkret, in deiner Hand, die etwas fremdere Hand, für die Du jetzt betest.

Amen