Gedanken zum 1. Sonntag nach Ostern

19. April 2020

Quasimodogeniti – (Wie die neugeborenen Kindlein – 1. Petrus 2,2)

Titelbild: Simeon und Hanna im Tempel, Rembrandt (1606 – 1669)

Von Nelly Gerber-Geiser, Tramelan

Liebe Schwestern und Brüder unserer Nachbargemeinde,

die gegenwärtige Zeit verlangt es, dass wir uns nicht treffen können. Gerne wäre ich heute mit euch in der Kapelle im Chaux-d’Abel. Nun treffe ich euch heute zu Hause beim Meditieren eines Textes, der für mich gut in unsere gegenwärtige Situation passt.

Wir feiern den ersten Sonntag nach Ostern, kommen also vom leisen Geschehen der Auferstehung her. Sie passierte im Stillen und wurde dann in der Stille erfahren. Aufgefordert davon zu erzählen, weiterzugehen und sie im Leben zu integrieren, wurde sie weniger still. Niemand dort hatte sie erwartet und niemand wusste, wie es nun weiter gehen sollte. Letzten Sonntag an Ostern haben wir Auferstehung zum Leben feiern dürfen. Das halt zu Hause, aber sicher auch feierlich.

Ich möchte euch heute einen Text lesen, der sonst an einem anderen Sonntag ausgewählt wird und auch dorthin passt. Für mich passt er eben auch in unsere Zeit und in die besondere Situation. Er begleitet mich seit einiger Zeit.

Ich lese im Evangelium nach Lukas Kapitel 2, die Verse 25 bis 38:

In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe. Jetzt wurde er vom Heiligen Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“

Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.“

Damals lebte auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind und zu allen, die auf die Erlösung Israels warteten.

Ich werde nun nicht auf den ganzen Text eingehen können. Er ist zu reich und spricht doch von einigem.

Es spielt sich ab in einer Atmosphäre des Wartens, des Erwartens. Jahre vergehen. Geduld und Ausharren, Dranbleiben und Hoffen.

Die Jahre vergehen – und jetzt die Begegnung: geführt vom Heiligen Geist kommt Simeon in den Tempel – jetzt erkennt er im kleinen Kind die Wende – den Messias, auf den er seit langer Zeit hofft. Und wir hören seinen Lobgesang: „Meine Augen haben das Heil gesehen – nun darf ich gehen – mein Warten hat sich gelohnt – es war nicht vergebens – meine Hoffnung ist erfüllt. Ich kann in Frieden gehen.

Wie geht es wohl den Eltern in dieser Begegnung? Von ihnen lesen wir nichts ausser: „sie staunten ob diesen Worten, die über Jesus gesagt wurden.

Nun kommt uns noch eine Begegnung entgegen: Hanna, eine Prophetin tritt hinzu. Sie sei schon alt, 84 jährig – das ist 7 mal 12. Das zeigt die Fülle ihres Lebens, das volle, das reiche Leben. Sie ist Witwe seit langer Zeit, kinderlos geblieben und hat sich entschieden, im Tempel zu dienen mit Fasten und Beten bei Tag und bei Nacht. So heisst es. Sie ist also bereits im Tempel und wird nicht vom Heiligen Geist, wie Simeon, herein geführt. Sie ist bereits schon lange immer da. Was doch eher ungewöhnlich ist für eine Frau. Auch sie erkennt im Kind den Messias und lobt Gott.
Hanna – hebräisch Channa, bedeutet Gnade, Liebreiz. Lukas nennt Hanna eine Prophetin. Sie, die kinderlos geblieben ist, hat die Hoffnung nie aufgegeben, hat sich nicht verschlossen, sondern beharrlich auf das Kommen des Messias gewartet. Das mit Fasten und Beten.

Gleichzeitig mit Simeon erkennt Hanna die Bedeutung des Kindes Jesus. Sie preist Gott, heisst es. So also hat sie nicht umsonst gewartet, nicht umsonst gehofft, nicht umsonst geglaubt.

Hanna hat nicht umsonst geglaubt, dass die Hoffnungsgeschichte Gottes mit seinen Menschen weitergehen wird. Es heisst, dass sie es lauthals weitersagt, allen, die auf die Erlösung warten. Sie preist nicht bloss Gott, sondern verkündet zugleich Evangelium. Es ist eine öffentliche Deklaration, Verbreitung der guten Nachricht.
Simeon und Hanna bekennen beide, dass sich im kleinen Kind Gott selber den Menschen zeigt, sein Versprechen einhält.

Zwei alte Menschen, Frau und Mann ‚stehen als Glaubensvertretung dafür ein, dass die Sehnsucht weiter wächst.‘ Sie werden noch in ihrem hohen Alter herausgefordert und sie geben ein Beispiel dafür, dass Alter nicht einengt. Sie geben ihr Interesse, ihr Engagement nicht auf, ziehen sich nicht resigniert zurück. Sie halten an der Erfüllung ihrer Erwartung fest. Und die kommt hier in einem kleinen Kind aus einer einfachen Familie zu ihnen.

Die Kraft der Hoffnung wächst dort, wo Menschen, Junge und Alte, miteinander ihre Sehnsucht teilen und wie Simeon und Hanna durch alles was sie sehen und erleben, einander bestärken. Unsere Hoffnung verändert bereits jetzt unser Leben. Gott bietet in dem kleinen Kind Grund zur Hoffnung und Sehnsucht über unser Leben hinaus. Das Glaubenszeugnis von Simeon und Hanna zeigt, dass die Sehnsucht auf ein erfülltes Leben gelingen kann.

So wünsche ich euch als Gemeinde, als Familie, als alleinstehende Person, als Paar, als Junge und als Ältere, Hoffnung und Vertrauen zu wahren, zu pflegen und zu erbeten. Möget ihr in unseren doch nicht einfachen Zeiten behütet und gesegnet sein. Amen

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