Sonntag «Misericordias Domini»

Glaube nimmt Gestalt an im konkreten Leben

David Bringold, Pfarrer, Ref. Kirchgemeinde Jegenstorf-Urtenen

Predigttext: Jakobus 2, 14-26

Liebe Mitglieder und Freunde der Mennonitengemeinde La Chaux d’Abel
Liebe Leserin, lieber Leser

Ich hatte mich sehr gefreut, am 26. April mit Euch Gottesdienst zu feiern. Nun sind wir online miteinander verbunden und ich freue mich, diese Predigtgedanken für Euch zu schriftlich zu formulieren.

Zu Beginn eine kleine Übung:
Gibt es in der Vergangenheit Dinge, die Dir gut gelungen sind? Taten, von denen Du sagen kannst, das habe ich gut gemacht? Ich lade Dich ein, einen Moment darüber nachzudenken, dich darüber zu freuen und dafür dankbar zu sein.

«Wenn der Glaube keine Taten vorzuweisen hat, ist er tot», sagt Jakobus. Und er untermalt dies mit dem Beispiel von unterlassener Hilfeleistung gegenüber notleiden Glaubensgeschwistern. Diese starke Aussage von Jakobus löst bei mir eine doppelte Reaktion aus. Einerseits Widerspruch und Abgrenzung. Nein, nicht durch Werke werden wir erlöst. Wir können weder die Welt noch uns durch unsere menschlichen Taten retten. Die Reformatoren haben es in ihren Glaubenssätzen formuliert: Allein durch Gnade, allein durch Glaube, allein durch Christus. Und wir erleben es immer neu als tiefe christliche und evangelische Wahrheit: Wir sind von Gott angenommen und geliebt. Einfach so. Nicht wegen uns. Sondern wegen ihm. Wenn wir uns Jesus Christus anvertrauen, seine Erlösung annehmen, erfahren wir: Er hat alles getan. Wir müssen und können nichts tun, um angenommen und wertvoll zu sein. Niemand hat das Recht uns unseren Glauben abzusprechen und zu sagen: «Du hast zu wenig getan, darum ist Dein Glaube nichts wert.» Glaube findet Raum im stillen Kämmerlein, in das Jesus uns einlädt. Er besteht aus Vertrauen, Ruhe und Einkehr und basiert auf Gnade. Darin ist etwas Heiliges, Göttliches, das sich nicht durch solche schroffe Forderungen nach Taten angreifen und in Frage stellen lässt.

Andererseits habe ich beim Lesen der Worte von Jakobs den Eindruck: Der hat ja so recht, dass es fast schon weh tut! Was ist denn das für ein Glaube, wenn man in wichtigen Fragen und Situationen des Lebens nicht mehr davon spürt und sieht davon?

Und dann tut Jakobus etwas, was ich theologisch verblüffend, ja schon fast frech finde. Er nimmt Abraham als Beispiel. Abraham, der uns in der Bibel an verschiedenen Stellen als grosses Vorbild des Glaubens geschildert wird. Und aus diesem Vorbild des Glaubens macht Jakobus ein Vorbild der Taten. Er hat im Alter auf Gott gehört. Ist aufgebrochen in ein neues Land. Und war schliesslich sogar bereit das Letzte zu tun, alles zu geben:

«Wurde nicht unser Vater Abraham aufgrund seines Tuns für gerecht erklärt? Er wurde für gerecht erklärt, weil er seinen Sohn Isaak auf den Altar legte, ´um ihn Gott als Opfer darzubringen`. Daran siehst du, dass sein Glaube mit seinen Taten zusammenwirkte; erst durch seine Taten wurde sein Glaube vollkommen.»

Die Geschichte von der beinahe Opferung Isaaks ist aus meiner Sicht kein einfacher Text und bedürfte einer eigenen Predigt. Aber was Jakobus sagen will, lässt sich gut ableiten und verstehen: Glaube und Vertrauen mag wohl innerlich verwurzelt sein. Seine Quelle in der Stille und in der Gnade haben. Gestalt annehmen und zeigen tut er sich jedoch in den äusserlichen Schritten die wir tun. Gestalt annehmen tut Glaube im konkreten Leben.

Unser Konfirmationspfarrer erzählte und damals im Unterricht ein Beispiel aus seiner frühen Kindheit. Er wuchs in einer Pfarrerfamilie auf und konnte als kleiner Bub an einer Stubenversammlung teilnehmen. Als der Raum sich mit vielen Teilnehmenden zu füllen begann, wurde der kleine Dieter kurzerhand auf einen Schrank hinauf gesetzt, von wo er das Geschehen mitverfolgen und teilnehmen konnte. Nach der Versammlung bekam es der kleine Junge auf dem Schank jedoch mit der Angst zu tun. Wie sollte er nur von dem für ihn sehr hohen Schank wieder herunterkommen. Da stand sein Vater unten vor ihn hin, breitete sein Arme aus und sagte: «Spring». Und er tat es und wurde von seinem Vater sicher aufgefangen.

Worauf vertrauen wir und welche Vertrauensschritte tun wir? Was glauben wir und wie nimmt das in unserem Tun Gestalt an?

Ich glaube an einen Gott, der Wunder tun kann. Ich glaube dies nicht fatalistisch und würde wohl auch keine unvernünftigen Dinge tun. Eine innere Aufforderung zu einer Handlung in der Art der Opferung Isaaks würde ich wohl ablehnen, weil sie gegen das ist, was ich als vernünftig und gut erachte. Aber ich vertraue darauf, dass da wo ich menschliche Arbeit tue, eine wunderbare göttliche Wirkung entstehen kann. Wo ich als Pfarrer menschliche Worte stammle, Menschen durch den Heiligen Geist göttlich berührt, angesprochen und verändert werden können. Ich will mit offenen Augen durch das Leben gehen, stauen und mich freuen über das, was ich sehe und hinter dem sichtbaren das Wunder erahnen, welches dahinter liegt. Und ich bete immer neu um ein natürliches und um übernatürliches Wirken von Gott.

Wie handeln und leben wir, wenn wir an einen Gott glauben, der Liebe ist? Oder an einen Gott glauben der vergibt? Oder an einen Gott der gerecht ist? Wenn wir an einen Gott glauben, der uns das Leben in Freiheit, Fülle und Gemeinschaft schenken will, wie gehen wir um mit diesen Zeiten der Einschränkungen und der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie? Wenn wir an Jesus Christus glauben, der auferstanden ist zum Leben, zu einer neuen Schöpfung, wie können wir im Vertrauen auf ihn, erfüllt von ihm aufwachen und aufstehen zum Leben? Die Doppelfrage lässt sich vielfältig erweitern. Was glaubst Du und wie nimmt das in Deinem Leben Gestalt an?

Die Frage wie unser Glaube im Leben Gestalt annimmt dürfen auch wir uns von Jakobus stellen lassen. Vielleicht sehen wir Lücken in unserem Handeln und Leben wo wir gerne mehr oder etwas anderes als bisher tun möchten. Nicht weil dies nötig oder gut wäre. Aber weil wir in unserem Inneren, von unserem Glauben her etwas spüren, was herauskommen und realisiert werden will. Vielleicht fühlen wir uns auch bedürftig auf der Seite unseres Glaubens und dürfen wie die Jünger von Jesus beten: «Stärke unseren Glauben!» oder «Ich glaube, hilf meinem Unglauben!».

Und wir dürfen uns ganz einfach wagen, was wir innerlich fühlen, was in unserem Glauben Gestalt annehmen will, zu tun. Ein erster Schritt ist oft nicht schwer. Und der nächste Schritt folgt beinahe von selbst. Und es entsteht ein spannender, vielseitiger, herausfordernder und erfüllender Weg!

Amen.

Der vorliegende Text ist eine Überarbeitung einer Predigt, die am 12. Januar 2020 in der Kirche Urtenen gehalten wurde und als Audio-Datei verfügbar ist.

Zur musikalischen Besinnung: Dieser zweite Sonntag nach Ostern steht im Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, welche die Erde erfüllt – trotz und durch die Krisen, welche uns erschüttern. Palm 32 liegt dem Thema zugrunde.

Wolfgang Amadeus Mozart hat das Thema vertont. Sein Misericordia Domini ist hier zu hören. (Sollte am Anfang ein kleiner Kasten mit Werbung erscheinen, kann dieser mit Click ausgeblendet werden):

Print Friendly, PDF & Email

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert