Die 7 Worte Jesu am Kreuz – Karfreitagsbesinnung

Von Hans Oppliger

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,

Für den heutigen Karfreitag nehme ich eine Meditation von Beat Weber, Evangelisch-reformierte Gemeinde in Linden, als Grundlage.

Diese Meditation finde ich gut und sie entspricht den Gedanken, welche ich euch gerne zum heutigen Karfreitag auf diesem Weg weitergeben möchte.

Die Worte Jesu am Kreuz

Sieben Kreuzesworte Jesu sind uns überliefert, allesamt kurz.
Diese Zahl ergibt sich, wenn man alle vier Evangelien berücksichtigt. Keines der Evangelien hat alle Worte überliefert. Von Lukas und Johannes sind es je drei, und von Matthäus und Markus gemeinsam eines. Es ist das Einzige, das von zwei Evangelisten bezeugt wird. Und es ist das einzige Kreuzwort, das auch in der Originalsprache, in der Jesus es ausgerufen hat, aufbehalten ist: auf Aramäisch. Dadurch ist seine Bedeutung unterstrichen. Es steht denn auch in der Mitte der sieben Worte. An ihm wollen wir Schuldbekenntnis und Vergebungszuspruch anschliessen.

Bei den sieben Kreuzesworten Jesu geht es um die Bedeutung für IHN und die Bedeutung für uns. Wir tun das in drei Teilen und haben bei der Musik dazwischen Zeit, das Gehörte zu bedenken.

1. Die drei Anfangsworte

Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! (Lk 23,34)

Dieses erste Kreuzwort Jesu ist – wie das mittlere und das letzte – ein Gebet. Jesus betet zum Vater, aber nicht für sich selbst. Er tut es für andere: stellvertretend, fürbittend. Wer sich am Gesalbten Gottes vergreift und ihn tötet, verdient das härteste Gericht. Doch Jesus bittet den Vater, ihnen zu vergeben … denn sie wissen nicht, was sie tun.

Sie wissen schon, dass sie einen Unschuldigen töten – die Römer sicher und wohl auch die Juden. Pilatus findet nichts Todeswürdiges und will seine Hände in Unschuld waschen. Die römische Soldateska will nichts wissen und treibt ihr Spiel, aber der römische Centurio findet unter dem Kreuz zum Bekenntnis: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen! (Mt 27,54)

Die jüdische Obrigkeit, der Hohe Rat, bemüht Falschzeugen, die sich widersprechen und deren Anschuldigungen ins Leere laufen. Dass Jesus ist, wer er ist – der Messias, der Sohn Gottes –, das ist für den Hohepriester gotteslästerlich und todeswürdig. Er weiss wirklich nicht, was er tut. So ist es bei allen: Sie wissen schon, aber im Letzten wissen sie nicht, was sie tun. Sie haben Jesus Christus nicht als Messias, Erlöser und Gottessohn erkannt. Sie waren blind, taub und verstockt – konnten nicht und wollten nicht.

Für sie, seine Peiniger, bittet Jesus beim Vater um Vergebung – ohne Hass, Bitterkeit und Groll. Mit diesem Gesindel identifizieren wir uns in der Regel nicht. Doch haben nicht auch wir mit Unglauben und Sünden, mit dem Verleugnen seines Namens und mit anderem mehr ihn vielfach geschmäht und ihm Leid zugefügt? Ist uns stets bewusst, was wir taten und tun – an ihm? Sind wir besser und bedürfen seiner Vergebung weniger? Ist er nur für uns gestorben und nicht etwa auch wegen uns, ja in gewisser Weise sogar durch uns? …

Das erste Kreuzwort Jesu ist an diese gerichtet, aber auch zu uns gesagt: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Danke, Herr, für deine Fürbitte zur Vergebung! Jesus, sollte dein Vater, unser himmlischer Vater, dein Gebet etwa nicht erhören?!

Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43)

Betrifft das erste Kreuzwort diejenigen, die ihn misshandeln und töten, so das zweite die, die mit ihm gekreuzigt werden. Genau genommen gilt es nur einem der beiden. Er ist einer, der weiss, wer er ist, wer dieser Jesus ist und was er tut. Sein Mitgekreuzigter, ein Verbrecher wie er auch, lästert mit den andern und sagt: Hilf dir selbst und uns! (Lk 23,39) Das tönt fast schon modern – man denke an das verbreitete, aber unselige Wort: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott! Der andere Mitgekreuzigte tadelt ihn, dass er keine Ehrfurcht vor Gott habe. Beide hätten sie ihr Strafe verdient, dieser jedoch nicht. Tiefe Einsicht wird diesem „Schächer“ am Kreuz gewährt.

Dann richtet auch er an Jesus eine Bitte – sie kommt aus einem verwandelten Herzen: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! (Lk 23,42) Grosse Barmherzigkeit wird ihm in der Stunde seines Sterbens von Jesus gewährt: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Es ist Gnade im letzten Augenblick. Wir können von diesem Verbrecher lernen – und wie! Und wir dürfen über Jesu Gnade staunen – und wie! Man kann das Gnadenangebot nicht bis zum letzten Augenblick aufschieben. Gleichwohl wünschte ich mir mehr Menschen, die auch zu später Stunde auf ihrer Lebensuhr noch zu Jesus Christus und damit zu Gott finden. Der Mitsterbende bekommt zu hören: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Frau, siehe, das ist dein Sohn! / Siehe, das ist deine Mutter! (Joh 19,26–27)

Im Angesicht des Todes gilt Jesu Zuwendung den Seinen. Es geht um die Versorgung der Mutter. Der Pflegevater Joseph scheint verstorben zu sein. Jesus, dem ältesten Sohn, obliegt die Sorge um die Familie, insbesondere die Mutter. Frauen und Kinder hatten weniger Rechte und bedurften der Fürsorge. Das nimmt Jesus wahr. Mehr noch: Das Herz einer Mutter bricht, wenn ein Kind ihres Leibes stirbt. Sie braucht besonders liebevolle Nähe und bekommt an Jesu Statt einen neuen Sohn geschenkt. Der Gekreuzigte betraut Johannes, den Jünger, den Jesus lieb hatte, mit der Beistandschaft und stellt die beiden in eine neue, enge Beziehung zueinander. Es sind wenige Worte, die an Maria und Johannes ergehen und beide einander zuführen. Maria bekommt einen Sohn, Johannes eine Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! / Siehe, das ist deine Mutter! Das Evangelium des Johannes bestätigt, dass Johannes die neue Verantwortung angenommen hat, wenn es heisst: Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich (Joh 19,27). Was will dieses Kreuzwort Jesu uns sagen? …

Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen? Aus: Matthäuspassion von J.S. Bach, BWV 144
  1. Das mittlere, zentrale Wort

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mt 27,45 = Mk 15,34)
Eli, Eli, lama asabtani?

In der Mitte seiner Kreuzesworte betet Jesus erneut. Er macht ein Gotteswort aus der Bibel zu seinem eigenen Gebet. Es ist dem Leidenspsalm 22 entnommen. Mit diesem Schrei eröffnet das Psalmgebet: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Vielleicht hat Jesus den ganzen Psalm gebetet. Wer ihn liest, wird merken, dass er in der Mitte von der Klage zum Dank wechselt. Es ist aber gut möglich, dass Jesus nur diese Anfangsfrage betete und ihm die Kraft fehlte, alle 32 Verse zu beten. Wie auch immer: Wir konzentrieren uns auf die Bedeutung der uns gegebenen Worte.

Es ist dies das einzige Mal, dass Jesus sich nicht nur verlassen von Menschen, sondern auch von seinem himmlischen Vater erfährt – er, der stets in inniger Nähe mit ihm und aus ihm lebte und uns auf Schritt und Tritt zeigt, wie der himmlische Vater ist. Welch grosser Schmerz drückt sich in dieser Klage aus! Warum hat Gott sich von Jesus abgewendet – jetzt, wo er ihn doch besonders nötig hatte? Oder ist das nur der Eindruck von Jesus, und hat sich Gott gar nicht von ihm abgewendet?

Wir sollen nicht psychologisieren, sondern das Wort so nehmen, wie es uns gegeben ist. Die Gottverlassenheit kommt davon, dass Jesus am „Fluchholz“ hängt. Ein todeswürdiger Sünder wird an ein Holz gehängt, und ein derart Aufgehängter ist gemäss der Heiligen Schrift verflucht bei Gott (5. Mo 21,22– 23). Gottes Abwendung von seinem geliebten Sohn ist die Bestätigung dafür, dass Jesus wirklich die Sünde der Welt und auch meine übernommen, auf sich geladen und getragen hat, dazu alle Gottverlassenheit, alle Krankheiten, alle Leiden, alle Bosheiten und was immer an Not diese Erde gesehen hat und je sehen wird. Der Apostel Paulus sagt: Christus ist gestorben für unsere Sünde (1. Kor 15,3). Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns; denn es steht geschrieben (5. Mo 21,23): „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt“ (Gal 3,13). So hat Gott den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir ihn ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt (2. Kor 5,21). Hier sind wir im Zentrum der Frohbotschaft, im Herzen dessen, was Karfreitag ausmacht.

Weil dem so ist, können und wollen wir gerne unsere Schuld bekennen und die Vergebung Christi empfangen. Wir tun das hier in der Mitte der Besinnung, beim zentralen Kreuzeswort Jesu. Es zeigt uns den Schmerz der Trennung, zugleich aber auch die Übernahme unsere Schuld und die Versöhnung bei Gott: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Ich lade Dich ein, hier dein freies Gebet zu formulieren!

Schuldbekenntnis: Gott Vater im Himmel, ich bekenne, dass ich vielfach vor Dir und vor Menschen schuldig geworden bin. Dies nicht nur mit angeblich grossen Sünden, sondern auch mit geistiger Blindheit, Unglaube und Ungeduld. Auch mit Hartherzigkeit, Richtgeist und Hochmut, mit Neid und Schadenfreude und allerlei Begierde. Nicht zuletzt habe ich vor dir mit Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit gesündigt, wenn ich lebe, als ob es dich nicht gäbe. Wie oft beziehe ich dich in mein Leben nicht ein, folge dir nicht nach und diene eigenen Wünschen und nicht dem Reich Gottes. Vielfach sind Angst und Sorge vermengt mit mangelndem Vertrauen an deine Liebe und Fürsorge zur mir.

Herr, meine Schuld ist mir leid. So bitte ich dich um Vergebung und bin bereit, Schritte der Versöhnung zu tun gegenüber denen, die an mir schuldig geworden sind, wie das Unservater mich beten lernt.

O Haupt Voll Blut Und Wunden aus Matthäuspassion, J.S. Bach, BWV 244
  1. Die drei Schlussworte

Mich dürstet. (Joh 19,28)

Hier spricht Jesus ganz als Mensch, bringt seine Bedürftigkeit zum Ausdruck: Marterqualen und Mittagshitze haben seinen Leib ausgetrocknet. Er hat Durst.

Ich höre in seinen Worten auch mit: den Mangel und die Suche nach Durststillung, nach Lebensfülle einer Menschheit, deren Last er trägt. Er nimmt unseren Durst auf sich und bringt ihn in Gott zur Erfüllung. So wie er im gleichen Evangelium uns sagt: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fliessen (Joh 7,37–38).

Es ist vollbracht! (Joh 19,30)

Ein ganz wichtiges Wort – nicht nur für mich! Es zeigt, dass Jesu Werk zu unserer Erlösung getan ist – ganz und bis zum Ende. Nun liegt alles beim himmlischen Vater.

Damit ist auch das Ende der Anfechtung gekommen. Bis zum Schluss wollten der Teufel und allerlei Ängste angesichts der Todeswürdigkeit der Schuldenlast ihn von seinem Weg abbringen. In Gethsemane hat er darumgebetet und gerungen, dass Gottes Willen geschieht. Nun ist er am Ziel seines Liebeswerks – denn niemand hat grössere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde (Joh 15,13).

Am Kreuz macht er aus uns Feinden Gottes Freunde. Es ist vollbracht! Das gilt für sein Werk, und das gilt für uns. Es ist ein Bollwerk gegen alle Versuche, sein Leben selbst erlösen zu wollen, zu müssen, zu können. Das ist gescheitert und wird scheitern. Einer allein hat es getan – ihm sei Ehr und Preis und Dank.

Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! (Lk 23,46)

Wir sind beim letzten Kreuzwort angekommen. Wie beim Warum?-Wort im Zentrum handelt es sich um ein Gebet. Und wie dort nimmt Jesus wiederum ein Psalm zu Hilfe, um seine Worte mit Gottes Heiliger Schrift auszudrücken. Es ist der erste Teil von Vers 6 aus Ps 31, ergänzt durch die Anrede „Vater“: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Damit legt er sein Leben und sein Sterben, die Zukunft, was sein Sühnetod bewirkt, in Gottes Hände. Das Wort steht dem entgegen, dass wir unser Leben und Sterben, wie es mehr und mehr Brauch wird, in die eigenen Hände nehmen. Als die Seinen wollen wir uns, im Leben wie im Sterben, ihm anbefehlen – im Vertrauen darauf, dass er es wohl macht.

Es ist Jesu allerletztes Wort vor seinem Sterben und Auferstehen. Der Vater hat sein Gebet erhört und Jesu Geist und Leben in seine Hände genommen. Er hat sein Sterben zur Erlösung für die Vielen für gültig erklärt und dem Tod damit nicht das letzte Wort gelassen. Er hat Jesus aus dem Tod gerufen und es Ostern werden lassen. Daran gedenken wir übermorgen.

Einladung zum Hören von Heinrich Schütz: Die sieben Worte Jesu am Kreuz. (Dauer: knapp 20 Minuten. Ein Click öffnet YouTube in einem neuen Fenster (Tab) und du kannst hierher zurückkommen zum lesen. Sollte im Videofenster eine Werbung erscheinen, kannst du sie per Click aufs x rechts oben ausblenden)
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