Aufrichtiger Dienst der Guten Nachricht für alle Menschen

Predigt zur Hundertjahrfeier von MCC – Geisberg, Frankreich 1. November 2020

Wer die Predigt lieber hören möchte – in franz. mit deutschem Text – kann unter diesem Link das Video (in französisch) mit deutschem Fliesstext sehen. Dauer: 17 min.

Liebe Freunde des MCC, liebe Schwestern und Brüder, liebe gegenwärtige und ehemalige MCC-MitarbeiterInnen: Nur wenige sind am Allerheiligensonntag auf dem Geisberg versammelt. Wegen des Covid-19 werden die meisten von ihnen irgendwo in diesem schönen Land vor einem Bildschirm sitzen, verstreut in unserer verwirrten und zerrissenen, aber geliebten Welt.
Mit großer Freude und einem Gefühl der Ehre, aber auch mit Demut nahm ich die Einladung an, bei dieser Feier des hundertjährigen Bestehens der MCC in Geisberg eine Predigt zu halten.
Ich freue mich, weil MCC für mich eine Quelle und ein Katalysator der Freude gewesen ist, wie für viele Menschen auf der ganzen Welt.
Ich fühle mich geehrt, denn MCC, 1920 gegründet, ist eine der ältesten Nichtregierungsorganisationen der Welt und zweifellos eine der angesehensten, auch wenn sein öffentliches Profil relativ bescheiden ist.
Mit Bescheidenheit nehme ich diesen Auftrag wahr, weil MCC, abgesehen davon, dass es hundert Jahre alt und respektiert ist, sich nachhaltig für den Dienst an der Guten Nachricht Christi einsetzt, aufgrund der göttlichen Inkarnation für die ganze Menschheit, und als ein Zeugnis der ewigen und unveränderlichen Liebe, die weder gekauft noch verkauft werden kann.

Im Sinne einer Predigt stütze ich mich auf einen der biblischen Texte zum Allerheiligen- bzw. Reformationssonntag: 1 Thessalonicher 2, 1 bis 8. In diesem Text ist vom authentischer Dienst am Evangelium die Rede, und das scheint mir angesichts des wackeligen politischen Klimas unserer Tage genau das Richtige für diesen Anlass zu sein. Denn MCC, weit davon entfernt, perfekt zu sein, verkörpert fast wortwörtlich die in diesem Text beschriebene Ansätze für den Dienst des Evangeliums an Menschen.
Ich werde den Text Absatz für Absatz lesen und auf einige der genannten Aspekte kurz eingehen. Ich lese aus der Einheitsübersetzung:


Vers 1: Ihr wisst selbst, Brüder und Schwestern, dass wir nicht vergebens zu euch gekommen sind.
Die Arbeit des MCC war nützlich, in Europa und anderswo, und hat konstruktive und nachhaltige Spuren hinterlassen: In Frankreich finden sich heute mehrere Häuser oder Einrichtungen, die seit den 1940er oder 1950er Jahren Menschen mit Behinderungen oder Kindern oder Studenten ein sicheres Zuhause bieten. In den Niederlandes, sind Menschen anzutreffen, die sich daran erinnern, wie sie oder ihre Verwandten während der schrecklichen Entbehrungen durch den Zweiten Weltkrieg, von MCC ein Paar Schuhe erhalten haben. Viele Menschen in Südosteuropa würden Ihnen sagen, wie dankbar sie für die unentbehrliche Hilfe waren, die sie in den neunziger Jahren während der Kriege in der Balkanregion erhielten (Wir könnten den Tag damit verbringen, Listen für die andern Kontinente zu erstellen, für Afrika, wo Tausende von Schulbildung profitierten, für Lateinamerika, wo Gemeinschaften bei ihrer Rehabilitation unterstützt wurden, für Asien oder den Nahen Osten usw.).
Hier in Europa erstmals Hygiene-Kessel eingesetzt worden, als ganze Bevölkerungen aus ihren Dörfern in Bosnien, Kroatien oder Serbien fliehen mussten und vielen Flüchtlingen nötigste Hygieneartikel fehlten. Zusammen mit der Abteilung für Materialressourcen von MCC hatten wir dieses Kesselprojekt auf die Beine gestellt, das sich bis heute bewährt. Gemeinden hier in Europa und Nordamerika mobilisieren sich, um Grundbedürfnisse von völlig mittellosen Menschen, oft auf der Flucht, zu decken.

Vers 2: Wir hatten vorher in Philippi viel zu leiden und wurden misshandelt, wie ihr wisst; dennoch haben wir im Vertrauen auf unseren Gott das Evangelium Gottes trotz harter Kämpfe freimütig bei euch verkündet.

Wenn wir die Worte «an Philippi» durch «in Europa während und nach der Reformation und in Russland und der Sowjetunion» ersetzen, spiegelt dieser Vers die mennonitisch-täuferische Erfahrung wieder, deren humanitärer Ausdruck das MCC ist. Der Dienst, den MCC seit den 1920er Jahren leistet, wurde inspiriert durch die Verfolgung und Zerstreuung der Täufer im 16. und 17. Jahrhundert, sowie durch das Leiden der Mennoniten während der Hungersnot in Russland und der Ukraine und durch den Terror in der Sowjetunion. Aus diesen schmerzlichen Erfahrungen erwuchs unter anderem die Motivation und die Entschlossenheit, denen zu dienen, die heute leiden, unabhängig von ihrem politischen oder ideologischen Hintergrund und trotz politischer oder logistischer Widerwärtigkeiten.

Vers 3 – 6: Denn wir predigen nicht, um euch irrezuführen und nicht in unlauterer oder betrügerischer Absicht, 4 sondern wir tun es, weil Gott uns geprüft und uns das Evangelium anvertraut hat, nicht also um den Menschen, sondern um Gott zu gefallen, der unsere Herzen prüft. 5 Nie haben wir mit unseren Worten zu schmeicheln versucht, das wisst ihr, und nie haben wir aus versteckter Habgier gehandelt, dafür ist Gott Zeuge. 6 Wir haben auch keine Ehre bei den Menschen gesucht, weder bei euch noch bei anderen,

Was der Apostel sagt, gilt meiner Meinung nach auch für MCC. Ich erinnere mich an die andauernden Bemühungen innerhalb der Organisation, authentisch und ehrlich zu sein, Spektakel zu vermeiden, nicht der Versuchung der humanitären Pornographie zu erliegen, sich nicht beeindrucken zu lassen, weder von der Rhetorik des Staates noch von der seiner angeblichen Feinde. Man könnte die damaligen Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion nennen, oder die nach wie vor blockierte Situation im Nahen Osten, oder die Beziehungen zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften in Asien oder anderswo. Aber das würde unseren Rahmen und unseren Zeitplan sprengen.
Ich habe die Ausbreitung von NGOs in den 1990er Jahren miterlebt, und sie hat seitdem noch zugenommen. Ich muss sagen, dass Unaufrichtigkeit, dubiose Motive, Ruhm und Geld oder einfach Erfolg, im humanitären Zirkus um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert erschreckend ist. MCC ist sich und seinem Auftrag treu geblieben, und ich glaube, dass dies einem tief verwurzelten, starken und gleichzeitig offenen Glauben zu verdanken ist. Ich spreche absichtlich nicht von einer religiösen oder gar theologischen Grundlage. Gott prüft unsere Herzen, wie es in unserem Text heißt, jedoch kann Gott niemals in unsere religiösen oder theologischen Systeme eingeschlossen werden. Die Barmherzigkeit und Schönheit Gottes geht weit über unsere Ideen und Überzeugungen hinaus – und auch über unsere Institutionen, die ebenfalls vergänglich sind. Als ich Direktor in Europa war, pflegte Generaldirektor John A. Lapp zu sagen: «Wir wissen nicht, ob und wie MCC das 20. Jahrhundert überleben wird.”

Vers 7: obwohl wir als Apostel Christi unser Ansehen hätten geltend machen können. Im Gegenteil, wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt,

Ich glaube, dass MCC in angespannten Kontexten oder wo lokale Gemeinschaften westlichen Missionaren misstrauten, so gut aufgenommen wurde, weil es trotz imperialistischer Tendenzen der USA und des damit verbundenen Drucks nie versucht hat, ein bestimmtes Glaubensverständnis, eine bestimmte Weltanschauung oder einen bestimmten Lebensstil durchzusetzen. Darüber hinaus hat MCC bewusst davon abgesehen, Leute zu bekehren oder Gemeinden zu gründen. Ich weiß, dass dies nicht im Sinne von Manchen ist, aber das Ergebnis einer schlicht humanistischen und christlichen Präsenz des MCC in vielen Ländern zeigt, dass dies der richtige Weg ist. Ich nehme das Beispiel des Balkans, weil ich es in den 1990er Jahren erlebt habe: MCC wurde in den verschiedenen religiösen Kreisen dieses Pulverfasses des ehemaligen Jugoslawiens akzeptiert und respektiert, weil sie nicht kamen, um zu evangelisieren, sondern um zu dienen, wo die lokalen Gemeinschaften ein Bedürfnis verspürten und diese Präsenz ausdrücklich wünschten. Wer das Programm bestimmt, macht eben einen Unterschied. Innerhalb des MCC, zumindest während meiner Zeit, hiess es: «Wir richten uns nach den Signalen der Partner vor Ort».
Den Freiwilligen wurde jeweils während einem 2-wöchigen Seminar vor ihrer Ausreise zwei wichtige Dinge klar gemacht:

  1. Wenn wir ankommen, wird Gott bereits dort sein. Wir dürfen uns nicht einbilden, dass wir diejenigen sind, die Gott zu diesen armen Menschen bringen. Gott ist schon lange vor uns unter ihnen gewesen.
  2. Wir gehen nicht dorthin, um die richtige Lebensweise einzuführen, sondern um den Interessen der dortigen Gemeinschaften zu dienen und von ihnen zu lernen. Was wir von unseren Partnern erhalten, ist genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als das, was wir ihnen bringen.

Vers 8: so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden.

In dem Masse, wie die Erfahrung des Leidens im Laufe der Geschichte die Pioniere von MCC inspiriert und motiviert hat, zieht sich die Barmherzigkeit Gottes für jeden Menschen und jede Gemeinschaft, unabhängig von Identität, Geschlecht, Orientierung oder Religion, wie ein roter Faden durch die Arbeit von MCC; insbesondere dort, wo die Not am größten ist. Ich war immer wieder beeindruckt von der Liebe und Zärtlichkeit meiner MCC-Kolleginnen und Kollegen für die Menschen und Gemeinschaften, wo sie tätig waren. Obwohl das MCC seine Mitarbeiter finanziell und materiell unterstützt, geben sie dennoch einen guten Teil ihres Lebens und ihrer Karriere, denn sie verpflichten sich, die örtliche Sprache zu lernen und mindestens drei Jahre lang zu dienen, wobei sie einige Risiken eingehen. Und ja, einige wenige haben ihr Leben dabei gelassen.

Ein dritter biblischer Hinweis, auf den ich hier anspielen möchte, ist das Ende von Psalm 85, welcher von der freundschaftlichen und innigen Begegnung zwischen Barmherzigkeit und Wahrheit, und zwischen Gerechtigkeit und Frieden spricht. John Paul Lederach, der in der ganzen Welt für seine Pionierarbeit in der Konfliktbearbeitung und Friedensförderung bekannt ist, sagt, dass die intime Begegnung dieser vier Qualitäten des Reiches Gottes der Ort ist, an dem Versöhnung stattfinden kann. Wo Barmherzigkeit und Wahrheit (die sich oft gegenseitig auszuschließen scheinen) einander umarmen, und wo Gerechtigkeit und Frieden (man hört z.B., dass es im Nahen Osten Eines oder das Andere ist, aber nicht beides) einander küssen, ist Versöhnung bereits aim Gang und kann ihren Weg gehen, so lange es auch dauern mag.

Ron Byler, MCC-Direktor, der vor zehn Tagen in den Ruhestand ging, zitierte in seiner Ansprache bei der Online-Feier zum hundertjährigen Bestehen von MCC aus 2. Korinther 5,18, in dem vom Dienst der Versöhnung die Rede ist. Dieser Dienst ist denen anvertraut, die sich auf Christus berufen. MCC ist bekannt für seinen Dienst im Namen Christi als Antwort auf menschliche Bedürfnisse. Seit seiner Gründung im Jahr 1920 hat MCC Menschen und Gemeinschaften in Not erreicht: “Meeting human need in the name of Christ” hiess das Motto – Auf menschliche Bedürfnisse im Namen Christi antworten. Dieser Satz prägte mich, bevor ich wirklich Englisch sprach. Gewiss: nicht alle Probleme werden gelöst werden, Ungerechtigkeit und Schmerz nicht ausgelöscht, die Folgen des Krieges nicht rückgängig gemacht. Jedoch geht es um einen Dienst der Versöhnung, zwischen Einzelpersonen und Gemeinschaften oder Völkern, aber auch zwischen Opfern und ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Jesus ist ein von Gott geschaffener Mensch – Fleisch und Blut. Christ sein bedeutet daher, den Menschen wert zu schätzen und ihm seine unantastbare Würde zu lassen, denn er trägt den Funken des Göttlichen in sich.
Heute, unter dem Druck des Covid, ist die Rettung der Wirtschaft in aller Munde. Einige sagen, dass wir das jüdisch-christliche Erbe retten müssen. Aber es ist weder die Wirtschaft, die gerettet werden muss, noch ein kulturelles oder religiöses Erbe, noch eine Nation, noch eine Republik. Heute, wie zu biblischen Zeiten, und wie anno 1920, ist es der Mensch und seine Würde, die gerettet werden müssen. Nun lebt der Mensch nicht vom Brot allein, wie Jesus sagte. Das bedeutet, dass der Mensch nicht in erster Linie ein wirtschaftliches, sondern ein soziales Wesen ist. Das ist es, was Jesus manifestiert hatte. Was ist sozial? Es geht um Beziehungen und der Ursprung der Beziehung ist die Liebe.
Anlässlich des 75-jährigen Bestehens von MCC im Jahr 1995 wurde einigen Menschen irgendwo auf der Welt folgende Frage gestellt: Was sind deine tiefsten Sehnsüchte, Träume und Hoffnungen? Die Antworten mit schwarz-weiss Fotos befinden sich in einem schönen Buch. Eine Person antwortete: “Ein dichtes Dach und eine Kuh». – Also ja, Essen für die Hungrigen, ein Dach für die Obdachlosen, ein Papier für die Papierlosen, Freiheit für die Gefangenen Darum geht es bei der Mission des MCC – und das ist die Mission von uns allen – in unserer zerbrochenen Welt: die Menschlichkeit wertschätzen, die Würde respektieren und wiederherstellen, Nahrung geben, jemanden besuchen und mit unserer Anwesenheit würdigen, Gemeinschaften aufbauen, Beziehungen erleichtern. Dieses alles in Demut, denn niemand ist allein Träger der Wahrheit, niemand ist allein Erbe der Barmherzigkeit, niemand hat die alleinige Vertretung der göttlichen Liebe. Wir alle sind Geschöpfe unter der Gnade Gottes.

Hundert Jahre MCC – Gottesdienst und Beiträge

Dies Jahr feiert MCC (Mennonite Central Committee), das Hilfswerk (Nothilfe, Entwicklung, Frieden) der nordamerikanischen Mennontiten, seinen hundertsten Geburtstag. Damit ist MCC eines der ältesten Hilfswerke. Weltweit sind mehrere hundert Freiwillige im Einsatz, welche die Landersprache lernten und sich für mindestens 3 Jahre verpflichtet haben. MCC ist in rund 60 Ländern präsent und arbeitet jeweils mit lokalen Einrichtungen zusammen.

Für den Sonntag, 8. November, war im Les Mottes eine gemeinsame Feier – Sonnenberg und La Chaux-d’Abel – zum 100. Geburtstag von MCC geplant. MCC-Verantwortliche, ehemalige Freiwillige und Gäste waren eingeladen. Da diese Feier nun nicht stattfinden kann, steht hier der Gottesdienst zur Hundertjahrfeier von MCC auf dem Geisberg (F) am 1. November zur Verfügung. Der Anlass fand statt in französisch mit englischsprachigen Beiträgen, welche auf Fliesstext französisch/deutsch eingeblendet wurden. Es stehen hier sowohl der ganze Anlass von 1h40 zur Verfügung, wie auch die einzelnen Redebeiträge, jeweils mit deutschem Fliesstext.

Ganzer Gottesdienst auf dem Geisberg (1h40)

Ron Byler, Direktor MCC US 5’00’’ Untertitel FR/DE
Tom Wenger, Leiter MCC Materialzentrum 5’50’’ FR/DE
James and Linda Wheeler, MCC Direktoren Europa-Nahost 2’50’’ FR/DE
Jean Hege : MCC Geschichte in Frankreich 16’20’’ DE
Überblick Europa Büro (Hansuli Gerber) 6’15’’ DE
Predigt zu 1. Thess. 2, 1-8 (Hansuli Gerber) 17’ DE

Hier die Predigt als Text zum Lesen

Mit den Händen beten

Predigt zum 1. November 2020 von Hans Oppliger

Liebe Gemeine, liebe Freunde

Für heute habe ich mir ein paar Gedanken zu unseren Händen gemacht.

Wir haben ja das Thema Gebet.

Beim Beten spielen die Gedanken, die Worte, aber auch die Gestik, und dazu gehören unsere Hände, eine Rolle.

Beim letzten ökumenischen Gottesdienst in Le Noirmont habe ich meine Hände betrachtet, sie gefaltet und bemerkt, dass man sie so falten und anders falten kann.
Eigentlich ging es bei diesem Gottesdienst gar nicht um die Hände, sondern eher um die Schöpfung, und dass wir zu ihr Sorge tragen sollen.

Doch irgendwie kreisten meine Gedanken um meine Hände.
Ich wusste, für die Andacht vom 1. November werde ich dieses Thema nehmen.

Ich habe meine Hände gefaltet, anschliessend habe ich sie andersrum gefaltet, und ich habe sie ganz neu gespürt.
Es war, als ob ich nicht meine eigenen Hände gefaltet hätte, sondern, es war als ob ich jemanden anderem seine Hand gespürt hätte.

Jemand anderem seine Hand gehalten hätte.
Auch wenn ich alleine an meinem Platz gesessen bin.
Ich konnte also für jemanden beten und ihm gleichzeitig auch noch die Hand halten und das alles ganz Corona konform.

Wäre das nicht etwas schönes, wenn wir ab und zu, beim Beten nicht nur für jemanden anderes beten würden, sondern das auch fühlen würden: Jetzt halte ich die Hand von jemand anderem?

Beim Beten spielen die Gedanken, Worte, aber auch die Gestik, und dazu gehören unsere Hände, eine Rolle.

Wir können mit der Gestik erwartend, aber auch anbetend beten. (Hände in die Höhe halten)
Wir können mit der Gestik auch demütig und konzentriert beten. (Hände in den Schoss legen)

Wir können aber auch ganz ohne spezielle äussere Gestik, bei der Arbeit, in der Freizeit oder beim Ruhen beten.

Wir dürfen unsere Hände, und um diese geht es mir jetzt, beim Beten so halten, dass wir uns wohl fühlen und wie es unserer momentanen inneren Gefühlslage entspricht.

Manchmal bete ich aus Routine, vor dem Mittagessen und weiss kurze Zeit später gar nicht mehr, ob ich vorhin schon gebetet habe.

Manchmal schlafe ich beim Beten ein.

Bete ich auch für andere, und nicht nur für mich und mein Umfeld?

Bete ich überhaupt noch?

Bete ich, wenn ich denn bete, als Linkshänder oder als Rechtshänder?

Wenn ich auf Google «Betende Hände» eingebe, so kommt natürlich das Gemälde von Albrecht Dürer Betende Hände zum Vorschein.


Dieses Bild mag ein Kunstwerk sein, ist mir aber etwas fremd, da ich eigentlich nie mit offenen geeinten Händen bete.
Eine solche Händeposition erzeugt bei mir eine Spannung in den Fingern, welche ich als unangenehm empfinde. Es entspricht auch nicht meiner Gewohnheit.
Viel näher kommt mir das Bild von Otto Greiner:


Hier sind wirklich gefaltete Hände zu sehen.

Wenn ich von gefalteten Händen spreche, so kommt mir unweigerlich meine Einleitung in der Kapelle vom 2. Februar 2020 in den Sinn.

Damals habe ich von einem Text aus einem Liedervers gesprochen.

Lied Nr 1 aus unserem Gesangbuch: Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten.

Gefaltete Hände, drücken von mir aus gesehen genau eine solche Haltung aus.

Besonders ein Wort aus Vers 6 von diesem Lied hatte ich damals speziell erwähnt. Ja die Kinder durften anschliessend sogar noch eine kleine Bastelarbeit zu diesem Wort aus Vers 6 machen: Ein Blatt falten.
Dieses Wort beschreibt den Charakter, den wir uns aneignen sollten. Es heisst: Mache mich einfältig.
Ich meine einfältig nicht im Sinne von blauäugig oder geistig etwas beschränkt.

Nein, ich meine einfältig im Sinne von einfach, schlicht, aufrichtig. Genauso wie ein Blatt Papier, wenn es einmal gefaltet wird, eine klare Linie besitzt.

Das war anfangs Februar von diesem Jahr gewesen.
Also kurz vor der Zeit, wo Händeschütteln noch normal waren bei uns.

Mache mich einfältig.

Heute 9 Monate später, gefällt mir dieses Lied Nr. 1 immer noch.
Lies es doch jetzt gleich mal!
Speziell erwähnen möchte ich ein Wort aus Strophe 7: Herr, komm in mir wohnen…

Wohnen, Zuhause bleiben, home office, bekommt in dieser Zeit ein neues Gewicht.
Keine Hände schütteln auch.

Doch Zuhause die eigenen Hände falten darf man.
Ich lade Dich ein, beim Beten, immer wenn du für jemand betest und deine Hände faltest, so falte sie doch nicht wie gewohnt.
Falte sie um einen Finger verschoben.

So fühlst Du ganz konkret, in deiner Hand, die etwas fremdere Hand, für die Du jetzt betest.

Amen

Sonntag, 25. Oktober 2020 – Vertauen

Predigt von Ute Schneider Boegli

Ich freue mich, heute Morgen bei Euch im Chaux d’Abel zu sein ……. Ja, so wollte ich meine Predigt eigentlich beginnen; doch seit gestern wissen wir, dass es im Moment nicht möglich ist, uns auf diese Art zu sehen. Ihr erhaltet die Predigt schriftlich, könnt es Euch zuhause gemütlich machen, Musik hören und Kaffee trinken, während Ihr sie lest,… oder auch nicht. Ich grüsse Euch alle herzlich, und falls Ihr mir ein feed-back geben wollt, dann könnt Ihr dies gerne per Mail machen. (Anm. der Redaktion: Es ist auch möglich, ganz unten auf dieser Seite einen Kommentar zu hinterlassen.)


Ich wünsche Euch einen gesegneten Sonntag in Gottes Gegenwart; das Licht und die Liebe Jesu Christi möge Euch umgeben und sein Geist Euch erfüllen.
Für die Predigt von heute habe ich einen Text aus dem Matthäus-Evangelium ausgewählt, eine uns sehr bekannte Geschichte; Matthäus 8, 23-27 – Jesus stillt den Sturm.
Wir finden dieselbe Erzählung auch im Markus- und Lukas-Evangelium – bis auf ein paar Details wird uns dort dieselbe Episode geschildert. (Matth. 8, 23 – 27 / Mk. 4, 35 ff. / Luk. 8, 22 ff.)
Eine bekannte Erzählung, viele von uns haben sie bereits in der Sonntagsschule gehört. Eine beeindruckende Geschichte, und Ihr habt sicher schon viele verschiedene Bilder gesehen, die diesen Sturm veranschaulichen: das kleine Boot mit den Jüngern in den riesigen Wellen – und Jesus, der friedlich schläft.
Die Bilder der Kinderbibel (aus meiner Kindheit) sind für mich sehr präsent, wenn ich diesen Text lese, und ich denke, dass auch Euch Bilder in den Sinn kommen, wenn Ihr den Text hört.
Ich lese Matthäus 8, Verse 23-27: 23 aus der neuen Genfer Übersetzung


23 Daraufhin stieg Jesus in das Boot; seine Jünger folgten ihm, und sie fuhren los. 24 Plötzlich brach auf dem See ein heftiger Sturm los, sodass das Boot fast von den Wellen begraben wurde. Jesus aber schlief. 25 Die Jünger stürzten zu ihm und weckten ihn. »Herr«, schrien sie, »rette uns, wir sind verloren!« 26 Aber Jesus sagte zu ihnen: »Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?« Dann stand er auf und wies den Wind und die Wellen in ihre Schranken. Da trat eine große Stille ein. 27 Die Leute aber fragten voller Staunen: »Wer ist das, dass ihm sogar Wind und Wellen gehorchen?« (Neue Genfer Übersetzung)

Wenn wir die Texte vor diesem Abschnitt lesen, stellen wir fest, dass das Wirken Jesu in vollem Gange ist. Er vollbringt Wunder, heilt Kranke, lehrt seine Jünger und die Menschenmenge; er begegnet vielen Menschen; selten ist er allein und hat Ruhe; unermüdlich setzt er seinen Dienst fort und hört allen zu, ist für alle da.
Vers 18: Als Jesus sich von einer großen Menschenmenge umgeben sah, befahl er seinen Jüngern, auf die andere Seite des Sees hinüberzufahren. Fast scheint es uns, als wolle Jesus eine Pause, einen Moment der Ruhe, der Erholung; auf den See hinausfahren, weit weg von der Hektik des Alltags und den vielen Menschen.
Der Evangelist Lukas erzählt uns, dass ihm noch andere Boote folgten; die Menge kam also auch wieder mit, folgte ihm sogar auf den See und ließ ihn nicht ganz los.
Ich denke, wir müssen uns einen sehr großen See vorstellen, der bei der Abfahrt ruhig ist; und wir müssen wissen, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die sich mit Navigation (Schifffahrt) auskennen. Unter seinen Jüngern hatte Jesus Männer ausgewählt, die vom Fischfang lebten, die ihr Leben auf dem See verbrachten und gute Kenntnisse über Wetter, See und Schifffahrt hatten. Der aufkommende Sturm war sicher nicht vorhersehbar, und er war heftig. Der Originaltext verwendet das griechische Wort «seismos», was uns zum französischen Wort «séisme» führt. Ein durch ein Erdbeben ausgelöster Sturm, ein Seebeben, mit riesigen Wellen.
Wir erinnern uns alle noch an das Seebeben, den Tsunami im Indischen Ozean im Dezember 2004, der Inseln in Indonesien verwüstete; oder jenes im März 2011 an der japanischen Küste, das das Atomkraftwerk in Fukushima zerstörte; Naturkatastrophen, die den Tod Tausender Menschen verursachten. Dank der heutigen, fortschrittlichen Technologie sind Erd- und Seebeben besser vorhersehbar, aber in Wirklichkeit zeigen uns die Ereignisse von 2004 und 2011, dass die Vorhersagbarkeit relativ bleibt.
Die Jünger werden also mit einem unvorhersehbaren Sturm großen Ausmaßes konfrontiert. – Jesus liegt müde am Boden des Bootes und schläft. Der plötzliche Sturm weckt ihn nicht auf, die Wellen und die Aufregung der Jünger stören seine Ruhe nicht, er schläft.
Wir kennen den Ausdruck: «Den Schlaf des Gerechten schlafen», der wohl von dieser Bibelstelle abgeleitet wurde. Gerechtigkeit, Frieden, ein reines Gewissen haben, sind wünschenswerte Voraussetzungen, damit wir gut schlafen können. Der Schlaf Jesu zeigt neben seiner großen Müdigkeit auch eine unglaubliche Ruhe, ein Vertrauen, das über unser Verständnis hinausgeht. Dies weist uns darauf hin, dass er, Jesus, der Sohn Gottes ist und einziger Gerechter! Es veranschaulicht uns den Ausdruck auf wunderbare Weise: mitten im Sturm schläft Jesus den Schlaf des Gerechten. > welch ein Gegensatz zu dem Sturm, der ausbricht und die Jünger in Panik versetzt, erschreckt, und ihnen grosse Angst macht.
Als die Jünger sich schließlich durchringen Jesus aufzuwecken, bleibt Jesus trotz der Todesgefahr ruhig und regt sich nicht auf. Und bevor er den Sturm still, stellt Jesus diese Frage, die auch uns heute herausfordert:
«Warum habt ihr Angst, ihr Kleingläubigen? «(Matthäus)
«Wo ist Euer Glaube? «(Lukas);
«Wie habt Ihr keinen Glauben? «(Markus);

Was für eine Frage!
Die Jünger, immer noch zitternd und mit der Angst im Bauch, konfrontiert Jesus mit ihrer Angst. Warum so viel Angst, warum jegliches Vertrauen verlieren, warum die Panik die Oberhand gewinnen lassen?
Und ich stelle mir diese Frage, ich stelle uns diese Frage: Warum haben wir Angst im Leben? Wie gehen wir mit unseren Ängsten und Befürchtungen um? Wo ist unser Vertrauen, unser Glaube?
Der Sturm des Coronavirus, den wir zurzeit neu in einer enormen Intensität erleben, macht uns Angst. Und Jesus spricht auch hier zu uns: Warum habt ihr Angst, wo ist euer Glaube? Wir dürfen ihm antworten mit ihm zu sprechen, ihm unsere Ängste mitzuteilen, sie bei ihm ablegen, deponieren; denn er hört mich, er hört uns. Mit seiner Frage spricht mich Jesus auf meine Beziehung zu ihm an, Beziehung zu seinem Vater und seinem Geist; er ermutigt mich, mich in diese Beziehung zu investieren, an meinem Glauben und Vertrauen zu arbeiten, bauen, die Beziehung zu ihm zu vertiefen.
Mitten im Sturm auf dem See fragte Jesus die Jünger: «Warum seid ihr so ängstlich, ihr Kleingläubigen? Und danach spricht Jesus zu dem Sturm: «Dann stand er auf, drohte den Winden und dem See und es trat völlige Stille ein. » Die Ruhe und Gelassenheit Jesu überträgt sich auf seine Umgebung, sogar auf den Sturm.
Nachdem die Ruhe auf dem See eingekehrt ist, haben die Jünger wahrscheinlich Zeit, um über die Worte Jesu nachzudenken: «Warum habt ihr Angst?» Warum habe ich Angst? So wie für die Jünger, ist es auch für uns oft schwierig, mit unseren Ängsten umzugehen. Jesus zeigt uns hier, dass der Glaube die Voraussetzung ist, um der Sturmsituation zu begegnen und sie zu überstehen; im Glauben, im Vertrauen auf Gott, finden wir die Antwort darauf, wie wir mit unseren Ängsten leben können, wie wir Schwierigkeiten überwinden können, selbst die beunruhigendsten Situationen.

Vertrauen und unser Glaube an Gott und seinen Sohn sind die Fundamente, auf die wir uns stützen und aus denen wir unsere Kraft schöpfen. Verankert sein, verwurzelt sein im Glauben – dies sind Worte die vielleicht veraltet klingen, und doch sind es schöne Bilder, die mich sehr ansprechen und Mut machen.
Wir sprechen oft davon, Vertrauen aufzubauen, unseren Glauben zu vertiefen und wachsen zu lassen. In der Tat denke ich, dass dies eine tägliche und wichtige «Übung» ist, ein Schritt oder der wesentliche Schritt für unser Leben als Christen: unsere Beziehung zu Gott und Christus pflegen, mit Jesus durchs Leben gehen, mit ihm durch die «Stürme» unseres Lebens gehen, uns ihm anvertrauen, loslassen und vertrauen. Eine «Übung» für Zeiten im Sonnenschein, für das Regenwetter bis hin zum grossen Gewitter, die uns hilft- so hoffe ich – auch in den anderen Stürmen unseres Lebens und im Sturm des Coronavirus, den wir jetzt gerade erleben. Ich sage absichtlich «Übung», denn wenn wir üben und lernen in Zeiten des Wohlergehens, in Momenten mit kleinen Unsicherheiten und Sorgen, uns Gott und Jesus anzuvertrauen, dann können wir dies (hoffentlich) auch etwas leichter, wenn die Sorgen und Ängste grösser und bedrohlicher werden.
Zum Leben gehören, neben dem schönen Wetter und Sonnenschein, auch Stürme. Manchmal ist es ein Gewitter, manchmal ein Wirbelsturm, manchmal ein Tornado; Stürme, die in Intensität und Dauer mehr oder weniger ausgeprägt sind, Stürme, die vorhersehbar und unvorhersehbar sind. Das ist das Leben, auch für uns, die wir Jesus in unserem Boot haben.
Es wäre unrealistisch und falsch zu glauben, dass unser Glaube uns vor Stürmen bewahrt; und ich finde es wichtig, dass wir uns bewusst sind, dass Stürme auch Teil des Lebens eines Christen sind; manchmal sogar riesige Stürme, die unser Leben gefährden – es ist sehr beruhigend zu sehen, dass das Aufkommen des Sturms auf dem See, nichts mit dem Glauben der Jünger zu tun hat; Jesus sagt ihnen nicht, dass ihr «kleiner» oder «wenig» Glaube der Grund für den Sturm ist; davon ist nicht die Rede. Und das bedeutet auch für uns, dass unsere Stürme, Krankheiten, Unglücke und Schwierigkeiten, unseren Glauben nicht in Frage stellen! Ich finde es sehr wichtig, dies zu verstehen: diese Dinge geschehe in unserem Leben nicht, weil uns der Glaube fehlt; nein, Stürme sind Teil des Lebens, und die Frage ist, wie wir sie durchstehen/überstehen.
Vermeiden wir, in die Falle des «Warum» zu trappen; diese führt schnell zu einem Urteil. Konzentrieren wir uns auf das «Wie» und «Wo», das uns weiterkommen lässt: wie die Schwierigkeiten überwinden, wie schaffe ich es vorwärtszugehen, wie schaffe ich es meinen Glauben nicht zu verlieren; wo bekomme ich Hilfe. Das Schlüsselwort ist: Vertrauen! Meine Beziehung zu Gott, das Vertrauen in ihn, das Beispiel Jesu, ist das «Wie und Wo», wie wir die Stürme in unserem Leben überstehen können.
Der Text beruhigt mich in meinem Glauben – klein oder groß, wenig oder viel, Jesus ist mit mir in meinem Boot, in meinem Leben. Stürme werden kommen und gehen, und es wird immer wieder neue geben; Jesus macht mir Mut, mein Vertrauen in ihn zu bewahren und mit ihm durch den Sturm zu gehen. Ich darf ihn bitten, mir zu helfen, ich darf ihn rufen, um den Sturm zu beruhigen; und vergessen wir nicht: Jesus bleibt mit im Boot, auch während des Sturms; er lässt uns nicht alleine; seine Ruhe und Gelassenheit dürfen sich auf uns übertragen.
Eigentlich wollte Rose heute Morgen den Ps. 119, Vers 129-136 lesen. In dieser Lesung finden wir Worte, die uns vielleicht helfen den Weg zu Gott, die Beziehung zu Gott zu vertiefen. Immer wieder führen die Psalmen mir vor Augen, wir hilfreich es ist – vor allem in schwierigen Situationen und Lebensphasen – diese Texte zu lesen, zu beten, und die Worte wirken zu lassen. Gerade dann, wenn ich meine, im Sturm zu versinken, wenn ich keine eigenen Worte mehr finde, dann helfen mir die Worte der Psalmen, mich an Gott zu wenden. Den 23. Psalm auswendig zu können ist mir zum Beispiel eine grosse Hilfe, wenn’s «brennt». Der Psalmbeter vom Ps 119 setzt bei den Geboten, Zeugnissen, Weisungen, dem Gesetz Jawes an und geht in seiner Suche nach Gottes Nähe mutig voran. Er sucht Erleuchtung und Gottes Gerechtigkeit, bittet Gott um seine Gnade; «lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht» > schau mich an, nimm mich wahr und schenk mir Geborgenheit bei Dir.
In meinen persönlichen Stürmen, wenn die Wellen grösser sind als all meine Worte, dann kann ich mich an Gottes Taten, Weisungen und Geboten orientieren, dann helfen mir die Worte von Jesu, wieder Boden unter die Füsse zu bekommen, machen mir Mut und zeigen mir, dass ich nicht alleine bin, denn Jesus ist mit in meinem Boot.
Der Text von Matthäus endet mit der Frage: Wer ist dieser Mann (Jesus), dem selbst Wind und Meer gehorchen? Etwas überraschend ist, dass die Jünger, die ihre Tage mit Jesus verbringen, die ihn hautnah erleben, die seine Lehren hören und die Wunder sehen, dass selbst sie sich über «diesen Mann» wundern, «dem sogar Wind und Meer gehorchen» .
Die Frage der Jünger fordert uns immer wieder neu heraus, auch heute noch. «Wer ist dieser Mann? «Eine gute Frage, die es wert ist, vertieft zu werden; wir wollen sie mitnehmen, darüber nachdenken, meditieren und beten. Eine Frage für jeden von uns. Eine Frage, die sich nie erschöpft, die es uns aber erlaubt, auf dem Weg unseres Glaubens, in unserer Beziehung zu Gott, voranzukommen. Wer ist Jesus für uns, welchen Platz hat er in unserem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben? Für diese jetzigen Zeiten, in denen wir weiter auf Distanz zueinander gehalten werden, überlasse ich uns die Frage, nehmt sie mit in den heutigen Tag, in die kommenden Woche, in Euer Leben: «Wer ist Jesus für mich, für Dich?» Amen.


Gebet: Wir danken Dir, Herr, für deine Gegenwart in Zeiten von Sonnenschein, sowie bei Regen und Sturm. Wir danken Dir, dass Du heute an unserer Seite bist. Wir vertrauen uns in Deine Hände und bitten Dich, begegne uns da wo wir sind; begleite und führe uns durch die verschiedenen Zeiten die wir im Leben erleben. Stürme sind Teil unseres Lebens, und der Sturm des Coronavirus, den wir zurzeit erleben, macht uns Sorgen, aber Du bist mit in unserem Boot, und wir wollen mit Dir zuversichtlich vorwärts gehen. Wir wollen unseren Blick immer wieder neu auf Dich ausrichten, Du zeigst uns den Weg, den Weg zu Dir in Deine Herrlichkeit.
Gib uns Nahrung für unseren Glauben, ebenso trage Du auch Sorge zu unseren körperlichen und materiellen Bedürfnissen.
Wir bitten Dich für unsere Mitmenschen, die Schweres durchmachen; für die Kranken und Betagten, für die Trauernden; wir bitten Dich für die Menschen die unter Spannungen, Ungerechtigkeit und Krieg leiden, – begegne Ihnen, tröste und begleite sie, richte sie auf; lass ihr Vertrauen zu Dir wachsen und Früchte tragen.
Und ich bitte Dich für unsere Gemeinden: lass deinen Geist wehen und wirken. Segne unsere Gemeinden mit Deiner Gegenwart.
Wir beten im Namen Jesu Christus, Deines Sohnes, Amen.

Sonntag, 21. Juni 2020 – Flüchtlingssonntag

Der jährliche Flüchtlingssonntag ist für Kirchen und Gemeinden jeder Konfession Anlass, sich die Realität der Flüchtlinge zu vergegenwärtigen und zu fragen, was zu tun sei. Es gibt weltweit rund 70 Millionen Flüchtlinge.

In der täuferisch-mennonitischen Gottesdienst-Agenda lautet das Thema zum heutigen Sonntag: «Ihr seid wertvoller als Spatzen.» Dieses Jesus-Wort gilt ohne Zweifel auch den Flüchtlingen. Doch was sie weltweit erfahren, scheint oft das Gegenteil zu beweisen. Sie sind unerwünscht, abgewiesen, vernachlässigt, verachtet, verdächtigt, verarmt und ohne Perspektive. Viele fallen in dieser von Corona besetzten Zeit in tiefe Depression.

Das Dossier «Flüchtlinge in der Schweiz» gibt Einblick in die Situation bei uns.

Der Aufruf der drei Landeskirchen und der jüdischen Gemeinschaft zum Flüchtlingssonntag / Flüchtlingsschabbat, 20./21. Juni 2020 ist hier zu sehen.

Dreifaltigkeit – Geheimnis der Schönheit

Predigt von Hansuli Gerber zum 1. Sonntag nach Trinitatis – 14. Juni 2020

Einführung
Aller guten Dinge sind drei – wer kennt das Sprichwort nicht?
Für Pessimisten gibt es ein Pendant: Zwei Unglücke bringen leicht noch ein drittes.
In der Erziehung der Kinder wird von vielen Eltern bei Ungehorsam die Formel gebraucht: ich zähle auf 3, oder sie fangen einfach an zu zählen: Eins-zwei-drei.
In der Lehre der Rhetorik heisst es, eine gute und einprägsame Rede sei mit drei Hauptpunkten konstruiert. – (Diese Predigt hält sich nicht daran)
Wir können leicht drei Dinge behalten, danach wird’s schwieriger…
Drei Standbeine verleihen einem Schemel oder Stuhl eine gute Stabilität, egal ob alle Beine die gleiche Länge haben.
Die Zahl 3 hat’s offenbar in sich. Sie bringt Orientierung und auch Stabilität. Doch als Symbol trägt sie auch ein gutes Stück Geheimnis, etwas, das man nicht dingfest machen kann. Sie öffnet Spielraum und weist auf etwas grösseres hin, das vielleicht weitgehend unbekannt ist, oder das sich uns und unserem Erklärungsdrang entzieht.

Trinität – Dreifaltigkeit
Der heutige Sonntag ist laut Kirchenkalender der erste Sonntag nach “Trinitatis” – Gott ist drei in Einem. Die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes – Vater, Sohn, Heiliger Geist – ist bis heute Teil der theologischen Grundlagen des christlichen Glaubens. Wer den kirchlichen Unterricht besucht hat oder regelmässig zum Gottesdienst geht, weiss das. Es ist gut, wenn wir uns zur Dreieinigkeit gelegentlich Gedanken machen. Zumal wir Alttäufer keiner klar liturgischen Tradition angehören, wo jeden Sonntag mehrmals auf die Dreieinigkeit Bezug genommen wird.
Bekanntlich gibt es drei monotheistische Religionen: Judentum, Christentum, Islam. Ein einziger Gott, wie Deuteronomium 6,4 feststellt. (und ja, es ist derselbe Gott, der Gott Abrahams, entgegen allen Behauptungen, die Muslims hätten einen andern Gott) Alle diese drei Religionen haben sehr viel Blut an den Händen – am meisten klar die christliche. Im Laufe ihrer Geschichte wurden immer wieder grausame Verfolgungen und Kriege angezettelt, und bis auf den heutigen Tag wird brutalste Gewalt mit religiösen Symbolen und Traditionen gerechtfertigt. So wird seit langem heftig darüber gestritten, ob der Monotheismus die Gewaltbereitschaft fördere. Wenn es nur einen einzigen Gott gibt, dann ist es naheliegend, dass diejenigen die an ihn glauben, Andere, nicht-Gläubige oder Andersgläubige (oder Andersfarbige) verfolgen. Es ist ähnlich wie mit dem Nationalismus, der ja auch Ausschliesslichkeit beansprucht.
Das ist ein wichtiger Grund, aber nicht nicht der einzige, weshalb die Trinitätslehre, die Idee also der Dreieinigkeit Gottes, ihren Sinn hat. Gott ist Einer, aber zugleich mehrere. Gott, das sind laut Trinitätslehre mindestens drei, und das ist in gut deutsch schon eine Gruppe (Reinhard Mey sang in seinem Lied Bevor ich mit den Wölfen heule: “mehr als zwei sind eine Gruppe”).
Die Trinität wird zwar als Dogma oder Lehre bezeichnet, aber sie ist eigentlich eher ein sprachliches Abkommen. Dies hilft uns auf die Spur, angemessener von Gott reden zu können. Sämtliche christliche Kirchen haben dieses Abkommen aus dem Ende des 4. Jahrhunderts nach Christus adoptiert.
In Deuteronomium 6:4 steht „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig” Das bedeutet hier so gut wie Einer, was damals wichtig war, denn üblich waren eine Vielzahl von Ortsgöttern, die entsprechend je an einen Ort gebunden waren. Jahwe ist Einzig und ist überall, wo wir hingehen. Zugleich muss man festhalten, dass in der zweiten Haupttradition der alttestamentlichen Schriften Elohim in der Mehrzahl steht.
Paulus benutzt in 2 Korinther 13,13 eine Art trinitarische Formel: “Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.» (Lied 242)
Im sogenannten “Missionsbefehl” bei Matthäus kommt eine trintiarische Formel vor (28:19): “Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes, und des heiligen Geistes”.
In der Bibel kommt kommt die Dreieinigkeit aber nicht ausdrücklich vor und Jesus spricht nicht davon. Dennoch ist die Formel als kirchliche Abmachung sinnvoll und hilfreich, wenn auch nicht ausschöpfend: Sie kann vor allzu grober Vereinfachung bewahren und ist gewissermassen eine Sicherung gegen Gewaltbereitschaft.

Geheimnis
Doch wichtiger als das lehrmässige Schema der drei Personen oder Gestalten, welche die göttliche Einheit bilden, ist das Geheimnis darüber, wer und was Gott ist. Gott kann zwar erlebt und bezeugt werden, aber Gott bleibt letztendlich unfassbar. Man kann Gott nicht in ein Schema drängen, genau so wenig wie man Gott auf einen Nenner bringen kann oder auf einen einzigen Namen festlegen soll. Nicht umsonst gilt im Judentum die Unaussprechlichkeit des Namens Gottes. Mir scheint, dass unter manchen Christen allzu leicht und auch allzu oft von Gott geredet wird. Als wisse man so gut Bescheid wie über sein Haustier, als hätte man Gott im Hosensack, oder als wisse man, was Gott wann und wo getan hat, und warum.
Das deutlichste und nachhaltigste Zeugnis darüber, wer Gott ist, hat Jesus von Nazareth in die Welt gebracht. Er hat allerdings mehr über die Menschen und die Welt geredet als über Gott – den er dennoch seinen Vater nannte und in dessen Auftrag er sich wusste. Also nochmal: Gott lässt sich nicht auf einen Nenner bringen – es sei denn Jesus Christus. Doch der hat, soviel wir wissen, vor mehr als 2000 Jahren gelebt und ist nicht leibhaftig unter uns. Wer Gott im Alltag ist, bleibt weitgehend Geheimnis. Es ist angebracht, vorsichtig über Gott zu reden und seinen Namen nicht mir-nüt, dir-nüt zu nennen. Wo Gott instrumentalisiert wird, wird Gott zum Götzen gemacht.

Gerne zitiere ich den Berner Pfarrer und Dichter Kurt Marti:
Wenn Gott zum Götzen verzerrt wird, muss man sich diesem verweigern.
Wo Gott zum Tyrannen gemacht wird, müssen wir diesen stürzen.

Göttliche Vielfalt
Nach einem Ringkampf, der die ganze Nacht über gedauert hat und der Jakob mit ausgerenkter Hüfte zurücklässt, fragt dieser seinen unbekannten Gegner: “Bitte sag mir deinen Namen.” Der Unbekannte antwortet: “Was fragst du nach meinem Namen?” – und segnet Jakob (Gen 32:25ff). Gott hat keinen Namen, denn Gott hat viele Namen. Gott kommt uns in vielen diversen Gestalten entgegen – manchmal als Herausforderer – und wir erkennen Gott nicht immer. Wir fragen dann, wie Mose, nach seinem Namen (Ex 3,14), und Gott antwortet: ich bin, der ich sein werde (deutsch meist “Herr”, was auch eine Fixierung ist). Gott lässt sich nicht festlegen auf einen Namen. Für uns Menschen scheint ein Name unabdingbar, er ist identitätsstiftend. Gott übersteigt diese Kategorien, Gott ist, der/die Gott ist, bzw. der/die Gott sein wird. Wobei Gegenwart und Zukunft in der hebräischen Sprache anders geregelt sind als in der deutschen oder in der französischen Sprache, sie fliessen ineinander über. Wir können Gott nicht dingfest machen, können ihn nicht in die Tasche stecken und mit uns herum tragen. Gott lässt sich nicht in unsere Schema und Systeme drängen, keine Theologie kann Gott umfassen. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb wir uns von Gott kein Bild machen sollen – jeder Versuch wird jämmerlich scheitern.
Die grosse Vielfalt des göttlichen Wesens, seiner Namen und seiner Eigenschaften, übersteigt jedes menschliche und irdische Wesen bei Weitem. Unter den Menschen gibt es auch eine grosse Verschiedenheit und jeder Mensch hat in und für sich auch seine Vielfalt, welche für ihn selber und für seine Umgebung auch nicht immer einfach ist. Gerne legen wir uns selber und andere fest – und Gott dazu.
Gott bringt Vielfalt hervor, weil Gott selber Vielfalt ist. Vielfalt in Einheit.

Liebe und Barmherzigkeit
Doch eine Aussage gilt in jedem Fall immer und überall: Gott ist Liebe. (Wem das nicht genügt, dem ist nicht zu helfen ;-). Gerne erwähne ich hier auch noch die unter Muslimen beliebte Bezeichnung Gottes, denn sie ist auch immer wahr: Gott ist der Barmherzige. Fast alles andere, was man von Gott sagen kann, ist unzulänglich und greift zu kurz. Das wusste Kurt Marti gut zu beschreiben (Gesangbuch S. 738):

Spricht der eine:
“Alles, was man über Gott sagen kann, ist Gott”
Spricht der andere:
“Alles, was man über Gott sagen kann, ist nicht Gott”
Spricht Meister Eckhart:
“Beide reden wahr”
Und ich denke: so zart also ist die Gottheit!
Die Zangen der Logik fassen sie nicht.

Wir wissen jedoch, dass die Liebe, wie die Barmherzigkeit, zwar konkret und greifbar werden will, aber dass sie sich weder einsperren noch erzwingen lässt. Wenn doch gewisse Staatsoberhäupter, Kirchenführer und sonstige Möchte-Gern-Machthaber das begreifen würden! – Und haben wir’s wirklich begriffen? – An dieser Stelle kann Jesus ins Bild gebracht werden, nicht aus theologischer Korrektheit, sondern weil er die Liebe und Barmherzigkeit Gottes verkörperte (Inkarnation) und sich dabei auf Gott berief. Für Jesus besteht zwischen ihm und dem Vater eine Einheit. Das wären dann zwei in einem.

Geist der Wahrheit
Der dritte im Bunde, der Geist, kommt aber nicht erst an Pfingsten hinzu. Der Geist ist im Hebräischen übrigens meist weiblich (ruah). Sie schwebte bei der Schöpfung auf den Wassern, um den Ausdruck Luthers zu benutzen. Jesus sagt zu der samaritanischen Frau am Brunnen: “Gott ist Geist, und die zu ihm beten, müssen in Geist und Wahrheit beten”. (Joh. 4:24) Später verheisst Jesus den Jüngern den Tröster und identifiziert ihn als den Heiligen Geist. (Joh. 14:26). Beide Male bringt das Johannesevangelium auch die Wahrheit ist Spiel um zu betonen, dass der Heilige Geist die Offenbarung der Wahrheit ist.
Der Geist Gottes ist wohl im ersten Testament bekannt als prophetische Kraft die einen Auftrag erteilt und dazu Mut spendet. Das wird jedoch nur einzeln auserwählten Menschen zuteil. In der Apostelgeschichte wird eben dieser Geist der Wahrheit im Giesskannen-Prinzip auf alle anwesenden Menschen ausgegossen. Für Liebe, Güte und Friede ist Wahrheit als Partnerin unentbehrlich, wie es Psalm 85 anschaulich darstellt.
Es gibt mehrere weitere Gründe, die für die Dreifaltigkeit sprechen und sie ergänzen. Ich skizziere hier kurz zwei Auszeichnungen Gottes die in unserer religiösen Tradition eher wenig Stellenwert haben:

Weisheit
Die Weisheit (Sophia) gehört nebst Güte/Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu den drei häufigsten Begriffen in der hebräischen Bibel. Sie kommt etwa gleich oft vor wie die Güte und die Gerechtigkeit. Sie zeichnet Gott aus und aber auch den gottesfürchtigen Menschen. Paulus nennt Christus «Gottes Kraft und Gottes Weisheit» (1 Kor 1:24)

Schönheit
Die Natur ist ein unfehlbares Zeichen der Schönheit Gottes, die alles übersteigt, was wir uns vorstellen können.
In den südlichen Alpen Frankreichs lebt Schwester Catherine, 62, seit 25 Jahren in völliger Abgeschiedenheit in einer einfachen Hütte als Eremitin.
Sie sagt: “Die Schönheit dieses Ortes hat mir geholfen, mich auf die Schönheit Gottes hin zu bewegen, die seines Projektes. Denn schlussendlich wird die Schönheit Gottes jedes Übel, jeden Horror verschlucken; seine Liebe wird triumphieren“. (La Vie 20.2.2020)
Liebe, Gnade, Barmherzigkeit, sind alle von enormer Schönheit. Eigentlich eigenartig und unverständlich, dass Menschen so wenig Wert drauf legen. Die Coronakrise hat immerhin – nebst allen Problemen – manche darauf aufmerksam gemacht.
Gottes Schönheit liegt in seiner vollkommenen Liebe und die ist vielfältig.

Zum Schluss
In seinem Büchlein Die gesellige Gottheit schreibt Kurt Marti das Gedicht Gottes Sein blüht gesellig. Ich zitiere die Teile 1 – 3 und 5:

Wenn Gott zum Götzen verzerrt wird, muss man sich diesem verweigern.
Wo Gott zum Tyrannen gemacht wird, müssen wir diesen stürzen.
So fordert’s seine Dreieinigkeit.

Dreieinigkeit?
Ein Männerbund! empören sich die Frauen.
Zu Recht, zu Recht

Und dennoch:
entwarf diese Denkfigur
die unausdenkbare Gottheit nicht
als Gemeinschaft,
vibrierend, lebendig,
beziehungsreich?
Kein einsamer Autokrat jedenfalls,
schon gar kein Götze oder Tyrann!
Eine Art Liebeskommune vielmehr,
einer für den andern,
“dreifach spielende Minneflut” (Mechthild von Magdeburg)

Mich stellt’s jedenfalls auf,
Gott als Beziehungsvielfalt zu denken,
als Mitbestimmung, Geselligkeit,
die teilt, mit-teilt, mit andern teilt:
“Die ganze Gottheit spielt ihr ewig Liebesspiel” (Quirinus Kuhlmann)

Und insofern:
Niemals statisch,
nicht hierarchisch,
actus purus,
lustvoll waltende Freiheit,
Urzeugung der Demokratie.

….

Will ich die gesellige Gottheit begreifen,
von ihr Besitz ergreifen,
lang› ich ins Leere.
Und auch Sie
– von Mechthild «Frau Minne» genannt –
will nicht Besitz ergreifen von mir.
Eher berührt sie,
wie Freunde, wie Liebende
einander berühren,
berührt,
damit die Besessenheit vom Besitz,
der Wille zur Macht verglühe
im Angesicht jenes Tages,
«da alle Herrschaft,
jede Gewalt oder Macht
vernichtet
und Gott alles sein wird in allem.» (1. Kor. 15,24)

Dreieinigkeit?
Weil sexistisch
und überhaupt: Entwurf
ohne Endgültigkeit.
Gott ist Liebe,
will er sagen,
Gottes Sein blüht gesellig,
«Seine Liebe wandelt
in immer frischem Trieb
durch die Welt.» (Franz Rosenzweig)

Amen.

Pfingstsonntag, 31. Mai 2020

Dimension des heiligen Geistes

Predigt von Dorothea Loosli, Mennoniten-Gemeinde Bern

Text:

Die Ausgießung des Heiligen Geistes Apg 2, 1 – 11 (Schlachter- Bibel)

1 Und als der Tag der Pfingsten sich erfüllte, waren sie alle einmütig beisammen.
2 Und es entstand plötzlich vom Himmel her ein Brausen wie von einem daherfahrenden gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten und sich auf jeden von ihnen setzten. 4 Und sie wurden alle vom Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist es ihnen auszusprechen gab. 5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer aus allen Heidenvölkern unter dem Himmel. 6 Als nun dieses Getöse entstand, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. 7 Sie entsetzten sich aber alle, verwunderten sich und sprachen zueinander: Siehe, sind diese, die da reden, nicht alle Galiläer? 8 Wieso hören wir sie dann jeder in unserer eigenen Sprache, in der wir geboren wurden? 9 Parther und Meder und Elamiter und wir Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadocien, Pontus und Asia; 10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und von den Gegenden Libyens bei Kyrene, und die hier weilenden Römer, Juden und Proselyten, 11 Kreter und Araber – wir hören sie in unseren Sprachen die großen Taten Gottes verkünden!

In der Pfingstgeschichte wird uns die Ursprungserfahrung der Christen mit dem Heiligen Geist erzählt. Ich finde es spannend, mit diesem Ereignis wird für uns eine weitere Dimension Gottes explizit sicht- und spürbar.

«Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen» wird in Psalm 18,30 die Erfahrung besungen, dass Gott Kraft verleiht um Hindernisse zu überwinden, um Grenzen zu überschreiten und für unmöglich Gehaltenes zustande bringt. Seit Pfingsten wissen wir: Diese alles überwindende Kraft ist der Heilige Geist, den Jesus in der Apostelgeschichte 1,8 angekündigt hat «Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes Empfangen, der auf euch kommen wird.»

Im Buch «Nachfolge» hat Dietrich Bonhoeffer im Kapitel über die Taufe eine kleine Theologie des Heiligen Geistes eingebaut. Er zeigt aufgrund zahlreicher Bibelstellen auf, wie der Heilige Geist Gewissheit und Klarheit im Leben der Jesus- Nachfolgenden schafft. Er lehrt uns, dass – ausgehend von der Taufe als Gabe des Heiligen Geistes – das Christsein etwas sehr dynamisches ist: Wenn Nachfolge bedeutet hinter Jesus herzugehen und zu spüren, was er mir heute sagen und wohin er mich lenken will, dann könnten das auch neue, ungeahnte, kreative und nicht zuletzt unsichere Wege sein. Wenn der Geist Gottes in eine bestimmte Lebenssituation hinein wirkt, dann kann das eine oft überraschende Helligkeit und Ruhe in einem Menschen auslösen.

Im Laufe der Geschichte hat der Heilige Geist viele symbolische Namen erhalten, vom Feuer Gottes bis zum Lebendigmacher – am besten gefällt mir «der uns Flügel verleiht», denn

mit dem Heiligen Geist überspringen wir die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten – indem er uns den wahren Glauben schenkt

An Gott glauben heisst nicht, bestimmten Sätzen zuzustimmen. Die Frage, ob wir glauben, dass Jesus Christus Wunder getan hat oder für unsere Sünden gekreuzigt wurde ist für die Bedeutung des Glaubens eher nebensächlich. An Gott glauben heisst, das ganze Vertrauen auf ihn setzen, sich auf ihn verlassen. Das fällt uns Menschen einiges schwerer als ja zu den genannten Fragen zu sagen. Wie stolz sind wir doch, wenn wir es selber packen, wenn wir selbst unseres Glückes Schmied sind, wenn wir es selbst können. Wir lassen uns nur sehr ungern unter die Arme greifen, das würde ja heissen, dass man es nicht selbst schafft. Durch dieses Denken fehlt uns die Vernunft und Kraft zum wahrhaften Glauben an Gott, es schränkt uns ein – bitten wir den Heiligen Geist um den Glauben der uns Flügel verleiht.

mit dem heiligen Geist überspringen wir die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten – indem er uns in der Trostlosigkeit tröstet

Wir alle wissen aus eigener Erfahrung wie wohl es tut, getröstet zu werden. Wir kennen tröstende Worte oder eine wortlos tröstende Geste, aber auch das Gefühl der Untröstlichkeit, die weder für Worte noch Gesten empfänglich ist. Wir wissen, was mit dem Wort «Trost» gemeint ist, auch wenn es in einem ganz banalen Zusammenhang wie einem Stück Schokolade als «Seelentröster» gebraucht wird. Es gilt aber zu unterscheiden zwischen echtem und falschem Trost. Ein enttäuschter Getrösteter war Hiob als er seinen Freunden antwortete: «Ich habe das schon oft gehört. Ihr seid allzumal leidige Tröster. Wollen die leeren Worte kein Ende haben?»(16,2f). Mit dem Wort «Trost» verbinden wir Handlungen wie Zuspruch, Ermutigung, Beistand und Hilfe und der Zustand, der dadurch erzeugt wird: Innere Ruhe, Mut Zuversicht. Dieser Trost macht getrost. Von guten Mächten sind wir wunderbar behütet und getröstet – wie es Dietrich Bonhoeffer ausdrückt – und «erwarten wir getrost, was kommen mag» – er verliess sich darauf, vom Heiligen Geist getröstet zu werden.

mit dem heiligen Geist überspringen wir die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten – indem er uns Beten lernt

Die Not lehrt uns Beten, sagt ein Sprichwort. Es sagt aus, dass damit auch im Beten ungeübte oder vom Beten gar nichts haltende Menschen in äusserster Not zum Beten finden. Jedem liege es sozusagen im Blut, in Worten des Gebets Zuflucht zu nehmen, deshalb sei das Beten in allen unterschiedlichen Religionen und Kulturen anzutreffen. «Gott sei Dank» oder «Ach Gott» sind Klage- oder Bittgebete in Kürzestform.

Allerdings verschafft Gott kaum Erfüllung wenn er mit einem selbstsüchtigen Wunschzettel bemüht wird, wenn alles andere nicht mehr verfängt. Ebenso wenig, wenn es sich eher um eine religiöse Show handelt und gezeigt wird, wie fromm man ist. Jesus hat davon in der Bergpredigt gesprochen (Matt 6,5ff) «Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schliess die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.» Mit dem «Vater unser» hat er uns eine Anleitung gegeben. Doch wie schütze ich mich, dass ich nicht auch diese Zeilen mit meinen unheiligen Wünschen und Absichten fülle? Wer lehrt mich die Unterscheidung zwischen Ereignissen, in die ich mich nach Gottes Willen schicken soll und solchen um deren Abwendung ich um seinen Willen bitten darf? Solche Überlegungen sollen uns nicht verstummen lassen, denn all dies liegt nicht bei uns. Die Frage dazu ist einzig, ob wir frei und bereit dazu sind, uns nicht auf uns selbst zu verlassen, sondern dem Geist Gottes in uns Raum zu geben, er wird die rechten Worte finden.

mit dem heiligen Geist überspringen wir die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten – indem er uns zu Lieben befähigt

Auch in der Liebe kann man zwischen recht und falsch unterscheiden. Dabei ist vorab zu klären, dass die Selbstliebe kein Gegensatz zur Nächstenliebe ist. Wer sich selbst nicht liebt, der wird sich auch schwer tun, mit anderen sorgsam umzugehen. Es geht also nicht darum, sich statt der Selbstliebe der Nächstenliebe zu widmen, wer nicht imstande ist zu lieben, dem hilft es wenig, wenn er dazu aufgefordert wird. Im Gegenteil, eine Appell führt zu Selbstbezichtigung, «ich schaffe es nicht, ich bin verachtenswert». Wir dürfen uns nichts vormachen, wir alle stehen uns umgebenden Wünschen, Verführungen und Mächten nicht selbstbestimmt und souverän gegenüber, wie oft ziehen wir sie lieblos dem Mitmenschen vor? Ob wir zur Liebe fähig sind hängt davon ab, was uns antreibt. Luther hat das Phänomen krass ausgedrückt: Der menschliche Wille ist wie ein Reittier, es wird entweder von Gott oder vom Teufel geritten. Die Bitte um den Heiligen Geist bringt zum Ausdruck, dass ohne seinen Beistand, Hilf und Gunst die Liebe in uns keine Wurzeln schlägt.

mit dem heiligen Geist überspringen wir die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten – indem er uns zum Bekenntnis ermutigt

Ist es nicht sonnenklar, dass man als Christ Widerstand hätte leisten müssen – solche und viele weitere Fragen brechen zum 75jährige Jubiläum des Kriegsendes auf. Aber wie oft ziehen wir es vor, bei frechen und aggressiven Kommentaren über Langsame, Beeinträchtigte, Andersfarbige und -glaubende zu schweigen? Es lohnt sich ja nicht Streit zu suchen, zudem wirken die Akteure furchterregend – das gibt uns eine Ahnung, dass in einer brenzligen Situation offen zu seiner Meinung zu stehen ganz und gar nicht selbstverständlich ist.

«Es gilt ein frei Geständnis in dieser unserer Zeit» heisst eine Aufforderung in einer Liedzeile, doch eine Aufforderung kann die Angst und Menschenscheu nicht vertreiben, das kann nur der Geist des Muts und der Wahrheit, der mit seinem heiligen Feuer unser Herz und unsere Lippen anrühren muss.

mit dem heiligen Geist überspringen wir die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten – indem er in uns die Feindschaft der Sprach-, Kultur-, und Religionsgrenzen überwindet

Die Verwirrung der Sprachen steht als Symbol für die Risse und Brüche, die Menschen verschiedener ethnischer, kultureller und religiöser Prägung voneinander trennen. Dass diese Trennlinien auch in Europa noch nicht überwunden sind, mussten wir in den letzten Jahrzehnten schmerzlich erfahren (Irland, Balkan). Mit dem Pfingstfest haben die Sprachen und Kulturen das Trennende und die abschottende Wirkung verloren, die Menschen konnten einander verstehen – sollte man meinen. Jedes Jahr feiern wir die Ausschüttung des Heiligen Geistes und nähren die Hoffnung, dass die Gräben zwischen Menschen und Völkern und Rassen zugeschüttet oder doch wenigstens überbrückt werden können. Das braucht übermenschliche Hoffnungskräfte, denn da ist oft niemand, der die Scharfmacher zur Räson bringt, wenn sie die zarten Pflänzchen des Ausgleichs und der Versöhnung mit ihrem Hass vergiften. Naheliegend, wenn sich die Menschen zurückziehen, «am besten lässt man die Wunde ausbluten» wie man so schön sagt. Aber es gibt bewundernswerte Menschen, die nicht müde werden ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen um das Unmögliche möglich zu machen. Solche Geduld, solcher Mut und solche Verwegenheit kann nur im Horizont des Wirkens des Heiligen Geistes verstanden werden, er steht nicht für Uniformität sondern für Kreativität und die Einheit in Vielfalt.

mit dem heiligen Geist überspringen wir die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten – indem er uns anhält das Heilige zu hüten

Durch die ganze Bibel – insbesondere aber im Alten Testament – zieht sich der Gedanke durch, dass Gottes Heiligkeit der ganzen Welt innewohnt. Gott offenbart seine Heiligkeit nicht nur den Menschen, er heiligt Dinge, Orte, Zeiten und Menschen und nimmt sie für sich in Anspruch. Die Menschen sind immer wieder der Versuchung ausgesetzt, das Heilige nach ihren Wertmassstäben zu bestimmen und damit falsche Götter zu verehren. Was nach Gottes Willen geheiligt werden soll nehmen wir zu unserem eigenen Schaden ins Meer des Gewöhnlichen zurück. Von der Ruhe am siebten Tag bis zur geheiligten Natur. Es scheint, dass Heilig werden und Heiliges tun nicht in der Reichweite der menschlichen Möglichkeiten liegt. Die Heiligkeit der Welt kann nur aus der Teilhabe an Gottes Heiligkeit und aus ihrer Widerspiegelung entstehen, so ist sie den Menschen nur als erbeten und geschenkt zugänglich. Der Kirchenvater Augustinus hat das wunderschön zum Ausdruck gebracht:

Atme in mir, du heiliger Geist, dass ich Heiliges denke.
Treibe mich, du heiliger Geist, dass ich Heiliges tue.
Locke mich, du heiliger Geist, dass ich Heiliges liebe.
Stärke mich, du heiliger Geist, dass ich Heiliges hüte.
Hüte mich, du heiliger Geist, dass ich das Heilige nimmer verliere.

Sonntag, 24. Mai 2020

Predigt von Erwin Röthlisberger, Mennoniten-Gemeinde Bern

Macht euch keine Sorgen um den nächsten Tag! Der nächste Tag wird für sich selbst sorgen. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene Last mit sich bringt. Matthäus 6, 34 Neue Genfer Übersetzung

Je älter ich werde, desto mehr liebe ich die Worte von Jesus, denn ich merke und erlebe, dass dahinter oft auch eine grosse Hilfe zum Gestalten für unser Leben steht. Er ist ja der grosse Erlöser, im geistlichen Bereich durch Karfreitag und Ostern, aber er will uns auch erlösen von unseren falschen Lebensmustern, befreien zu einem erfüllten Leben und das schon heute und jetzt in unserem Leben auf dieser Erde.

Im Vers oben lesen wir eine Anleitung zu einem befreiten Leben ohne unnötiges Sorgen und sich täglich Abmühen.
Der Vers stammt aus der Bergpredigt von Jesus, oder besser würde man ja sagen, aus seiner Lehre auf dem Berg, aus seiner Regierungserklärung, wie man in seinem Reich das Leben gestalten kann.

Es gibt dort noch andere Aussagen über das Nicht-Sorgen wegen Essen und Trinken, wegen der Bekleidung. Vielleicht beschäftigen uns aber gerade andere Dinge mehr als Essen und Trinken, z.B. Krankheiten, Beziehungskrisen oder die Frage, wie es weiter geht mit dem Versammlungsverbot.

Dieser Vers passt für mich deshalb auch gut in diese Corona Zeit. Sich nicht sorgen für den nächsten Tag heisst auch, sich nicht sorgen für die nächste Zukunft, wir dürfen gelassen sein, wissen, dass Gott ja alles in seinen Händen hält, auch ein jedes von uns. In aller Gelassenheit halten wir uns aber auch an die Empfehlungen vom BAG, sonst wären wir nicht weise.

Zu Beginn der Pandemie haben wir erlebt, wie es plötzlich Hamsterkäufe gab. Alles Ermahnen von den Grossverteilern und Geschäften, es habe genug Ware in den Lagern, auch morgen noch, dass wir uns nicht sorgen müssen, es habe dann plötzlich nichts mehr, all diese Aufrufe nützten nicht bei allen, aus Sorge für morgen wurde gehamstert.
Waren es Angstkäufe oder Käufe aus Vorsorge, aus purem Egoismus?
Auf jeden Fall zeigte es nicht Freiheit und Gelassenheit, kein sich Nicht-Sorgen zu müssen für morgen.

Ich denke, dass Jesus mit seiner Aussage auch nichts gegen eine gesunde Vorsorge, gegen ein Leben mit gesunder Vorratshaltung hatte. Es geht ihm darum, dass wir befreit von Ängsten und Zwängen leben dürfen, im Vertrauen, dass der Vater im Himmel weiss, dass wir das alles brauchen, Essen und Trinken.
Sich nicht sorgen für morgen beinhaltet auch noch ganz andere Bereiche im Leben als Essen und Trinken. Als bald 75 Jahre alter Mann gehöre ich eindeutig zu der Risikogruppe der Menschen, denen das Corona Virus schwer zusetzen kann, da gibt es nichts zu beschönigen. Trotzdem muss ich mich nicht für den morgigen Tag sorgen, wie Jesus sagte. Dieses Angebot nehme ich gerne an und es geht mir damit auch gut.

Sich nicht sorgen zu müssen, gelassen und getrost zu leben ist ein grosses Geschenk, das wir annehmen dürfen und dazu fordert uns Jesus auf, der Sohn Gottes, nicht irgendeiner! Ich weiss aber auch, dass es auf dieser Erde viele Menschen gibt, für die ein so gutes Leben, wie ich oder wir es leben dürfen, nicht möglich ist, gerade in dieser Zeit, denn sie wissen wirklich nicht, was sie morgen essen und trinken werden, wo sie Hilfe erhalten, wenn sie krank sind.
Dieses Wissen geht oft wie ein Schatten über mein Wohlergehen, diese Menschen tun mir so leid und ich fühle mich hilflos. So will ich mir immer bewusst sein, wie gut ich es habe. Dies führt mich täglich zum Danken, zum Dankbarsein

Dazu werden wir auch aufgerufen in der Bibel:

Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes für euch.1.Thessalonicher 5,18 Lutherübersetzung

Interessant ist, Jesus selber ruft uns nicht auf, dankbar zu sein, das erstaunt mich selber. Dass er jedoch dankbar war, das sehen wir in seinem Leben, zum Beispiel wenn er beim Brotbrechen vorher immer ein Dankgebet spricht. Ich darf wohl sicher sein, dass er in seinen persönlichen Gebeten seinem Vater auch für vieles Danke gesagt hat.

Zum Dank aufgerufen werden wir im obigen Vers, dankbar sein in allen Dingen, das sei der Wille Gottes für uns.
Das tönt ja gut, aber hier dürfen wir auch ganz ehrlich auf uns blicken, oder wenigstens ich auf mich. Wie wenige Sorgen braucht es, wie wenige Probleme, in denen wir stecken, und der Dank bleibt uns auch im Halse stecken! Dann ist uns nicht mehr zum Danken zu Mute, kreisen ganz andere Gedanken in uns, Gedanken der Sorge, des Unmutes, der Frage, wie es weitergehen soll. Hier kommt der seelsorgerliche Aufruf von Jesus uns zu Hilfe.

Euer Vater im Himmel aber weiss, was ihr braucht. Vers 32 So steht es in einem Vers neben dem oben erwähnten.

Legt alles in Gottes Hand, was euch belastet oder was ihr nicht selber lösen könnt. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene Last mit sich bringt. (Vers 34)

Im Psalm 131 haben wir gelesen:
Still dürfen wir sein, so wie ein sattes Kind im Arm seiner Mutter.
So ruhig und zufrieden dürfen wir sein, ein schönes Bild für uns, so also ist Gott, er trägt uns in seinem Arm!

Ich komme nochmals zurück zum Aufruf dankbar zu sein.
Gerade in unserer Zeit der Pandemie Covid 19. da spüre ich Dankbarkeit für so vieles, das ich vorher als völlig normal betrachtete. Es machte mich wohl sensibler, lässt mich mehr wahrnehmen, ganz einfache Dinge werden plötzlich so schön, lösen in mir ein Gefühl der Dankbarkeit aus. Ich bin so frei und nenne persönlich einige Dinge und lade euch ein, dass ihr euch fragt, was in euch Dankbarkeit auslöst:

  • Der Ort, wo wir leben dürfen, er ermöglicht uns trotz dem Aufruf «Bleiben sie zu Hause» in unserer Umgebung wie zu Hause spazieren zu gehen.
  • Der Frühling mit dem schönen Wetter, den blühenden Blumen.
  • Dann erleben, wir sind nicht allein, auch wenn wir viel allein sind, fühlen wir uns verbunden mit der Familie, welche für uns z.B. den Einkauf macht.
  • Die Verbundenheit mit euch Geschwistern in der Gemeinde, durch Telefonanrufe, durch die Predigtunterlagen für jeden Sonntag.
  • Für die Gewissheit in Gottes Hand zu sein, gerade in dieser Zeit.
  • Hier ist Platz, damit ihr eure Dankbarkeit in Worte fassen könnt:
    ……………….

Ich lade euch ein, bewusst das zu suchen, was euch guttut, was euch zur Dankbarkeit führen kann. Das ist eine Hilfe für unser inneres Leben, auch für unser Glaubensleben. Dann bewusst Gott dafür Danke sagen, unterwegs oder im stillen Kämmerlein. Bewusst Jesus Danke sagen für seine Freiheit, die er uns gebracht hat, eine allumfassende Freiheit.

So wird unser Leben reich und gesegnet sein.

Gebet
Lieber Vater im Himmel, wir haben so viel Grund dir zu danken, für deine Güte zu uns, die nie aufhört, für deine Liebe zu uns, die wir in Jesus Christus erfahren dürfen. Wir danken, dass du für uns sorgst, uns trägst in deinen Armen. Sei mit allen unseren Geschwistern weltweit, Hilf denen, die keine Hilfe von Menschen erhalten, sei du ihr Helfer und Tröster. Dich wollen wir ehren und anbeten, jetzt und alle Zeit Amen

https://www.youtube.com/watch?v=FFU_DsTiiKI

Die neue Bundeslade sind wir

Gedanken zum Sonntag, 17. Mai 2020 – von Paul Veraguth

Kurzer Rückblick

Ihr Lieben, die Taufgesinnten konnten immer auf eine glorreiche Zeit zurückblicken. Zu den Prunkstücken der Vergangenheit gehört das vorbildliche und tapfere Zeugnis der ersten Täufergeneration. Dazu gehören deren frühen Schriften, die kleinen lebendigen Gemeinden, die unerschrockenen Täuferlehrer, die Bereitschaft, um des Glaubens alles hinter sich zu lassen, und die Fähigkeit der Überlebenden der Verfolgungszeit, woanders unter schwierigen Verhältnissen ein neues Leben aufzubauen. Und natürlich noch viel mehr.


Die Hauptelemente, welche die Gemeinden einigten, waren die Glaubenstaufe, das einfältige Schriftverständnis, das Liedgut und das geschwisterliche, dh familiäre und unhierarchische Gemeindeleben. Besonders ragte die friedensstiftende Kraft der Versöhnung und die Verweigerung der Gewalt heraus. Daraus haben sich nun jahrhundertealte Traditionen und ein entsprechendes Bewusstsein entwickelt. Es gibt eine täuferische Kultur, die auf beiden Seiten des Atlantiks spürbar ist.
Wie die Täufer, so hatte auch das Volk des alten Bundes eine Mitte. Sie war unersetzbar. Sie bestimmte ihre Geschichte, ihren Glauben und die Art ihres Gottesdienstes. Man nannte sie in Hebräisch «Gnadenthron», «Sühnedeckel» oder «Lade des Zeugnisses». Heute wird sie vereinfacht als «Bundeslade» bezeichnet. Wo immer Israel Geschichte schrieb: Die Bundeslade war dabei. Sie zog vor dem Volk her, als es durch die Wüste zog. Im Verlauf dieser vierzig Jahre kamen verschiedene Gegenstände in diesen Kasten aus Holz und Gold, so die beiden Steintafeln der zehn Gebote, die Schriftrollen von Moses, ein wenig Manna und der Stab des Hohepriesters Aaron.

Sie war dabei, als sich der Jordan teilte: Mitten im Fluss standen die Priester mit ihr, so dass sich das Wasser staute. Als Jericho fiel, wurde sie dem trompetenden Volk vorangetragen. Dem Priester Eli kam sie abhanden, brachte aber den Philistern ausschliesslich Plagen, so dass die Feinde Israels sie mit Geschenken an Eli zurückschickten. Als David das Heiligtum auf dem eroberten Berg Zion einweihte, brachte man sie herbei. Als Israel von den Babyloniern umzingelt war, befahl Jeremia seinen Jüngern, sie zu verstecken (2. Makk. 2,5). Sie gruben einen Tunnel unter der Stadtmauer durch und verbargen sie am Ende dieses Stollens in einer Kammer. So wurde sie nicht nach Babel verschleppt.

Warum gab Gott seinem Volk die Lade nicht zurück?

Das erste, was 70 Jahre nach der Wegführung ins Exil hätte geschehen müssen, wäre doch die Bergung der Lade gewesen. Es geschah aber nicht. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Jeremia liess dafür sorgen, dass sie nicht leicht zu finden sei – eigentlich unauffindbar. So musste Israel fortan improvisieren, wenn der Versöhnungstag (Jom Kippur) anbrach. Man konnte das Blut der Versöhnung (des «Sündenbocks») nicht mehr ins Allerheiligste tragen und es dort auf den «Sühnedeckel» streichen. Gab es diesen jährlichen Versöhnungsakt überhaupt noch? Gab es noch die Vergebung für alles Sünden eines ganzen Jahres, wenn die Lade nicht mehr im Allerheiligsten auf ihren grossen Tag wartete? Man musste im Volk diese Frage offenlassen.

Ich selber gehe davon aus, dass die meisten Zurückgekehrten – und wohl auch der Grossteil der Priester – nicht Bescheid wussten, dass hinter dem schweren Vorhang im Tempel gar keine Lade mehr stand. Der diensthabende Hohepriester tat einfach «als ob», wenn er mit dem Blut feierlich hinter den Vorhang schritt. Ichvermute, dass dort ein improvisierter Tisch stand; irgendetwas hat man wohl gebastelt. So wurde das Gewissen der Sünder auch entlastet, wenn die Menschen diesem Akt der Versöhnung in den Vorhöfen des Tempels beiwohnten. Um hier ganz ehrlich zu sein: Gott vergibt den Reumütigen immer, Lade hin oder her.

Und nun betrachten wir den wichtigen Text, der gut in die Zeit zwischen Karfreitag/Ostern und Pfingsten passt – also genau in das Zeitfenster, in welchem wir heute stehen:

Und es wird geschehen, wenn ihr euch im Land vermehrt und fruchtbar seid in jenen Tagen, spricht der HERR, wird man nicht mehr sagen: «Die Bundeslade des HERRN»; und sie wird keinem mehr in den Sinn kommen, und man wird nicht mehr an sie denken noch sie suchen, und sie wird nicht wiederhergestellt werden. In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron des HERRN nennen, und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln wegen des Namens des HERRN in Jerusalem. Und sie werden nicht mehr der Verstocktheit ihres bösen Herzens folgen. Jeremia 3, 16-17

Gott hat seinem Volk also das Liebste weggenommen, ihr Prunkstück, den Kern ihrer Identität. Soll das eine Verlängerung der Strafe darstellen? Will er ihnen bei der Rückkehr ins Land quasi nur den Wohnraum zurückerstatten, sie aber religiös kastrieren? Können sie ihm denn noch sinnvolle Versöhnungstage anbieten, oder er ihnen, wenn im Allerheiligsten gähnende Leere herrscht? Es wurde nach 70 n. Chr. sogar noch krasser: Da sie den Tempel nicht mehr hatten, gab es auch das Versöhnungsritual mit dem Sündenbock nicht mehr, und sie gingen in der Fremde dazu über, aus purer Not und menschlichem Gebastel heraus, für den Versöhnungstag Hühner zu schlachten. Und das, obschon ein Huhn nie und nimmer ein Opfertier für Gott gewesen war, auch wenn ein Hühnerbraten durchaus schmeckt.
Nein, Gott wollte sie weder strafen noch religiös kastrieren. Er bereitete sie für etwas viel Grösseres vor. Das bisherige – und sogar das Beste des Bisherigen, die Bundeslade – wird dagegen nur ein Schatten sein, ein Abglanz, ein vorläufiges Symbol, ein Übungsstück, ein irdisches Modell usw. Gott musste es ihnen wegnehmen, sonst hätten sie nicht wachsen können. Sie klebten an der alten Lade, wie ein Pubertierender manchmal noch an seinen Kindheitserinnerungen klebt oder wie Eltern ihren Nachwuchs auch nach deren Heirat nicht wirklich loslassen können. Jawohl, das geschieht leider immer wieder. So kam es, dass im Moment, wo Jesus starb, der Vorhang im Tempel «von obenan bis untenaus zerriss». Ratsch! Ein Aufschrei im Tempel – das Allerheiligste steht schutzlos vor den diensthabenden Priestern. Gleichzeitig sind sie selber nicht mehr vor diesem (etwas unheimlichen) Allerheiligsten geschützt, in dessen Raum jeder Unbefugte nach dem Gesetz von Moses sterben würde.

Die Menschen rennen Hals über Kopf hinaus – aber nicht ohne vorher Notiz genommen zu haben, dass in dessen Innern gar keine Bundeslade steht. Ein Schreck geht durch ganz Jerusalem. Wie wird man den «Grossen Sabbat», den Doppelsabbat der Passahfeier, begehen können, wenn eine solche Katastrophe im Tempel geschehen ist? Man darf ja gar nicht mehr hinein, denn plötzlich ist der ganze Raum des Heiligtums zum Allerheiligsten geworden, oder das Allerheiligste ist profan geworden. Ein unbetretbarer Raum. Und wie bei Tschernobyl dann ein paar Arbeiter geschickt wurden, denen man nichts von der Verstrahlung sagte, so mussten wohl auch hier ein paar Handwerker im Auftrag von Hannas und Kaiphas den Vorhang reparieren gehen. Gestorben sind sie dabei sicher nicht.

Es geschah um unseretwillen

Vergessen wir nicht, was während dieser Pleite im Tempel draussen geschah, vor den Toren Jerusalems: Grad eben ist Jesus Christus am Kreuz elendiglich gestorben, nicht ohne vorher noch die Generalamnestie auszusprechen: «Vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.» Der Sündenbock des Passah-Festes und des Jom Kippur ist gar nicht ein Lamm oder eine Geiss, sondern es ist ein Mensch. Tierblut wird nie jemanden von Schuld reinigen– wie sollte es auch. Nur Gott kann dies tun, und nur so, dass er die Schuld selber übernimmt. Eine Drittperson zwischen dem dreieinigen Gott und dem der Sünde verfallenen Adam gibt es nicht. Auch nicht eine andere Instanz wie zum Beispiel die Bundeslade. Das wahre Lamm ist Christus, die wahre Bundeslade ist auch er, nämlich die «Lade des Zeugnisses». Das Gerät von Holz und Gold war bloss eine Veranschaulichung. Im Rückblick sind solcherlei Rituale religiöser Stoff.

Gottes Plan war immer schon ein ganz anderer, und Jeremia hat es vorausgesagt: Man wird das Alte vergessen, nicht mehr daran denken, es nicht mehr nachbauen. Jerusalem selber wird Gottes Thron sein, und zwar nicht sein Gemäuer, sondern die Menschen, die dort leben. Sonst hätte Gott ja ein altes Sinnbild bloss durch ein neues ersetzt. Aber das Alte ist wirklich mit Jesus am Kreuz gestorben – alles Alte, und restlos. Es wird nicht auferstehen, sondern Er ist auferstanden, er allein. Nicht auch noch die Bundeslade, und auch nicht die alte Tempelordnung mit Vorhängen und Leuchtern und Räuchereien. Hat nicht er selber vor seinem Tod vorausgesagt, er würde den Tempel abreissen und in drei Tagen neu aufbauen? Und er sprach ja in Joh. 2,19 vom Tempel seines Leibes, von sich selber.

Wer kann das verstehen? Wer ist bereit, es zu verstehen? Wer kann das Alte in den Tod geben, und wer ist bereit zu glauben, dass Gott an etwas ganz anderem interessiert ist als am Pflegen von Traditionen, von Namen, von Formen, die über Jahrhunderte weiterexistieren? Wer will hören, dass Gott nicht Gefallen daran hat, wenn wir alte Kisten herumtragen, selbst wenn sie mit Gold überzogen wären, wie einst die Lade, ja mit Engeln geschmückt? Vielleicht stehe ich aber vor Gott und sage ihm: «Nein, ich will beim Alten bleiben, du kannst es mir nicht wegnehmen. Und wenn auch der Vorhang zerreisst – ich werde ihn wieder flicken. Das verspreche ich dir.»

Wir sind Gottes Bundeslade

Der eigentliche Punkt aber ist der: Jesus Christus ist ja nicht gestorben und auferstanden und hernach sogar aufgefahren, um seine Herrschaft als Friedefürst mit den durchbohrten Händen anzutreten, um uns hier unten auf Sparflamme zu lassen, einzig mit dem Trost eines ewigen Lebens durch Vergebung der Sünden. Eigentlich ist er für ein höheres Ziel gestorben. Ja, gibt es überhaupt etwas Höheres als Vergebung und dadurch eine Aussicht auf das Weiterleben im künftigen Himmelreich? Ja das gibt es wirklich. Paulus sagt: «Er, der seines einzigen Sohnes nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle hingegeben hat – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?» (Röm. 8,32) Er starb also, um uns «alles zu schenken».
Kurz darauf fährt er zum Himmel. So, hat er gesagt, ist es besser für sie. Weshalb? Weil sie ihn auch wieder zu einer Art Bundeslade machen würden. Sie nähmen seine leibhaftige Gegenwart jetzt als neue Garantie, dass alles gut kommt, und dass Gottes Reich auf Erden sicher eingepflanzt ist. Aber er verhindert noch einmal den Bundesladen-Effekt; er entzieht sich ihnen. Das ist Auffahrt, für die Jünger eigentlich ein Schock. Andersherum wäre es für sie besser und vor allem tröstlicher gewesen, nach allem, was geschehen war. Nochmals einen Entzug durchmachen? Nochmals einen Verlust? Trennung für immer? Hat Gott nun seinen Sohn «für uns gegeben» (Röm. 8,32) oder hat er uns mit ihm doch wieder alles genommen?

Was hat Paulus damit gemeint? Schauen wir zehn Tage über die Auffahrt hinaus nach vorn: Jerusalem wird, wie Jeremia im dritten Kapitel prophezeit, zum Thron Gottes. Gott kommt und setzt sich auf Menschen, wie er sich früher auf die Lade setzte, damals symbolisch, indem gelegentlich ein Licht, ein Schein, ein Duft, eine Wolke den Tempel erfüllte. So dass man, wie bei Salomons Tempeleinweihung oder bei Jesajas Berufung, kaum in den Tempel eintreten konnte. Jetzt setzt er sich als ein Feuer auf die zwölf Apostel. Er thront auf Menschen. Gott erwählt sich Menschen zu seinem Thron. Von ihnen will er in die Welt getragen werden, zu andern Menschen und Völkern, in andere Länder und Kontinente. Genau das geschieht an Pfingsten. Diese Zwölf tragen die Präsenz Gottes, die auf ihnen ruht, zu dreitausend weiteren Stadtbewohnern und Besuchern des Pfingstfestes. Sie lassen sich taufen, wie es 1500 Jahre später die Täufer tun werden, als wieder eine Erweckung ausbricht und die kirchlichen Traditionen für sie belanglos werden.

Die Menschen werden Gottes Bundeslade. Sie tragen nicht Buchstaben des Gesetzes und der Gesetzlichkeit in ihrem Innern, und auch nicht Erinnerungen an ein längst vergangenes Manna, sondern sie sind vom Geist Gottes selber erfüllt. Den Geist Gottes erkennt man hauptsächlich daran, dass er erwecklich wirkt. Menschen ringsherum werden angesteckt und fangen auch Feuer. Gebracht wird ihnen nicht ein Kirchensystem, eine Kirchen- oder Freikirchenkultur. Gelehrt werden ihnen nicht Traditionen, Meinungen, Ansichten, eine Betriebsphilosophie. Jesus Christus selber ist es, in der Gegenwart seines Geistes, der die Menschen berührt und erfüllt. Es sind Menschen, die nicht mehr die alten Kasten herumtragen, sondern seine Gefässe sein wollen und auch werden dürfen.

Jede Gemeinde hat ein Endlager für die alten Laden: Vorne das Kreuz. Und jede Gemeinde hat einen Aussendungsort für die lebendigen, die zweibeinigen Bundesladen: Die Kanzel. Jede Gemeinde muss hier Position beziehen. Will sie im Einklang mit dem, was in Jerusalem geschah, vorwärtsgehen und den Akzent so legen, wie das Neue Testament (und auch schon Jeremia und das prophetische Alte Testament) ihn legt? Will sie Erweckung, was die Versammlung und Aussendung von lebendigen Bundesladen unweigerlich mit sich bringen wird? Oder will sie doch lieber die generationenalte Prozession von Kästen weiterführen?

Zu mir hat Gott deutlich geredet und gesagt: «Paul, für dich ist die Zeit der alten Laden vorbei. Gib sie mir. Ich habe etwas Erfreulicheres für dich. Es ist meine persönliche Kraft, meine Weisheit. Ich will, dass du durch meine Augen schauen kannst. Ich will, dass du dich ganz in mir verlierst – um dich dann so wieder zu finden. Ich will auch, dass du Erweckung erlebst, auch wenn du jetzt pensioniert bist. Es ist nichts weniger als mich selber, den du gegen deine bisherigen Kasten eintauschen kannst. Und wer ich wirklich bin, kannst du erst hernach erfahren». Ich merkte sogar, welche Kästen es sind. Jeder weiss es von sich selber.

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Carlos Ricci aus Nizza spielt auf dem Klavier in der Kapelle Les Mottes (2019)