Diesen Sonntag laden wir Euch ein, den Dokumentarfilm Konzern-Report (40 min.) zu sehen. Einige Überlegungen zur Frage unseres Engagements im Zusammenhang mit der Konzernverantwortungs-Initiative, welche nächstes Wochenende zur Abstimmung kommt, sind danach zu lesen. Ganz unten auf der Seite findet sich der Link zu der Bachkantate des Sonntags.
Der Dokumentarfilm (falls erst Werbung kommt, click auf «Skip ad» im Bild)
Warum engagieren wir uns als Christen für die Konzernverantwortungsinitiative?
Warum engagieren sich die Kirchen für diese Initiative?
Diese Fragen sind berechtigt, denn jedes öffentliche Engagement verlangt nach einem guten Grund. Allerdings gibt es auch Stimmen, die dieses Engagement bestreiten. Sie sagen, dies sei eine politische Frage und daher etwas, wofür die Kirchen nicht zuständig seien.
Ja gewiss, der Glaube ist eine persönliche Angelegenheit. Doch nein, das Engagement, zu dem der Glaube Anlass gibt, kann die Sorge um das Gemeinwohl nicht umgehen. Dies gilt umso mehr, wenn es um Bevölkerungsgruppen geht, die unter nachteiligen Folgen leiden, die verursacht werden von Schweizer Konzernen, welche uns mit ihren Produkten beglücken. Politisch oder nicht, dies sind Fragen von Verantwortung und Gerechtigkeit, und sie berühren den authentischen biblischen Glauben aufs Engste.
Zwei Elemente dieses Engagements seien hier kurz genannt: Das erste Element bezieht sich auf die biblische Botschaft; das zweite bezieht sich auf die Globalisierung und wie sie unsere Überzeugungen als christliche Bürgerinnen und Bürger beeinflusst. Wir sind ja beides zugleich, Christin und Bürgerin, Christ und Bürger. Wir sind keine Untertanen ohne Einspruchsmöglichkeit, da ist kein König über uns, der zwischen uns und Gott herrscht. Als christliche Bürgerinnen und Bürger, oder, wenn ihr lieber wollt, bürgerliche Christen, sind wir für unser Handeln und unsere Stimme in einer mehr oder weniger direkten Demokratie verantwortlich. Leider ist in der menschlichen Organisation nichts perfekt, und unsere Demokratie hat viele Mängel und Unzulänglichkeiten. Dennoch sind wir aufgerufen, uns daran zu beteiligen, sowohl als Einzelpersonen als auch als Bürgervereinigungen, und das sind Kirchen auch. All dies zusammen macht die Substanz der Zivilgesellschaft aus. Ohne sie gäbe es nichts als Bürokratie…
- Die Bibel ist voller Geschichten von menschlicher Unvollkommenheit und von der korrumpierbaren Natur des Menschen. Sie erzählt viele Geschichten von Ungerechtigkeit und Gewalt. Gleichzeitig mangelt es sowohl im Ersten als auch im Zweiten Testament weder an Aufrufen nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wohlwollen noch an praktischen Beispielen. Sie sind in der Tat das Rückgrat der Botschaft der Propheten. Jesus stellte diese Fragen in den Vordergrund: Für ihn hat das menschliche Verhalten gegenüber den Schwachen und Verletzlichen Vorrang vor dem Bekenntnis oder der Frömmigkeit. Ein Pionier der evangelikal-sozialen Bewegung in den USA, Jim Wallis, berichtet, wie er eines Tages, als er jung war, überall dort ein Loch in seine Bibel machte, wo das Wort Gerechtigkeit auftaucht. Am Ende war seine Bibel so voller Löcher, dass sie unbrauchbar war. Der Schutz der menschlichen Person und Gemeinschaft und ihr Wohlergehen stehen in der Bibel an erster Stelle, nicht nur im Neuen Testament, sondern auch im Alten Testament. Schließlich ist Jesus gekommen, damit die Menschen Leben im Überfluss haben. (Joh 10,10). Wir beanspruchen das doch gern für uns. Es gilt aber für alle Menschen.
- Wenn die Bibel die Gläubigen, welche behaupten, Gottes Volk zu sein, dazu aufruft, das Wohl – oder das Beste – ihrer Stadt zu suchen (Jeremia 29,7), dann bedeutet das, dass man nicht nur den eigenen Nutzen und das eigene Wohl suchen kann, sondern dass das Wohlergehen der ganzen Gemeinschaft im Blick sein muss. Denn das Wohlergehen der Gemeinschaft ist eng mit meinem eigenen Wohlergehen verbunden. Doch seit europäische Schiffe die Ozeane überquert haben und wir Kaffee aus Brasilien oder Afrika trinken, Bananen aus Lateinamerika essen, und unsere Produkte in der ganzen Welt verkaufen, ist die Welt ein Dorf, eine Stadt geworden. Wir sind voneinander abhängig, gegenseitig abhängig. Daher sind wir über auch unsere kartographischen und rechtlichen Grenzen hinaus verantwortlich. Wir können nicht behaupten, auf einer unabhängigen Insel zu leben, die niemanden braucht und niemandem etwas schuldet. Die Zukunft und das Wohlergehen unserer Kinder und Enkelkinder ist eng mit der Zukunft und dem Wohlergehen der Kinder und Enkelkinder derjenigen verbunden, die dort leben, bzw. von welchen Güter kommen, die unser tägliches Leben im besten Fall angenehm machen, und im Normalfall praktischer. Darüber hinaus ist das Wohlergehen unserer künftigen Generationen direkt mit dem Wohlergehen der Enkelkinder unserer vermeintlichen Konkurrenten oder Feinde verbunden. Das ist es, was aus der Welt geworden ist: Eine weltweite menschliche Gemeinschaft, wo die Einen nicht ohne die Andern auskommen. Es ist nicht so sehr eine moralische Frage als vielmehr eine Frage der persönlichen, kollektiven und gegenseitigen Verantwortung.
Eigentlich müsste hier auch zur anderen Initiative, welche zur Abstimmung kommt, etwas gesagt werden, denn sie geht in dieses Kapitel der Verantwortung, welche wir als Einzelne und als Gesellschaft tragen für das, was unser Geld und unser Güter bewirken: die Kriegsgeschäfte-Initiative. In der einen Initiative geht es darum, was unsere Konzerne tun oder lassen, in der andern geht es darum, was unser Geld tut oder lässt. Persönlich hätte ich nie gewollt, dass meine Pensionskassengelder ins Kriegsgeschäft investiert werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir dafür verantwortlich sind, unser Wirtschaftsleben so zu organisieren, dass diejenigen, die fahrlässig oder nicht, Leid verursachen, zur Rechenschaft gezogen werden und dass diejenigen, die zu Schaden gekommen sind, entschädigt werden. Eigentlich ist es einfach, wie etwas in einem biblischen Gleichnis: Unser wohlwollender und verantwortlicher praktischer Umgang in einem ökonomisch-sozialen Sachverhalt, wo es Bevorteilte und Benachteiligte gibt, kann zum Zeichen des Reiches Gottes werden.
Wenn Du noch Zeit hast…
auf der Website der Kirchen für Kov-I gibt es interessante Infos dazu, warum es die Initiative braucht, wer dahinter steht, was geschieht, wenn sie angenommen wird usw.
Die Bachkantate zum Sonntag
BWV 139 Wohl dem, der sich auf seinen Gott