Sonntag, 25. Oktober 2020 – Vertauen

Predigt von Ute Schneider Boegli

Ich freue mich, heute Morgen bei Euch im Chaux d’Abel zu sein ……. Ja, so wollte ich meine Predigt eigentlich beginnen; doch seit gestern wissen wir, dass es im Moment nicht möglich ist, uns auf diese Art zu sehen. Ihr erhaltet die Predigt schriftlich, könnt es Euch zuhause gemütlich machen, Musik hören und Kaffee trinken, während Ihr sie lest,… oder auch nicht. Ich grüsse Euch alle herzlich, und falls Ihr mir ein feed-back geben wollt, dann könnt Ihr dies gerne per Mail machen. (Anm. der Redaktion: Es ist auch möglich, ganz unten auf dieser Seite einen Kommentar zu hinterlassen.)


Ich wünsche Euch einen gesegneten Sonntag in Gottes Gegenwart; das Licht und die Liebe Jesu Christi möge Euch umgeben und sein Geist Euch erfüllen.
Für die Predigt von heute habe ich einen Text aus dem Matthäus-Evangelium ausgewählt, eine uns sehr bekannte Geschichte; Matthäus 8, 23-27 – Jesus stillt den Sturm.
Wir finden dieselbe Erzählung auch im Markus- und Lukas-Evangelium – bis auf ein paar Details wird uns dort dieselbe Episode geschildert. (Matth. 8, 23 – 27 / Mk. 4, 35 ff. / Luk. 8, 22 ff.)
Eine bekannte Erzählung, viele von uns haben sie bereits in der Sonntagsschule gehört. Eine beeindruckende Geschichte, und Ihr habt sicher schon viele verschiedene Bilder gesehen, die diesen Sturm veranschaulichen: das kleine Boot mit den Jüngern in den riesigen Wellen – und Jesus, der friedlich schläft.
Die Bilder der Kinderbibel (aus meiner Kindheit) sind für mich sehr präsent, wenn ich diesen Text lese, und ich denke, dass auch Euch Bilder in den Sinn kommen, wenn Ihr den Text hört.
Ich lese Matthäus 8, Verse 23-27: 23 aus der neuen Genfer Übersetzung


23 Daraufhin stieg Jesus in das Boot; seine Jünger folgten ihm, und sie fuhren los. 24 Plötzlich brach auf dem See ein heftiger Sturm los, sodass das Boot fast von den Wellen begraben wurde. Jesus aber schlief. 25 Die Jünger stürzten zu ihm und weckten ihn. »Herr«, schrien sie, »rette uns, wir sind verloren!« 26 Aber Jesus sagte zu ihnen: »Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?« Dann stand er auf und wies den Wind und die Wellen in ihre Schranken. Da trat eine große Stille ein. 27 Die Leute aber fragten voller Staunen: »Wer ist das, dass ihm sogar Wind und Wellen gehorchen?« (Neue Genfer Übersetzung)

Wenn wir die Texte vor diesem Abschnitt lesen, stellen wir fest, dass das Wirken Jesu in vollem Gange ist. Er vollbringt Wunder, heilt Kranke, lehrt seine Jünger und die Menschenmenge; er begegnet vielen Menschen; selten ist er allein und hat Ruhe; unermüdlich setzt er seinen Dienst fort und hört allen zu, ist für alle da.
Vers 18: Als Jesus sich von einer großen Menschenmenge umgeben sah, befahl er seinen Jüngern, auf die andere Seite des Sees hinüberzufahren. Fast scheint es uns, als wolle Jesus eine Pause, einen Moment der Ruhe, der Erholung; auf den See hinausfahren, weit weg von der Hektik des Alltags und den vielen Menschen.
Der Evangelist Lukas erzählt uns, dass ihm noch andere Boote folgten; die Menge kam also auch wieder mit, folgte ihm sogar auf den See und ließ ihn nicht ganz los.
Ich denke, wir müssen uns einen sehr großen See vorstellen, der bei der Abfahrt ruhig ist; und wir müssen wissen, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die sich mit Navigation (Schifffahrt) auskennen. Unter seinen Jüngern hatte Jesus Männer ausgewählt, die vom Fischfang lebten, die ihr Leben auf dem See verbrachten und gute Kenntnisse über Wetter, See und Schifffahrt hatten. Der aufkommende Sturm war sicher nicht vorhersehbar, und er war heftig. Der Originaltext verwendet das griechische Wort «seismos», was uns zum französischen Wort «séisme» führt. Ein durch ein Erdbeben ausgelöster Sturm, ein Seebeben, mit riesigen Wellen.
Wir erinnern uns alle noch an das Seebeben, den Tsunami im Indischen Ozean im Dezember 2004, der Inseln in Indonesien verwüstete; oder jenes im März 2011 an der japanischen Küste, das das Atomkraftwerk in Fukushima zerstörte; Naturkatastrophen, die den Tod Tausender Menschen verursachten. Dank der heutigen, fortschrittlichen Technologie sind Erd- und Seebeben besser vorhersehbar, aber in Wirklichkeit zeigen uns die Ereignisse von 2004 und 2011, dass die Vorhersagbarkeit relativ bleibt.
Die Jünger werden also mit einem unvorhersehbaren Sturm großen Ausmaßes konfrontiert. – Jesus liegt müde am Boden des Bootes und schläft. Der plötzliche Sturm weckt ihn nicht auf, die Wellen und die Aufregung der Jünger stören seine Ruhe nicht, er schläft.
Wir kennen den Ausdruck: «Den Schlaf des Gerechten schlafen», der wohl von dieser Bibelstelle abgeleitet wurde. Gerechtigkeit, Frieden, ein reines Gewissen haben, sind wünschenswerte Voraussetzungen, damit wir gut schlafen können. Der Schlaf Jesu zeigt neben seiner großen Müdigkeit auch eine unglaubliche Ruhe, ein Vertrauen, das über unser Verständnis hinausgeht. Dies weist uns darauf hin, dass er, Jesus, der Sohn Gottes ist und einziger Gerechter! Es veranschaulicht uns den Ausdruck auf wunderbare Weise: mitten im Sturm schläft Jesus den Schlaf des Gerechten. > welch ein Gegensatz zu dem Sturm, der ausbricht und die Jünger in Panik versetzt, erschreckt, und ihnen grosse Angst macht.
Als die Jünger sich schließlich durchringen Jesus aufzuwecken, bleibt Jesus trotz der Todesgefahr ruhig und regt sich nicht auf. Und bevor er den Sturm still, stellt Jesus diese Frage, die auch uns heute herausfordert:
«Warum habt ihr Angst, ihr Kleingläubigen? «(Matthäus)
«Wo ist Euer Glaube? «(Lukas);
«Wie habt Ihr keinen Glauben? «(Markus);

Was für eine Frage!
Die Jünger, immer noch zitternd und mit der Angst im Bauch, konfrontiert Jesus mit ihrer Angst. Warum so viel Angst, warum jegliches Vertrauen verlieren, warum die Panik die Oberhand gewinnen lassen?
Und ich stelle mir diese Frage, ich stelle uns diese Frage: Warum haben wir Angst im Leben? Wie gehen wir mit unseren Ängsten und Befürchtungen um? Wo ist unser Vertrauen, unser Glaube?
Der Sturm des Coronavirus, den wir zurzeit neu in einer enormen Intensität erleben, macht uns Angst. Und Jesus spricht auch hier zu uns: Warum habt ihr Angst, wo ist euer Glaube? Wir dürfen ihm antworten mit ihm zu sprechen, ihm unsere Ängste mitzuteilen, sie bei ihm ablegen, deponieren; denn er hört mich, er hört uns. Mit seiner Frage spricht mich Jesus auf meine Beziehung zu ihm an, Beziehung zu seinem Vater und seinem Geist; er ermutigt mich, mich in diese Beziehung zu investieren, an meinem Glauben und Vertrauen zu arbeiten, bauen, die Beziehung zu ihm zu vertiefen.
Mitten im Sturm auf dem See fragte Jesus die Jünger: «Warum seid ihr so ängstlich, ihr Kleingläubigen? Und danach spricht Jesus zu dem Sturm: «Dann stand er auf, drohte den Winden und dem See und es trat völlige Stille ein. » Die Ruhe und Gelassenheit Jesu überträgt sich auf seine Umgebung, sogar auf den Sturm.
Nachdem die Ruhe auf dem See eingekehrt ist, haben die Jünger wahrscheinlich Zeit, um über die Worte Jesu nachzudenken: «Warum habt ihr Angst?» Warum habe ich Angst? So wie für die Jünger, ist es auch für uns oft schwierig, mit unseren Ängsten umzugehen. Jesus zeigt uns hier, dass der Glaube die Voraussetzung ist, um der Sturmsituation zu begegnen und sie zu überstehen; im Glauben, im Vertrauen auf Gott, finden wir die Antwort darauf, wie wir mit unseren Ängsten leben können, wie wir Schwierigkeiten überwinden können, selbst die beunruhigendsten Situationen.

Vertrauen und unser Glaube an Gott und seinen Sohn sind die Fundamente, auf die wir uns stützen und aus denen wir unsere Kraft schöpfen. Verankert sein, verwurzelt sein im Glauben – dies sind Worte die vielleicht veraltet klingen, und doch sind es schöne Bilder, die mich sehr ansprechen und Mut machen.
Wir sprechen oft davon, Vertrauen aufzubauen, unseren Glauben zu vertiefen und wachsen zu lassen. In der Tat denke ich, dass dies eine tägliche und wichtige «Übung» ist, ein Schritt oder der wesentliche Schritt für unser Leben als Christen: unsere Beziehung zu Gott und Christus pflegen, mit Jesus durchs Leben gehen, mit ihm durch die «Stürme» unseres Lebens gehen, uns ihm anvertrauen, loslassen und vertrauen. Eine «Übung» für Zeiten im Sonnenschein, für das Regenwetter bis hin zum grossen Gewitter, die uns hilft- so hoffe ich – auch in den anderen Stürmen unseres Lebens und im Sturm des Coronavirus, den wir jetzt gerade erleben. Ich sage absichtlich «Übung», denn wenn wir üben und lernen in Zeiten des Wohlergehens, in Momenten mit kleinen Unsicherheiten und Sorgen, uns Gott und Jesus anzuvertrauen, dann können wir dies (hoffentlich) auch etwas leichter, wenn die Sorgen und Ängste grösser und bedrohlicher werden.
Zum Leben gehören, neben dem schönen Wetter und Sonnenschein, auch Stürme. Manchmal ist es ein Gewitter, manchmal ein Wirbelsturm, manchmal ein Tornado; Stürme, die in Intensität und Dauer mehr oder weniger ausgeprägt sind, Stürme, die vorhersehbar und unvorhersehbar sind. Das ist das Leben, auch für uns, die wir Jesus in unserem Boot haben.
Es wäre unrealistisch und falsch zu glauben, dass unser Glaube uns vor Stürmen bewahrt; und ich finde es wichtig, dass wir uns bewusst sind, dass Stürme auch Teil des Lebens eines Christen sind; manchmal sogar riesige Stürme, die unser Leben gefährden – es ist sehr beruhigend zu sehen, dass das Aufkommen des Sturms auf dem See, nichts mit dem Glauben der Jünger zu tun hat; Jesus sagt ihnen nicht, dass ihr «kleiner» oder «wenig» Glaube der Grund für den Sturm ist; davon ist nicht die Rede. Und das bedeutet auch für uns, dass unsere Stürme, Krankheiten, Unglücke und Schwierigkeiten, unseren Glauben nicht in Frage stellen! Ich finde es sehr wichtig, dies zu verstehen: diese Dinge geschehe in unserem Leben nicht, weil uns der Glaube fehlt; nein, Stürme sind Teil des Lebens, und die Frage ist, wie wir sie durchstehen/überstehen.
Vermeiden wir, in die Falle des «Warum» zu trappen; diese führt schnell zu einem Urteil. Konzentrieren wir uns auf das «Wie» und «Wo», das uns weiterkommen lässt: wie die Schwierigkeiten überwinden, wie schaffe ich es vorwärtszugehen, wie schaffe ich es meinen Glauben nicht zu verlieren; wo bekomme ich Hilfe. Das Schlüsselwort ist: Vertrauen! Meine Beziehung zu Gott, das Vertrauen in ihn, das Beispiel Jesu, ist das «Wie und Wo», wie wir die Stürme in unserem Leben überstehen können.
Der Text beruhigt mich in meinem Glauben – klein oder groß, wenig oder viel, Jesus ist mit mir in meinem Boot, in meinem Leben. Stürme werden kommen und gehen, und es wird immer wieder neue geben; Jesus macht mir Mut, mein Vertrauen in ihn zu bewahren und mit ihm durch den Sturm zu gehen. Ich darf ihn bitten, mir zu helfen, ich darf ihn rufen, um den Sturm zu beruhigen; und vergessen wir nicht: Jesus bleibt mit im Boot, auch während des Sturms; er lässt uns nicht alleine; seine Ruhe und Gelassenheit dürfen sich auf uns übertragen.
Eigentlich wollte Rose heute Morgen den Ps. 119, Vers 129-136 lesen. In dieser Lesung finden wir Worte, die uns vielleicht helfen den Weg zu Gott, die Beziehung zu Gott zu vertiefen. Immer wieder führen die Psalmen mir vor Augen, wir hilfreich es ist – vor allem in schwierigen Situationen und Lebensphasen – diese Texte zu lesen, zu beten, und die Worte wirken zu lassen. Gerade dann, wenn ich meine, im Sturm zu versinken, wenn ich keine eigenen Worte mehr finde, dann helfen mir die Worte der Psalmen, mich an Gott zu wenden. Den 23. Psalm auswendig zu können ist mir zum Beispiel eine grosse Hilfe, wenn’s «brennt». Der Psalmbeter vom Ps 119 setzt bei den Geboten, Zeugnissen, Weisungen, dem Gesetz Jawes an und geht in seiner Suche nach Gottes Nähe mutig voran. Er sucht Erleuchtung und Gottes Gerechtigkeit, bittet Gott um seine Gnade; «lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht» > schau mich an, nimm mich wahr und schenk mir Geborgenheit bei Dir.
In meinen persönlichen Stürmen, wenn die Wellen grösser sind als all meine Worte, dann kann ich mich an Gottes Taten, Weisungen und Geboten orientieren, dann helfen mir die Worte von Jesu, wieder Boden unter die Füsse zu bekommen, machen mir Mut und zeigen mir, dass ich nicht alleine bin, denn Jesus ist mit in meinem Boot.
Der Text von Matthäus endet mit der Frage: Wer ist dieser Mann (Jesus), dem selbst Wind und Meer gehorchen? Etwas überraschend ist, dass die Jünger, die ihre Tage mit Jesus verbringen, die ihn hautnah erleben, die seine Lehren hören und die Wunder sehen, dass selbst sie sich über «diesen Mann» wundern, «dem sogar Wind und Meer gehorchen» .
Die Frage der Jünger fordert uns immer wieder neu heraus, auch heute noch. «Wer ist dieser Mann? «Eine gute Frage, die es wert ist, vertieft zu werden; wir wollen sie mitnehmen, darüber nachdenken, meditieren und beten. Eine Frage für jeden von uns. Eine Frage, die sich nie erschöpft, die es uns aber erlaubt, auf dem Weg unseres Glaubens, in unserer Beziehung zu Gott, voranzukommen. Wer ist Jesus für uns, welchen Platz hat er in unserem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben? Für diese jetzigen Zeiten, in denen wir weiter auf Distanz zueinander gehalten werden, überlasse ich uns die Frage, nehmt sie mit in den heutigen Tag, in die kommenden Woche, in Euer Leben: «Wer ist Jesus für mich, für Dich?» Amen.


Gebet: Wir danken Dir, Herr, für deine Gegenwart in Zeiten von Sonnenschein, sowie bei Regen und Sturm. Wir danken Dir, dass Du heute an unserer Seite bist. Wir vertrauen uns in Deine Hände und bitten Dich, begegne uns da wo wir sind; begleite und führe uns durch die verschiedenen Zeiten die wir im Leben erleben. Stürme sind Teil unseres Lebens, und der Sturm des Coronavirus, den wir zurzeit erleben, macht uns Sorgen, aber Du bist mit in unserem Boot, und wir wollen mit Dir zuversichtlich vorwärts gehen. Wir wollen unseren Blick immer wieder neu auf Dich ausrichten, Du zeigst uns den Weg, den Weg zu Dir in Deine Herrlichkeit.
Gib uns Nahrung für unseren Glauben, ebenso trage Du auch Sorge zu unseren körperlichen und materiellen Bedürfnissen.
Wir bitten Dich für unsere Mitmenschen, die Schweres durchmachen; für die Kranken und Betagten, für die Trauernden; wir bitten Dich für die Menschen die unter Spannungen, Ungerechtigkeit und Krieg leiden, – begegne Ihnen, tröste und begleite sie, richte sie auf; lass ihr Vertrauen zu Dir wachsen und Früchte tragen.
Und ich bitte Dich für unsere Gemeinden: lass deinen Geist wehen und wirken. Segne unsere Gemeinden mit Deiner Gegenwart.
Wir beten im Namen Jesu Christus, Deines Sohnes, Amen.

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