Dreifaltigkeit – Geheimnis der Schönheit

Predigt von Hansuli Gerber zum 1. Sonntag nach Trinitatis – 14. Juni 2020

Einführung
Aller guten Dinge sind drei – wer kennt das Sprichwort nicht?
Für Pessimisten gibt es ein Pendant: Zwei Unglücke bringen leicht noch ein drittes.
In der Erziehung der Kinder wird von vielen Eltern bei Ungehorsam die Formel gebraucht: ich zähle auf 3, oder sie fangen einfach an zu zählen: Eins-zwei-drei.
In der Lehre der Rhetorik heisst es, eine gute und einprägsame Rede sei mit drei Hauptpunkten konstruiert. – (Diese Predigt hält sich nicht daran)
Wir können leicht drei Dinge behalten, danach wird’s schwieriger…
Drei Standbeine verleihen einem Schemel oder Stuhl eine gute Stabilität, egal ob alle Beine die gleiche Länge haben.
Die Zahl 3 hat’s offenbar in sich. Sie bringt Orientierung und auch Stabilität. Doch als Symbol trägt sie auch ein gutes Stück Geheimnis, etwas, das man nicht dingfest machen kann. Sie öffnet Spielraum und weist auf etwas grösseres hin, das vielleicht weitgehend unbekannt ist, oder das sich uns und unserem Erklärungsdrang entzieht.

Trinität – Dreifaltigkeit
Der heutige Sonntag ist laut Kirchenkalender der erste Sonntag nach “Trinitatis” – Gott ist drei in Einem. Die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes – Vater, Sohn, Heiliger Geist – ist bis heute Teil der theologischen Grundlagen des christlichen Glaubens. Wer den kirchlichen Unterricht besucht hat oder regelmässig zum Gottesdienst geht, weiss das. Es ist gut, wenn wir uns zur Dreieinigkeit gelegentlich Gedanken machen. Zumal wir Alttäufer keiner klar liturgischen Tradition angehören, wo jeden Sonntag mehrmals auf die Dreieinigkeit Bezug genommen wird.
Bekanntlich gibt es drei monotheistische Religionen: Judentum, Christentum, Islam. Ein einziger Gott, wie Deuteronomium 6,4 feststellt. (und ja, es ist derselbe Gott, der Gott Abrahams, entgegen allen Behauptungen, die Muslims hätten einen andern Gott) Alle diese drei Religionen haben sehr viel Blut an den Händen – am meisten klar die christliche. Im Laufe ihrer Geschichte wurden immer wieder grausame Verfolgungen und Kriege angezettelt, und bis auf den heutigen Tag wird brutalste Gewalt mit religiösen Symbolen und Traditionen gerechtfertigt. So wird seit langem heftig darüber gestritten, ob der Monotheismus die Gewaltbereitschaft fördere. Wenn es nur einen einzigen Gott gibt, dann ist es naheliegend, dass diejenigen die an ihn glauben, Andere, nicht-Gläubige oder Andersgläubige (oder Andersfarbige) verfolgen. Es ist ähnlich wie mit dem Nationalismus, der ja auch Ausschliesslichkeit beansprucht.
Das ist ein wichtiger Grund, aber nicht nicht der einzige, weshalb die Trinitätslehre, die Idee also der Dreieinigkeit Gottes, ihren Sinn hat. Gott ist Einer, aber zugleich mehrere. Gott, das sind laut Trinitätslehre mindestens drei, und das ist in gut deutsch schon eine Gruppe (Reinhard Mey sang in seinem Lied Bevor ich mit den Wölfen heule: “mehr als zwei sind eine Gruppe”).
Die Trinität wird zwar als Dogma oder Lehre bezeichnet, aber sie ist eigentlich eher ein sprachliches Abkommen. Dies hilft uns auf die Spur, angemessener von Gott reden zu können. Sämtliche christliche Kirchen haben dieses Abkommen aus dem Ende des 4. Jahrhunderts nach Christus adoptiert.
In Deuteronomium 6:4 steht „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig” Das bedeutet hier so gut wie Einer, was damals wichtig war, denn üblich waren eine Vielzahl von Ortsgöttern, die entsprechend je an einen Ort gebunden waren. Jahwe ist Einzig und ist überall, wo wir hingehen. Zugleich muss man festhalten, dass in der zweiten Haupttradition der alttestamentlichen Schriften Elohim in der Mehrzahl steht.
Paulus benutzt in 2 Korinther 13,13 eine Art trinitarische Formel: “Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.» (Lied 242)
Im sogenannten “Missionsbefehl” bei Matthäus kommt eine trintiarische Formel vor (28:19): “Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes, und des heiligen Geistes”.
In der Bibel kommt kommt die Dreieinigkeit aber nicht ausdrücklich vor und Jesus spricht nicht davon. Dennoch ist die Formel als kirchliche Abmachung sinnvoll und hilfreich, wenn auch nicht ausschöpfend: Sie kann vor allzu grober Vereinfachung bewahren und ist gewissermassen eine Sicherung gegen Gewaltbereitschaft.

Geheimnis
Doch wichtiger als das lehrmässige Schema der drei Personen oder Gestalten, welche die göttliche Einheit bilden, ist das Geheimnis darüber, wer und was Gott ist. Gott kann zwar erlebt und bezeugt werden, aber Gott bleibt letztendlich unfassbar. Man kann Gott nicht in ein Schema drängen, genau so wenig wie man Gott auf einen Nenner bringen kann oder auf einen einzigen Namen festlegen soll. Nicht umsonst gilt im Judentum die Unaussprechlichkeit des Namens Gottes. Mir scheint, dass unter manchen Christen allzu leicht und auch allzu oft von Gott geredet wird. Als wisse man so gut Bescheid wie über sein Haustier, als hätte man Gott im Hosensack, oder als wisse man, was Gott wann und wo getan hat, und warum.
Das deutlichste und nachhaltigste Zeugnis darüber, wer Gott ist, hat Jesus von Nazareth in die Welt gebracht. Er hat allerdings mehr über die Menschen und die Welt geredet als über Gott – den er dennoch seinen Vater nannte und in dessen Auftrag er sich wusste. Also nochmal: Gott lässt sich nicht auf einen Nenner bringen – es sei denn Jesus Christus. Doch der hat, soviel wir wissen, vor mehr als 2000 Jahren gelebt und ist nicht leibhaftig unter uns. Wer Gott im Alltag ist, bleibt weitgehend Geheimnis. Es ist angebracht, vorsichtig über Gott zu reden und seinen Namen nicht mir-nüt, dir-nüt zu nennen. Wo Gott instrumentalisiert wird, wird Gott zum Götzen gemacht.

Gerne zitiere ich den Berner Pfarrer und Dichter Kurt Marti:
Wenn Gott zum Götzen verzerrt wird, muss man sich diesem verweigern.
Wo Gott zum Tyrannen gemacht wird, müssen wir diesen stürzen.

Göttliche Vielfalt
Nach einem Ringkampf, der die ganze Nacht über gedauert hat und der Jakob mit ausgerenkter Hüfte zurücklässt, fragt dieser seinen unbekannten Gegner: “Bitte sag mir deinen Namen.” Der Unbekannte antwortet: “Was fragst du nach meinem Namen?” – und segnet Jakob (Gen 32:25ff). Gott hat keinen Namen, denn Gott hat viele Namen. Gott kommt uns in vielen diversen Gestalten entgegen – manchmal als Herausforderer – und wir erkennen Gott nicht immer. Wir fragen dann, wie Mose, nach seinem Namen (Ex 3,14), und Gott antwortet: ich bin, der ich sein werde (deutsch meist “Herr”, was auch eine Fixierung ist). Gott lässt sich nicht festlegen auf einen Namen. Für uns Menschen scheint ein Name unabdingbar, er ist identitätsstiftend. Gott übersteigt diese Kategorien, Gott ist, der/die Gott ist, bzw. der/die Gott sein wird. Wobei Gegenwart und Zukunft in der hebräischen Sprache anders geregelt sind als in der deutschen oder in der französischen Sprache, sie fliessen ineinander über. Wir können Gott nicht dingfest machen, können ihn nicht in die Tasche stecken und mit uns herum tragen. Gott lässt sich nicht in unsere Schema und Systeme drängen, keine Theologie kann Gott umfassen. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb wir uns von Gott kein Bild machen sollen – jeder Versuch wird jämmerlich scheitern.
Die grosse Vielfalt des göttlichen Wesens, seiner Namen und seiner Eigenschaften, übersteigt jedes menschliche und irdische Wesen bei Weitem. Unter den Menschen gibt es auch eine grosse Verschiedenheit und jeder Mensch hat in und für sich auch seine Vielfalt, welche für ihn selber und für seine Umgebung auch nicht immer einfach ist. Gerne legen wir uns selber und andere fest – und Gott dazu.
Gott bringt Vielfalt hervor, weil Gott selber Vielfalt ist. Vielfalt in Einheit.

Liebe und Barmherzigkeit
Doch eine Aussage gilt in jedem Fall immer und überall: Gott ist Liebe. (Wem das nicht genügt, dem ist nicht zu helfen ;-). Gerne erwähne ich hier auch noch die unter Muslimen beliebte Bezeichnung Gottes, denn sie ist auch immer wahr: Gott ist der Barmherzige. Fast alles andere, was man von Gott sagen kann, ist unzulänglich und greift zu kurz. Das wusste Kurt Marti gut zu beschreiben (Gesangbuch S. 738):

Spricht der eine:
“Alles, was man über Gott sagen kann, ist Gott”
Spricht der andere:
“Alles, was man über Gott sagen kann, ist nicht Gott”
Spricht Meister Eckhart:
“Beide reden wahr”
Und ich denke: so zart also ist die Gottheit!
Die Zangen der Logik fassen sie nicht.

Wir wissen jedoch, dass die Liebe, wie die Barmherzigkeit, zwar konkret und greifbar werden will, aber dass sie sich weder einsperren noch erzwingen lässt. Wenn doch gewisse Staatsoberhäupter, Kirchenführer und sonstige Möchte-Gern-Machthaber das begreifen würden! – Und haben wir’s wirklich begriffen? – An dieser Stelle kann Jesus ins Bild gebracht werden, nicht aus theologischer Korrektheit, sondern weil er die Liebe und Barmherzigkeit Gottes verkörperte (Inkarnation) und sich dabei auf Gott berief. Für Jesus besteht zwischen ihm und dem Vater eine Einheit. Das wären dann zwei in einem.

Geist der Wahrheit
Der dritte im Bunde, der Geist, kommt aber nicht erst an Pfingsten hinzu. Der Geist ist im Hebräischen übrigens meist weiblich (ruah). Sie schwebte bei der Schöpfung auf den Wassern, um den Ausdruck Luthers zu benutzen. Jesus sagt zu der samaritanischen Frau am Brunnen: “Gott ist Geist, und die zu ihm beten, müssen in Geist und Wahrheit beten”. (Joh. 4:24) Später verheisst Jesus den Jüngern den Tröster und identifiziert ihn als den Heiligen Geist. (Joh. 14:26). Beide Male bringt das Johannesevangelium auch die Wahrheit ist Spiel um zu betonen, dass der Heilige Geist die Offenbarung der Wahrheit ist.
Der Geist Gottes ist wohl im ersten Testament bekannt als prophetische Kraft die einen Auftrag erteilt und dazu Mut spendet. Das wird jedoch nur einzeln auserwählten Menschen zuteil. In der Apostelgeschichte wird eben dieser Geist der Wahrheit im Giesskannen-Prinzip auf alle anwesenden Menschen ausgegossen. Für Liebe, Güte und Friede ist Wahrheit als Partnerin unentbehrlich, wie es Psalm 85 anschaulich darstellt.
Es gibt mehrere weitere Gründe, die für die Dreifaltigkeit sprechen und sie ergänzen. Ich skizziere hier kurz zwei Auszeichnungen Gottes die in unserer religiösen Tradition eher wenig Stellenwert haben:

Weisheit
Die Weisheit (Sophia) gehört nebst Güte/Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu den drei häufigsten Begriffen in der hebräischen Bibel. Sie kommt etwa gleich oft vor wie die Güte und die Gerechtigkeit. Sie zeichnet Gott aus und aber auch den gottesfürchtigen Menschen. Paulus nennt Christus «Gottes Kraft und Gottes Weisheit» (1 Kor 1:24)

Schönheit
Die Natur ist ein unfehlbares Zeichen der Schönheit Gottes, die alles übersteigt, was wir uns vorstellen können.
In den südlichen Alpen Frankreichs lebt Schwester Catherine, 62, seit 25 Jahren in völliger Abgeschiedenheit in einer einfachen Hütte als Eremitin.
Sie sagt: “Die Schönheit dieses Ortes hat mir geholfen, mich auf die Schönheit Gottes hin zu bewegen, die seines Projektes. Denn schlussendlich wird die Schönheit Gottes jedes Übel, jeden Horror verschlucken; seine Liebe wird triumphieren“. (La Vie 20.2.2020)
Liebe, Gnade, Barmherzigkeit, sind alle von enormer Schönheit. Eigentlich eigenartig und unverständlich, dass Menschen so wenig Wert drauf legen. Die Coronakrise hat immerhin – nebst allen Problemen – manche darauf aufmerksam gemacht.
Gottes Schönheit liegt in seiner vollkommenen Liebe und die ist vielfältig.

Zum Schluss
In seinem Büchlein Die gesellige Gottheit schreibt Kurt Marti das Gedicht Gottes Sein blüht gesellig. Ich zitiere die Teile 1 – 3 und 5:

Wenn Gott zum Götzen verzerrt wird, muss man sich diesem verweigern.
Wo Gott zum Tyrannen gemacht wird, müssen wir diesen stürzen.
So fordert’s seine Dreieinigkeit.

Dreieinigkeit?
Ein Männerbund! empören sich die Frauen.
Zu Recht, zu Recht

Und dennoch:
entwarf diese Denkfigur
die unausdenkbare Gottheit nicht
als Gemeinschaft,
vibrierend, lebendig,
beziehungsreich?
Kein einsamer Autokrat jedenfalls,
schon gar kein Götze oder Tyrann!
Eine Art Liebeskommune vielmehr,
einer für den andern,
“dreifach spielende Minneflut” (Mechthild von Magdeburg)

Mich stellt’s jedenfalls auf,
Gott als Beziehungsvielfalt zu denken,
als Mitbestimmung, Geselligkeit,
die teilt, mit-teilt, mit andern teilt:
“Die ganze Gottheit spielt ihr ewig Liebesspiel” (Quirinus Kuhlmann)

Und insofern:
Niemals statisch,
nicht hierarchisch,
actus purus,
lustvoll waltende Freiheit,
Urzeugung der Demokratie.

….

Will ich die gesellige Gottheit begreifen,
von ihr Besitz ergreifen,
lang› ich ins Leere.
Und auch Sie
– von Mechthild «Frau Minne» genannt –
will nicht Besitz ergreifen von mir.
Eher berührt sie,
wie Freunde, wie Liebende
einander berühren,
berührt,
damit die Besessenheit vom Besitz,
der Wille zur Macht verglühe
im Angesicht jenes Tages,
«da alle Herrschaft,
jede Gewalt oder Macht
vernichtet
und Gott alles sein wird in allem.» (1. Kor. 15,24)

Dreieinigkeit?
Weil sexistisch
und überhaupt: Entwurf
ohne Endgültigkeit.
Gott ist Liebe,
will er sagen,
Gottes Sein blüht gesellig,
«Seine Liebe wandelt
in immer frischem Trieb
durch die Welt.» (Franz Rosenzweig)

Amen.

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